16. Februar 2015In 2015/1

„Als Architekt legte ich immer großen Wert darauf, Architektur und Kunst harmonisch zu vereinen“

Interview mit Walter Brune, Architekt und Stadtplaner


von Dr. Siegmar Rothstein

Sie blicken auf eine bewegte, ungewöhnlich erfolgreiche berufliche Tätigkeit zurück. Sie waren und sind Architekt mit Leib und Seele, auch Ihr Vater und Großvater waren Architekten. Haben Sie vor der Ausbildung je überlegt, eventuell einen anderen Beruf zu ergreifen?

Es ist richtig – mein Vater war Architekt und mein Großvater, sowie weitere Generationen zurück waren Baumeister in einem kleinen Ort im Emsland. Dort erzählt man sich, dass ganze Dorf sei von der Familie Brune über mehrere Generationen hinweg errichtet worden. Ich bin das fünfte von acht Kindern und im Gegensatz zu meinen Brüdern hatte ich schon früh eine Affinität zur Architektur und zu Baustellen. So hat mich mein Vater schon in jungen Jahren mit auf die Baustelle genommen. Insofern kam kein anderer Beruf für mich in Frage.

Sie haben nicht nur als Architekt gearbeitet, sondern auch auf die Gestaltung der Innenstädte Einfluss genommen. 1973 ist das Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim nach Ihren Plänen auf einem ehemaligen Zechengelände gebaut und als gelungene Flächenrecycling-Maßnahme gefeiert worden. Jahre später haben Sie erklärt, nie wieder derartige Shopping-Center zu bauen und sich unter anderem kritisch mit dem Centro Oberhausen auseinandergesetzt. Worin liegen die negativen Nebenwirkungen solcher Zentren?

Während meines Studiums habe ich nicht nur die Architektur, sondern auch alles zum Thema Städteplanung erlernt und mich in beiden, zwar verwandten, jedoch unterschiedlichen Bereichen betätigt. Mit meinem Kollegen Prof. Robaschik hatte ich eine Bürogemeinschaft ausschließlich für Städteplanung. Für viele Regionen in Westdeutschland erstellten wir Gutachten und Planungen bezüglich der Zusammenlegung verschiedener Orte.
1950 machte ich mich selbständig und gewann 1951 den Wettbewerb bezüglich einer neuen Zechenanlage im Ruhrgebiet – einer umfangreichen Industrieanlage und einem großen Kraftwerk. Somit hatte ich bereits sehr früh großen Erfolg und benötigte zehn Mitarbeiter. In der Folge plante und baute ich zahlreiche große Kaufhäuser für Karstadt und Kaufring, auch für Horten. Weiterhin wurde ich vom Stinnes Konzern beauftrag, die Planung für das Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim zu übernehmen. Zu dieser Zeit unterhielt ich mit dem Kollegen Marcel Breuer ein Büro für Städte- und Entwicklungsplanung in New York. Wir arbeiteten in erster Linie für die Weltbank. Damals lernte ich auch die sehr speziellen Strukturen moderner Einkaufszentren in den USA kennen und war somit in der Lage, für das Rhein-Ruhr-Zentrum – damals für Shopping-Center Entwickler das Mekka Europas – einen professionellen und sehr fortschrittlichen Entwurf zu entwickeln. Man sah auch politisch eine alternative Einkaufsmöglichkeit für das gesamte Ruhrgebiet direkt an der A40. Ein Jahr nach der Eröffnung besuchte ich die Innenstadt von Mülheim und musste sehr bestürzt feststellen, dass die Schlossstraße – damals die interessanteste Einkaufsstraße im Ruhrgebiet – komplett verödet war. Kein Ladenlokal hatte überlebt. Die Innenstadt war leer, tot und ich fühlte mich in meiner Eigenschaft als Architekt – nicht als Investor – hierfür verantwortlich. Alle danach bei mir eingehenden Anfragen zum Bau eines weiteren, ähnlichen Out-of-Town-Centers lehnte ich rundweg ab und entwickelte in den Folgejahren ein neues Einzelhandelsprinzip – nämlich die Stadtgalerie: eine Einkaufsoffenbarung im Zentrum der Innenstadt mit einem auf den umgebenden Einzelhandel abgestimmten Angebotssortiment. Dieses bahnbrechende Prinzip setzte ich dann mit der Kö Galerie in Düsseldorf um.

Sie kritisieren nicht nur, dass Einkaufszentren gewissermaßen auf der grünen Wiese ohne Beziehung zur Innenstadt errichtet werden, sondern greifen auch die Größe der Shopping Center an.

