4. Mai 2015In 2015/2

„Ich bin hartnäckig und sehr neugierig“

Interview mit der Schauspielerin Marianne Rogée


von Dr. Susan Tuchel

Sie sollen mit der Schauspielerin Louise Rogée verwandt sein, die Theodor Fontane in seinem autobiographischen Roman „Meine Kinderjahre“ aus dem Jahr 1893 erwähnt. Wissen Sie genaueres über diese Blutsbande+

Ja, es gibt eine der Familie Rogée, die diese Verwandtschaft bestätigt. Das ist für jemanden wie mich, der bei einer Pflegefamilie in bildungsfernen, ärmlichsten Verhältnissen groß wurde – es gab vier katholische Gesangbücher -, eine Information von geradezu unschätzbarem Wert. Wissen Sie, ich war Linkshänderin, rothaarig, hatte einen französischen Namen und war unehelich geboren worden – in allem eine Außenseiterin. Rückblickend kann ich nur von großem Glück sagen, dass niemand während der NS-Diktatur herausgefunden hat, dass meine Großmutter väterlicherseits Jüdin war.

Und wie schafften Sie den Absprung?

Als 15-Jährige habe ich auf der Freilichtbühne Coesfeld-Flamschen Theater gespielt. Ein Sänger der Oper Stuttgart gab mir die Adresse der Westfälischen Schule für Musik, die ich dann heimlich besuchte. Mit 18 Jahren bin ich dann von Coesfeld nach Münster gezogen. Mein größter Wunsch war zu dem Zeitpunkt aber gar nicht die Schauspielerei. Viel lieber hätte ich Abitur gemacht und Archäologie oder Jura studiert, um Strafverteidigerin zu werden. Letzteres kam nicht von ungefähr, denn mein zehn Jahre älterer Pflegebruder geriet öfter mit der Justiz in Konflikt. Bei den Verhandlungen hatte ich den Eindruck, dass mein Pflegebruder und die Herren bei Gericht verschiedene Sprachen redeten. „Ganz unten“ wird anders gesprochen und verstanden.

Sie standen in den 50er- und 60er-Jahren auf der Bühne. Was wurde vor einem halben Jahrhundert gespielt?

Zu der Zeit war der Spielplan genauso gemischt wie heute. Ich spielte viel Tennessee Williams, John Osborne, John Steinbeck und Jean Anouilh – Stücke, die zu der Zeit aktuell waren. Von 1961 bis 1973 war ich im Ensemble des Theaters am Dom in Köln, das sehr berühmt und für seine Experimente bekannt war. Wir waren übrigens das einzige Theater, das trotz Mauerbaus noch Brecht spielte.

Sie spielten klassisches und modernes Theater in München, Stuttgart und in Frankfurt am Main, mussten also immer wieder den Umzugswagen ordern.

Ja, das stimmt, ich habe in Frankfurt, in Stuttgart und fünf Jahre in München gewohnt. Aber immer wieder habe ich mich gefreut, vor der Einfahrt in den Bahnhof den Kölner Dom zu sehen. Ein Auto habe ich übrigens nicht, ich erledige alle Fahrten mit Bus und Bahn. Das hat auch was damit zu tun, dass ich die Leute sehr gerne beobachte. Ich bin so neugierig, dass ich sogar versuche, ihre Gespräche mitzuhören. Wenn ich Zeit habe, fahre ich auch bis zur Endstation mit.

Sie sind politisch als SPD-Mitglied engagiert, setzen sich für Equal Pay ein und sind Feministin. Mit Karin Dor waren Sie auf insgesamt drei Deutschlandtourneen mit Esther Vilars „Der dressierte Mann“ in der Theateradaption von John von Düffel. Ihre Ehe mit einem Griechen ist unter anderem nicht zuletzt daran gescheitert, dass Sie seine Hemden nicht mehr bügeln wollten…

Meiner Liebe zu Griechenland hat das keinen Abbruch getan. Ich liebe das Land und die Griechen, halte diese ganze Debatte über den Grexit für völlig falsch. Das Geld ging ja nicht ans griechische Volk. Bei ARTE gibt es eine Reportage zu diesem Thema, die jeder sehen sollte, bevor er sich ein Urteil bildet. Ich lerne aktuell sogar Neugriechisch, um mit den Griechen in ihrer Sprache sprechen zu können.

Sie leben in Köln mit Ihrem Partner. Was mögen Sie an Düsseldorf?

Düsseldorf ist eine faszinierende Stadt mit einer wunderbaren Architektur. Den Medienhafen finde ich einfach wunderschön. Da ich Mode liebe, bin ich natürlich auch gerne in Düsseldorf und starre den elegant gekleideten Frauen hinterher.

Ihre privaten Vorlieben?

Ich laufe gerne stundenlang durch fremde Städte und lese sehr viel. Zu meinen Lieblingsautoren zählen unter anderem amerikanische Schriftsteller wie Philip Roth. Und dann liebe ich Bücher, bei denen man etwas lernen kann wie bei dem Roman „Das Tiefland“ der amerikanischen Autorin Jhumpa Lahiri mit indischen Wurzeln, der gerade auf meinem Nachttisch liegt.

Sie waren vor 26 Jahren beim Premierenstück in „Ausgerechnet Hamlet“ im Theater an der Kö dabei. Woher kennen Sie René Heinersdorff? Bei wie vielen Stücken waren Sie in Düsseldorf mit von der Partie?

René Heinersdorff kenne ich zu meiner Freude schon sehr lange und habe in seinem Theater schon in sechs Stücken mitgespielt und würde das auch gerne in den nächsten Jahren noch tun. Als Schauspieler zwingt einen ja niemand, in Rente zu gehen, und ich liebe meinen Beruf immer noch sehr.


Kurzvita

Marianne RogeeAufgewachsen ist Marianne Rogée bei Pflegeeltern im münsterländischen Coesfeld. Mit 16 Jahren besuchte sie die Westfälische Schule für Musik in Münster und wurde Schauspielerin. Bekannt wurde Rogée mit der ARD-Serie Lindenstraße, in der sie von 1986 bis 2009 die Rolle der Isolde Pavarotti spielte. Für den WDR arbeitete sie viele Jahre als Hörspielsprecherin. 12 Jahre war sie Ensemble-Mitglied des Theaters am Dom in Köln. Sie hatte Engagements in München, Stuttgart sowie Frankfurt und gastierte mit Chansons und Gedichtabenden auf Galas und an vielen Theatern. In diesem Frühjahr stand sie mit Jochen Busse und Jeannine Burch in dem Stück „Fremde Verwandte“ auf der Bühne im Theater an der Kö.


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