9. November 2016In 2016/4

„Der Luftverkehr in seiner aktuellen Entwicklung ist ein deutlicher Ausdruck unserer hochmobilen Bevölkerung“

Interview mit Thomas Schnalke, Sprecher der Geschäftsführung Flughafen Düsseldorf


von Dr. Siegmar Rothstein

Seit 1. Juli diesen Jahres sitzen Sie auf dem Chefsessel des Düsseldorfer Flughafens. Die Politik hat die Entscheidung des Aufsichtsrates, die Ihrer Bestellung voraus ging, einhellig begrü.t. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates Oberbürgermeister Geisel nennt Sie einen ausgewiesenen Luftfahrtexperten. Sie selbst haben diese Aufgabe als Traum bezeichnet und wollen sie am liebsten bis zur Rente ausüben. Was haben Sie sich vorgenommen? Was sind die Schwerpunkte Ihrer künftigen Tätigkeit?

Luftverkehr ist eine sich schnell wandelnde Branche, die zudem mit vielen regulatorischen Vorgaben klar kommen muss. Mein prioritäres Ziel ist es, die Position des Düsseldorfer Airports als wichtigsten Flughafen in NRW nachhaltig zu festigen, auszubauen und gleichzeitig als integrierten Bestandteil unserer Regionen zu positionieren. Unserem Antrag auf Ausweitung der Kapazität fällt hier eine besondere Bedeutung zu. Gleichzeitig gilt es, den Flughafen ins digitale Zeitalter zu führen. Die Digitalisierung unserer Lebensumwelt wird in den nächsten Jahren auch unsere Branche verändern. Diese Entwicklung dürfen wir nicht verpassen.

Der Flughafen Düsseldorf ist der Drittgrößte in Deutschland, 2015 hat er einen neuen Passagierrekord aufgestellt; über 22 Millionen wollten ab Düsseldorf starten und in Düsseldorf landen. Offenbar ist das für Sie nicht das Ende der Fahnenstange. Sie haben bei der Landesregierung beantragt, die mögliche Kapazität der Start- und Landebahnen noch mehr nutzen zu können – statt 47 sollen demnächst 60 Flüge stündlich in den Spitzenstunden des Tages zur Verfügung stehen. Ist diese Erweiterung tatsächlich geboten? Wohin soll es führen?

Laut einer Studie der EU-Kommission sind wir einer der fünf Flughäfen in Europa mit der höchsten Übernachfrage nach Slots. Die Zahl unserer Passagiere wird in 2016 erneut stärker als der Verkehr wachsen. Gerade der Luftverkehr in seiner aktuellen Entwicklung ist ein deutlicher Ausdruck unserer hochmobilen Bevölkerung. Die Menschen in unserer Region, die übrigens der größte Wirtschaftsraum unseres Kontinents ist, möchten beweglich sein, sowohl im Alltag wie auch in der Freizeit. Für sie spielt das Flugzeug daher eine elementare Rolle. Und dieser Trend wird auch in den nächsten Jahrzehnten weiter anhalten. Aus diesem Grund benötigt unser Flughafen eine Wachstumsperspektive, damit ganz NRW an die weltweiten Verkehrsströme angeschlossen bleibt und als Bundesland nicht den Anschluss verpasst.

Sie haben wohl keine Sorge, dass die Entwicklung des Düsseldorfer Flughafens auch einmal in die andere Richtung gehen könnte. Vor nicht langer Zeit gab es Befürchtungen, dass Air Berlin den Flughafen Düsseldorf aufgibt. Dem Lufthansa Chef Spohr sind die Entgelte des Flughafens zu teuer, er setzt bei der Vielfliegerei stärker auf den Flughafen Köln-Bonn. Es wird berichtet, dass Eurowings den Verwaltungssitz nach Köln verlegt hat.