Bis zum heutigen Tag bekämpfe ich Shopping-Center und FOC Projekte, die den gewachsenen Einzelhandel – wie damals in Mülheim – zerstören. Ebenso schädlich sind Zentren, die sich nicht integrieren und einfach viel zu groß sind. Der mir in Verbindung mit dem Rhein-Ruhr-Zentrum gemachte Vorwurf, ich sei vom Saulus zum Paulus avanciert, ist unsinnig, denn als ich Ende der 1960er-Jahre den Auftrag für die Planung erhielt, wusste niemand in Europa, welche Auswirkungen auf die Allgemeinheit zukommen. Ich war als Architekt einfach nur glücklich, einen tollen Auftrag erhalten zu haben. Erst die Erfahrung konnte mir die Kraft geben, das richtige Einzelhandelsmodell zu entwickeln, was ich mit dem Prinzip der Stadtgalerie dann in vielen Städten umsetzen konnte.

Haben Ihre Gedanken, Anregungen und der Bau der Stadtgalerien, wie Kö-Galerie und Schadow Arkaden, zum Umdenken geführt?

Im weiteren Verlauf habe ich mich energisch dafür eingesetzt, Städte vor den Out-of-Town-Centern zu bewahren und vier Bücher, zum Beispiel den Bestseller „Angriff auf die City“ sowie die neueste Streitschrift „Factory Outlet Center – Ein neuer Angriff auf die City“ geschrieben. Letzteres befasst sich mit der schrecklichen Zerstörungskraft von FOCs – fälschlicherweise auch Design Outlet Center genannt – die sich in der Regel am Stadtrand oder außerhalb ansiedeln und eine beängstigende Magnetkraft auf den Einzelhandelsumsatz haben, wodurch diesem die Grundlage entzogen wird. Geschäfte schließen reihenweise, Arbeitsplätze gehen verloren, die Innenstadt verödet und innerstädtische Werte sterben aus. Deshalb habe ich mich als Städteplaner verpflichtet gefühlt, mit aller Kraft gegen diese Entwicklung zu kämpfen. Meine Bücher kritisieren nicht nur, sondern geben Vorschläge, wie man es besser / richtig macht. Ich kann mittlerweile mit Stolz berichten, dass es viele Städte, aber auch Investoren gibt, bei denen der Umdenkprozess begonnen hat.

Sie haben ein Stück Toskana mitten in Brandenburg geschaffen, ein Feriendorf im ostbrandenburgischen Alt Madlitz. Es gab viele Probleme mit Paragraphenreitern und Schwierigkeiten bis zur Baugenehmigung, wie Sie gesagt haben.

In Brandenburg habe ich mit größtem Qualitätsanspruch das Natur- und Wellness Resort Gut Klostermühle Alt Madlitz direkt am Madlitzer See mit 100 Hotelzimmern, drei Restaurants, Reitanlage, Tennisplätzen und dem Brune Balance med & SPA gebaut. Derzeit arbeite ich mit dem bekannt Arzt und Buchautor Prof. DDr. Johannes Huber aus Wien, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Anti-Aging Bewegung sowie ganzheitlicher Gesundheit in der Altersgruppe 50plus. Bei der Errichtung des Resorts habe ich zahlreiche Erfahrungen sammeln können, jedoch ist der Ärger mit den Behörden in Brandenburg derart extrem, dass der Spaß bei der Umsetzung komplett auf der Strecke blieb. Während der Bauzeit von gut 10 Jahren erstellte ich auch ein kleines Theater mit 300 Plätzen und erstklassiger Bühnentechnik. Ein ganz besonders Kultur-Highlight war das Violinenkonzert von Ludwig van Beethoven, gespielt vom Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt (Oder) unter der Leitung des Dirigenten Howard Griffith. Wo sich früher Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagten, habe ich Kultur geschaffen, aber meine außerordentliche Leistung wird von der Politik dort nicht anerkannt.

Inzwischen haben umfangreiche Umbauarbeiten  an der Kö Galerie stattgefunden. Wie man hört, haben Sie keinen großen Gefallen daran gefunden.

Das stimmt. Die Umbauten in der Kö Galerie haben mich entsetzt. Meine Idee, den Charme der Königsallee auch in der Kö Galerie fortzuführen sowie Flair und Luxus mit künstlerischen Aspekten zu vereinen, ist von den neuen Eigentümern vernachlässigt bis – man kann es nicht fassen – zerstört worden. Den Neuen geht es nur um Shopping, Shopping und nochmals Shopping. Mir ging es immer um ein Stück Stadtkultur, was ich durch viele Events stützen konnte. Ich habe die Kö Galerie 22 Jahre persönlich geleitet. An jedem Sonntagvormittag wurde ein Matinee Konzert für junge Künstler veranstaltet. Auch der regelmäßig stattfindende Kö Talk mit Moderator Jan Hofer hat das Publikum viele Jahre begeistert. Das Sinfonieorchester der Düsseldorfer Universität hat zweimal ein Debut gegeben und viele andere, große Künstler traten auf. Die kulturell hochwertige Stadtszenerie, die ich etabliert und lange Jahre gepflegt und lebendig gehalten habe, ist mit dem neuen Eigentümer leider komplett untergegangen.

Nach Ihrer Ansicht muss der Architekt so bauen, dass sich die Benutzer in den Gebäuden wohlfühlen. Auch die Kultur darf nicht zu kurz kommen. Liegt in all dem das Geheimnis Ihres großen Erfolges?

