21. Oktober 2014In 2014/4

In Moskau geboren … im Irak aufgewachsen … in Düsseldorf zu Hause

„Ich bin ein Produkt dreier Kulturen“


von Niran Banna

Ich bin ein Produkt dreier Kulturen: In Moskau geboren, in Bagdad aufgewachsen, in Düsseldorf gelandet. Was ich bisher erlebt habe, geht auf meine örtliche Umgebung zurück. Meine Kindheitserinnerungen sind russisch, meine Jugend- und Studium-Eindrücke sind von purer arabischer Natur. Und erwachsen wurde ich in Düsseldorf.

Die Gründe, warum ich so geworden bin, sind mächtig, politisch und spannend. Nicht, dass ich meiner Person gewisse Größe zuspreche. Aber wäre der Irak in den Fünfzigern nicht ein aufstrebendes Land gewesen, hätte mein Vater meine Mutter nie in Moskau kennengelernt. So beginnt meine persönliche Geschichte mit der Entsendung jener irakischen Schüler zum Studium nach Moskau.

Irak, seit 1958 eine frischgebackene Republik, sehnte sich seit den Fünfzigern nach Weiterentwicklung und Fortschritt. Junge, aufstrebende Professionals waren im Land überall gefragt und dringend benötigt. Tausende junge Leute wurden zum Studieren ins Ausland entsandt. Das Zurückkehren wurde vorausgesetzt, um das erworbene Wissen in Taten vor Ort umzusetzen. Die rasche Entwicklung des Landes war nicht zu übersehen. Bagdad, die Hauptstadt, erlebte gerade einen enormen Erweiterungsschritt und die Einwohnerzahl hatte sich inzwischen fast verdoppelt.

Um diese Entwicklung zu bewältigen, wurden neue, moderne Masterpläne für die wachsende Metropole vorgestellt. Von führenden internationalen Planern entworfen, versteht sich. Architektonische Größen wie Le Corbusier, Alvar Aalto und Frank Lloyd Wright haben für Bagdad Gebäude, gar ganze Viertel geplant. Walter Gropius hat sogar für die Universität Bagdad einen Komplex realisiert, in dem ich meine Studienzeit verbracht habe.

1974 sind meine Eltern und ich nach Bagdad gekommen. Meine frühen Kindheitstage und die Schulzeit stellten die entspannte Zeit meines Lebens dar: Glückliche und liebevolle Erinnerungen prägen diese Lebensphase. 

Leider ging ab 1990 für den Irak alles abwärts. Mit dem Kuweit-Überfall, dem darauf folgenden zweiten Golfkrieg und dem Embargo versank das Land immer weiter in innenpolitischen Konflikten. Die Infrastruktur verschlechterte sich, Brain Drain – Abwanderung von Fachkräften – fand statt. So wie viele andere Iraker haben wir auch unser vertrautes Umfeld verlassen müssen. Seitdem besetzt der Irak die negativen Schlagzeilen mit traurigem Erfolg bis heute.

Aber eigentlich müsste es aufwärts gehen, für ein Land, das so reich und geographisch strategisch so gut gelegen ist.

Seit 1997 lebe ich in Düsseldorf. Unsere Kinder sind hier geboren. Für mich war es eine Herausforderung, in eine andere Welt zu kommen und doch gleichzeitig der Anfang einer neuen Lebensphase. Das familiäre und berufliche Leben verläuft im „deutschen“ Rahmen, alles andere ist schwer vorstellbar für mich. Allerdings habe ich die Verbindung zu meiner „örtlichen“ Vergangenheit aufrecht erhalten – auch beruflich, was mich sehr freut. Unser Büro arbeitet an Masterplänen für irakische Städte. Es wäre nur schön, wenn mehr Zusammenarbeit stattfinden würde. Ich glaube fest daran, dass eine gemeinsame Sache viel Spannung und Interessantes bringen würde, und zwar für beide Seiten.


Kurzvita

Niran BannaNiran Banna (43) ist Architektin und lebt mit ihrer Familie seit 1997 in Deutschland. 
Sie mag mesopotamische Kultur, ihre Katzen und hofft vom Nahen Osten bald gute Nachrichten zu hören. 
Ansonsten findet sie Auseinandersetzung der Kulturen sehr spannend. 


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