Zur Zeit erleben wir eine schnelle und sehr grundlegende Veränderung in der Airline-Welt. Was sich allerdings nicht verändert, ist die Stärke unserer Stadt und unserer Region, aus der ein stets wachsendes Bedürfnis nach internationaler Vernetzung entsteht. Dem entsprechen wir durch starke Partnerschaften mit unseren Airlines. Fakt ist, dass wir der stärkste Standort der Euro/GermanWings-Gruppe und das größte Interkont-Drehkreuz der Air Berlin sind.

Der Wunsch nach Kapazitätserweiterung begegnet erheblichen Einwendungen. Es wird vor allem zusätzlicher Lärm befürchtet. Die Fluglärmkommission lehnt Ihre Pläne ab. Wachstum braucht aber Zustimmung der Bürger. Können Sie die Bedenken der Anwohner verstehen?

Es war uns wichtig, unser Vorhaben frühzeitig und maximal transparent mit der Bevölkerung zu teilen. Das ist uns, wie ich glaube, auch sehr gut gelungen. Dass heutzutage kein Infrastrukturprojekt ohne Widerstand vorangetrieben wird, ist ein Zeichen unserer Zeit, aber auch ein Zeichen funktionierender Demokratie. Ich finde es in diesem Zusammenhang aber wichtig, auf die Verhältnismäßigkeiten hinzuweisen: Etwa 41.000 Bürgerinnen und Bürger haben im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung Einwendungen erhoben. Dies geschah vielfach über Unterschriftenlisten. In unserer Region leben jedoch allein in den Städten, die unmittelbar an unseren Flughafen grenzen, 2,8 Mio. Menschen. Im Übrigen verzeichnen wir viele Tage im Jahr, an denen mit über 80.000 Passagieren mehr als doppelt so viele Menschen unseren Flughafen nutzen. Auch das relativiert ein wenig die Zahl der Einwendungen, die erst einmal groß scheinen mag. Dennoch respektieren wir jede einzelne Einwendung. Aktuell sind wir dabei, die etwa 500 Sachargumente, die aus den Einwendungen von der Bezirksregierung herausgefiltert wurden, dezidiert zu kommentieren. Diese Stellungnahmen finden dann wieder Eingang in das Verfahren. Für Februar ist dann der Erörterungstermin vorgesehen. Grundsätzlich bekommen wir aber das Feedback aus der Region, dass die mit Abstand überwiegende Mehrheit der Menschen ihrem Flughafen positiv gegenübersteht.

Wird man die Einwendungen der Bürger ausräumen können, oder müssen letztlich die Gerichte entscheiden?

Wir befinden uns in einem offiziellen Planfeststellungsverfahren, das sehr klaren Regeln folgt. Ein wichtiger Bestandteil dieses Verfahrens besteht aus der Befassung mit den Einwendungen der Bürger. Das ist für mich ein deutlicher Ausdruck unserer demokratischen Grundhaltung. Am Ende wird das Verkehrsministerium des Landes eine Entscheidung auf Basis einer dezidierten Abwägung treffen. Die Flugrouten und -höhen sind nicht Gegenstand unseres Verfahrens und stehen daher auch nicht zur Disposition. In unserem Verfahren geht es um die Anhebung der Bewegungskapazität in den so genannten Spitzenstunden während des Tages, um die flexiblere Nutzung unseres Bahnsystems und um die Einrichtung von acht zusätzlichen Abstellpositionen.

Was halten Sie von dem Vorschlag, zusätzlichen Bedarf an Touristikflügen auf Regionalflughäfen zu verlagern, insbesondere sogenannte Billigflieger, die in Düsseldorf vermehrt abheben?

Airlines stationieren ihre Flugzeuge grundsätzlich dort, wo die Nachfrage durch die Passagiere vorhanden ist. Ein Flughafen kann dies in keiner Weise beeinflussen. Ein separates Billigflieger-Segment ist in europäischem Verkehr ohnehin nicht mehr vorhanden. Die Geschäftsmodelle der Airlines haben sich daher inzwischen komplett angeglichen. Für den Kunden sind daher die Erreichbarkeit des Flughafens und das breite Angebot an Verbindungen zum Entscheidungskriterium geworden.