Als Architekt, möchte ich betonen, legte ich immer großen Wert darauf, Architektur und Kunst harmonisch zu vereinen. Auch Gebäude früherer Jahrhunderte zeigen diese Aspekte. Denken Sie beispielsweise an ein Schloss oder eine Kirche: entfernen Sie die Kunst, verbleibt ein simpler Rohbau. Deshalb habe ich über dem Portal der Kö Galerie ein Mosaik von Heinz Mack installiert und über dem Portal des Nebengebäudes Kö 62 ein Mosaik von Piene. Ich wollte auch in gleicher Art ein Nagelkunstwerk von Uecker am linken Eingang (Kö 58) anbringen lassen, jedoch kam der Verkauf der Kö Galerie meinem Vorhaben zuvor. Sonst hätte ich die drei Zero-Künstler Mack, Piene und Uecker komplett nebeneinander präsentieren können. Kunst und Architektur zu verbinden, habe ich fast immer verwirklichen können, so auch im Prinzenpark mit der in der Kunstwelt sehr beachteten und hochgelobten Bronzeskulptur von Irmer bestehend aus fünf lebensgroßen Figuren.

Sie sind seit über 60 Jahren im Beruf. Andere Männer sind in Ihrem Alter 20 Jahre im Ruhestand. Haben Sie immer noch große Pläne?
 

Ja, ich kann auf 65 erfolgreiche Berufsjahre zurückblicken. Aber, ich habe noch 20 Jahre vor mir. Meine Mutter wurde 100 Jahre alt und bei den heutigen Erkenntnissen zur gesunden Lebensweise, hoffe ich, noch einen Schritt weiter zu kommen. Obwohl ich 1950 mit 100 DM angefangen habe, stuft mich das Manager Magazin heute in den Kreis der 300 Reichsten Deutschlands ein. Jedoch ist hierbei zu bedenken, dass sich mein Vermögen aus Immobilien zusammensetzt und Projekte dieser Art immer mit großen Hypotheken belastet sind.
Soeben habe ich die Verantwortung für die Errichtung eines modernen Gebäudes für SAP in Ratingen übernommen und bin sicher, das Projekt 2017 übergeben zu können. Außerdem besitze ich noch eine große Anzahl unbebauter Grundstücke, die ich noch bebauen möchte. Und zu meinem großen Glück wird mein Sohn – 27 Jahre, gut ausgebildet – mein Lebenswerk in meinem Sinne weiterführen.

Jan Hofer hat Ihnen in seiner Laudatio anlässlich Ihrer Auszeichnung zum Düsseldorfer des Jahres ungeheure jugendliche Dynamik und Energie zugesprochen. Woraus schöpfen Sie Ihre Vitalität?

Ich war glücklich und dankbar über Jan Hofers Worte bei der Verleihung der Auszeichnung „Düsseldorfer des Jahres“ und ich fühle mich trotz meines Alters immer noch jung, gesund und vital. Aber diesen Zustand bekommt man nicht geschenkt. Meine ganze Lebensweise ist auf die Gesunderhaltung von Körper und Geist ausgerichtet. So treibe ich beispielsweise noch vor dem Frühstück jeden Tag eineinhalb Stunden Sport und ernähre mich sehr bewusst. Nur wenn man auch in frühen Jahren auf den Körper achtet, führt dies in der letzten Lebensphase zu einem vitalen Körperergebnis. Derzeit verfasse ich zu diesem Thema eine kleine Lektüre und würde mich freuen, wenn viele Menschen meinem Lebensbeispiel folgen.


Kurzvita

Walter BruneWalter Brune wurde 1926 in Bremen geboren. 1947 Ingenieurdiplom; 1950 machte er sich nach einer dreijährigen Praxis bei Prof. Gustav August Munzer selbstständig und ist bis heute aktiv.  Schon als junger Architekt baute er das Steinkohlenbergwerk Prosper-Haniel sowie mehrere Kraftwerke und Fördertürme. Er entwickelte neben Großprojekten für zahlreiche Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Industrie, deren Landhäuser im Bungalowstil, die aufgrund ihrer Einzigartigkeit in den Architekturzeitschriften weltweit vorgestellt wurden. Die Weltbank beauftragte ihn mit der Planung umfangreicher Entwicklungsprojekte und für den Schah von Persien erstellte er die Planung einer neuen Stadt am Kaspischen Meer. Seit Anfang der 1980er-Jahre war er in Personalunion Architekt, Entwickler Consulter und Betreiber von innerstädtischen integrierten Einkaufszentren. Sein Konzept der Stadtgalerie entwickelte er erstmals bei der Kö-Galerie in Düsseldorf, danach in anderen Städten und später bei den Schadow Arkaden in Düsseldorf.
Brune erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem das Bundesverdienstkreuz am Bande. Er hat  zahlreiche Schriften veröffentlicht. 2014 wurde er Düsseldorfer des Jahres. Brune lebt  seit 64 Jahren in Düsseldorf, er hatte sechs Kinder, ein Sohn ist verstorben.


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