Flughäfen gelten als potentielles Ziel für den Terrorismus. Man kennt die Kontrolle von Fluggästen und Gepäck. Gibt es weitere präventive Maßnahmen für die Sicherheit am Flughafen Düsseldorf? Gelegentlich hört man von Mängeln bei den Sicherheitschecks. Auch in Düsseldorf sei es Beamten gelungen, Teile einer Selbstbaubombe am Sicherheitspersonal einer Privatfirma vorbei in den Abfertigungsbereich zu bringen.

Allen Akteuren ist bewusst, dass der Luftverkehr ein Ziel terroristischer Aktivitäten sein kann. Die Anschläge auf die Flughäfen in Brüssel und Istanbul haben uns das schmerzlich vor Augen geführt. Deswegen sind die Sicherheitsstandards an internationalen Flughäfen auch höher als irgendwo anders im öffentlichen Raum. Die Bundespolizei macht hier einen sehr guten Job. Unser eigenes Sicherheitspersonal unterstützt an verschiedenen Stellen. Viele Maßnahmen erfolgen dabei im Hintergrund, ohne dass die Reisenden etwas davon erfahren.

Der Flughafen ist mehrfach für nachhaltiges Engagement im Umwelt- und Klimaschutz ausgezeichnet worden, zum Beispiel für die fortschreitende CO2 Reduzierung. Welche Maßnahmen haben Sie unternommen?

Als Flughafenbetreiber nehmen wir unsere Verantwortung beim Umwelt- und Klimaschutz ausgesprochen ernst und haben hier bereits viele Erfolge verzeichnen können. Wie übrigens die gesamte Luftverkehrsbranche, der es gelungen ist, als erste und bisher einzige Industriebranche weitreichende globale Klimaziele zu vereinbaren. So wollen wir gemeinsam den CO2-Ausstoß bis 2050 um 75 Prozent und den Anteil an Stickoxiden gar um 90 Prozent reduzieren. Die Lärmemissionen sollen im gleichen Zeitraum um 65 Prozent sinken. Als Flughafengesellschaft bauen wir gerade einen Pool an Elektrofahrzeugen auf. Wir betreiben Solaranlagen und Blockheizkraftwerke, haben die Beleuchtung im Terminal auf LED umgestellt und setzen diese Technologie auch zunehmend auf den Vorfeldflächen ein. Unser neues Zentralgebäude haben wir nach höchsten Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards errichtet. Im Übrigen verursacht der internationale Luftverkehr lediglich zwei Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen.

In letzter Zeit haben Streiks im Luftverkehr zugenommen. Wie wirkt sich ein Streik auf die Arbeiten des Flughafens aus?

Das liegt an der relativ kleinteiligen Struktur bei den Arbeitnehmervertretungen. Die Auswirkungen auf unser Tagesgeschäft sind dabei sehr unterschiedlich. Es hängt davon ab, in welchem Teil des Systems der Arbeitskampf stattfindet und wie früh oder spät die Arbeitsniederlegungen angekündigt werden. Erfolgt die Bekanntgabe seitens der Gewerkschaft mit zeitlichem Vorlauf, sind die Passagiere informiert und disponieren anders. Ist die Vorwarnzeit allerdings zu kurz, bilden sich am Flughafen lange Schlangen. Dann werden die Passagiere Gegenstand des Arbeitskampfes. So oder so sind wir aber mit solchen Situationen vertraut und haben entsprechende Pläne, die ihren Schwerpunkt in der Betreuung der betroffenen Passagiere haben.

Im Jahre 2014 ist der Flughafen Düsseldorf von 10 Millionen Kunden des Online-Reiseportals e Dreams zum beliebtesten Flughafen der Welt – vor San Franzisco – gewählt worden. Auch sonst hat der Flughafen Düsseldorf einen sehr guten Ruf. Es gibt aber auch Kritik. So wird die schlechte Beschilderung im Flughafen beanstandet, ferner der lange Weg durch Auslagen bis zum Abflug, die teuren Parkplätze und die Gebühr für den Gepäckwagen, schließlich werden die Kosten für die drahtlose Internetverbindung kritisiert. Lässt Sie diese Art von Kritik im Hinblick auf die sonstige positive Beurteilung unberührt oder gehen Sie diesen kritischen Stimmen nach?

Die Meinung, die die Menschen von uns – zu Recht oder zu Unrecht – haben, ist unser Kapital. Deswegen sind uns auch kritische Stimmen wichtig. Jeder Beschwerdeführer bekommt von uns eine entsprechend recherchierte Antwort. Daraus erhobene Defizite und Verbesserungspotentiale werden umgesetzt. Wir haben seit Jahren einen Kundenbeirat, in dem wir unter anderem solche Servicethemen erörtern. Da, wo wir Einfluss nehmen können, versuchen wir, die Dinge zu einem besseren zu wenden. Dies gilt auch für Systempartner, auf die wir nur mittelbaren Einfluss nehmen können. Unter dem Strich bin ich davon überzeugt, dass an unserem Airport viel mehr auf der Haben- als auf der Soll-Seite steht. Dies wird uns in der Tat regelmäßig bescheinigt. Die Aufenthaltsqualität ist bei uns ausgesprochen hoch, die Wege sind kurz, das Flugangebot groß und das Serviceangebot vielfältig.

Nach dem Passagierrekord 2015 wurde ein weiterer Rekord verkündet: der Gewinn des Flughafens wurde 2015 auf 53,7 Mio. Euro gesteigert. Die Stadtspitze in Düsseldorf möchte zur Verbesserung der eigenen Bilanz so viel wie möglich von den Gewinnen Ihrer Tochtergesellschaften abschöpfen. Wie bekannt, hat das zu Konflikten geführt. Der Flughafen schüttet offenbar den gesamten Gewinn aus, sicher zur Freude der Stadt, die zur Hälfte Eigentümer des Flughafens ist. Ist der Flughafen wirtschaftlich so stark, dass Sie keine Rücklagen brauchen? Wird das so bleiben?

Unser Unternehmen ist eines der effizientesten und wirtschaftlich erfolgreichsten unserer Branche in ganz Europa und agiert auf der Basis einer gesunden Bilanzstruktur. Deshalb sind wir auch in der Lage, die wirtschaftlichen Gewinne auszuschütten. Grundlage dieses Erfolges sind in erster Linie unsere Mitarbeiter, die stets die Sicherheit und Effizienz des Luftverkehrs in Kombination mit der Nutzung der wirtschaftlichen Potentiale im Fokus haben.

Die angesprochenen Punkte zeigen, welch große Aufgabe Sie zu bewältigen haben. Hierzu dürfen wir Ihnen zum Wohle unserer Stadt viel Erfolg wünschen. Wir hoffen jedenfalls, dass es im Jahre 2027 genug Gründe für ein großes Fest geben wird, wenn der Flughafen Düsseldorf sein 100-jähriges Bestehen feiert.


Kurzvita

Thomas SchnalkeThomas Schnalke wurde 1962 in Lüneburg geboren. Nach dem Abitur 2 Jahre Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nord-Ost-Niedersachsen in Lüneburg mit Abschluss Diplomkaufmann. Von 1987 bis 2001 war Schnalke im kaufmännischen Bereich bei mehreren Unternehmen beschäftigt. Im November 2001 wurde er Geschäftsführer der Flughafen Düsseldorf GmbH als – seinerzeit jüngster – Geschäftsführer eines Flughafens. Im Zeitraum Oktober 2013 bis Februar 2015 übernahm er als alleiniger Geschäftsführer die Leitung der Flughafen Düsseldorf GmbH. Ab Juli 2016 ist er Sprecher der Geschäftsführung.  Schnalke ist verheiratet und hat einen sechsjährigen Sohn


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