2. Februar 2017In 2017/1

„Die olympische Einzelmedaille fehlt mir noch“

Interview mit Timo Boll, Düsseldorfer Tischtennisprofi, und Andreas Preuß, Manager Borussia Düsseldorf


von Björn Merse

Herr Boll, Sie gelten als sehr bodenständiger Typ. Hat Ihnen diese Lebenseinstellung bei Ihrer Karriere geholfen?

Boll: Ich denke, das war sicher nicht hinderlich. Es hilft einem, auch in schwierigen sportlichen Phasen oder bei Verletzungen den Fokus zu bewahren und sich nicht verrückt machen zu lassen.

Sie sind jetzt 36 Jahre alt und betreiben Ihren Sport immer noch auf Weltklasse-Niveau – irgendwelche Zipperlein morgens beim Aufstehen?

Boll: Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass sich die über 20 Jahre Profisport nicht bemerkbar machen würden. Aber das geht sicher den meisten Sportlern so. Ich will da also nicht klagen.

Sie sind im Odenwald in einer ländlichen Region geboren. Hat die „Modestadt Düsseldorf“ Sie mit offenen Armen empfangen?

Boll: Ja, das hat sie. Ich habe mich immer sehr wohl gefühlt in Düsseldorf. Es ist eine attraktive Stadt mit einer Menge schöner Ecken.

Machen Sie sich schon Gedanken über Ihr Karriereende?

Boll: Natürlich habe ich darüber schon mal nachgedacht. Aber ein konkretes Datum habe ich noch nicht im Kopf. Noch Ende letzten Jahres habe ich bei meinem Club Borussia Düsseldorf meinen Vertrag bis 2018 verlängert. Auch eine Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020 in Tokio kann ich mir weiterhin vorstellen, sofern mein Körper bis dahin funktioniert.

In China hat Ihre Sportart noch einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland. Dort können Sie kaum über die Straße gehen ohne Autogramme geben zu müssen oder Selfies zu schießen. Sie sind regelmäßig dort – schon mal über einen Umzug nachgedacht?

Boll: Nein, ein Umzug kommt dann doch nicht in Frage, dafür bin ich zu heimatverbunden und zu sehr Familienmensch. Aber ich fühle mich in China inzwischen auch sehr heimisch und freue mich über meine Popularität dort. Als Tischtennisspieler steht man da ganz anders im Fokus als in Deutschland. Aber es hat natürlich auch viele Vorteile, dass ich in Deutschland ein im Vergleich zu China normales Leben führen kann.

Was sind aus Ihrer persönlichen Sicht die Gründe, weshalb Chinesen besser Tischtennis spielen können als Europäer oder andere Nationen – Ausbildung, breite Masse an Spielern oder Talent für die Sportart?

Boll: Es ist sicher eine Mischung aus vielen Faktoren. Tischtennis hat eine sehr lange und erfolgreiche Tradition in China und ist eine dort eine echte Volkssportart. Bei einem so großen Land gibt es dann ein entsprechend viel größeres Reservoir an Tischtennisspielern und letztlich dann auch Talenten. Aber die Chinesen haben natürlich auch ein hohes Knowhow, was diesen Sport betrifft und die entsprechenden finanziellen Mittel, um dieses wirkungsvoll einzusetzen. Und nicht zuletzt unterscheidet sich auch deren Sportsystem sehr von unserem System in Deutschland.

Sie werden Düsseldorf ja sicher eines Tages verlassen. Was werden Sie vermissen?

Boll: Vor allem werde ich wohl meinen Verein Borussia Düsseldorf vermissen. Ich bin 2007 zur Borussia gewechselt und feiere demnach in diesem Jahr bereits mein zehnjähriges Jubiläum dort. Es war für beide Seiten eine sehr erfolgreiche Zeit und es folgen hoffentlich noch weitere Titel. Ich habe hier in dieser langen Zeit viele Freundschaften schließen können.

Laufen schon Gespräche, wie Sie Ihrem Verein Borussia Düsseldorf auch über Ihr Karriereende hinaus erhalten bleiben können?

Boll: Wie gesagt, noch denke ich nicht konkret an das Karriereende, insofern haben diesbezüglich auch noch keine Gespräche stattgefunden. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dem Tischtennissport auch nach der aktiven Karriere erhalten zu bleiben – in welcher Funktion auch immer.

Sie haben sportlich fast alles erreicht. Wenn Sie es sich aussuchen könnten, was wäre für Sie noch ein sportliches Ziel?

Boll: Die olympische Einzelmedaille fehlt mir ja immer noch. Ich bin natürlich Realist und weiß, dass die Chance darauf 2020 nicht größer sein wird, als in der Vergangenheit. Aber wer weiß, vielleicht klappt es ja dann, wenn man am wenigsten damit rechnet.

Herr Preuß, Sie sind Manager des erfolgreichsten Tischtennis- Vereins der Welt. Wie viel Preuß steckt in Borussia Düsseldorf?

Preuß: Es steckt vor allem eine Menge Borussia Düsseldorf in Andreas Preuß und hoffentlich auch etwas Andreas Preuß in Borussia Düsseldorf. Ich habe, seit ich 1984 zur Borussia gewechselt bin, viel erlebt bei diesem tollen Club in vielen unterschiedlichen Positionen – als Spieler, Trainer und Manager. In dieser Zeit haben wir viele Erfolge gefeiert und uns auch als Verein stetig weiterentwickelt. Aber klar ist, dass dies nur auf der Grundlage der Arbeit meiner Vorgänger und im Team möglich war.

Was unterscheidet den Tischtennis-Sport von heute von dem aus Ihrer aktiven Zeit?

Preuß: Der Tischtennissport hat sich seit meiner eigenen aktiven Zeit enorm verändert. Der Sport ist heutzutage noch dynamischer und schneller. Es hat zahlreiche Regeländerungen gegeben – die kurzen Sätze bis 11, größere Bälle, das Frischklebeverbot usw. Gleichzeitig ist die Präsentation des Sports ist immer professioneller geworden.

Mit Timo Boll haben Sie einen der bekanntesten und besten Tischtennis-Spieler aller Zeiten unter Vertrag. Schon darüber nachgedacht, ihn über sein Karriereende hinaus an Düsseldorf und Borussia zu binden?

Preuß: Zunächst mal muss man feststellen, dass Timo Bolls Verpflichtung ein enormer Glücksfall für uns war. Er hat uns als Zugpferd zu vielen Titeln geführt und eine ganze Ära unseres Clubs geprägt, inklusive der zwei Triple-Gewinne 2010 und 2011 mit Deutscher Meisterschaft, Deutschem Pokal und Champions League-Sieg. Daher hoffe ich natürlich, dass er uns noch ein paar Jahre als aktiver Spieler erhalten bleibt. Bis 2018 läuft sein Vertrag ja zum Glück  auch noch. Was danach kommt werden wir sehen. Aber Timo Boll steht wie kaum ein anderer Spieler für Tischtennis in Deutschland. Von daher werden wir uns da schon Gedanken machen.

Sie haben die Aktion „Bunt geht’s rund“ ins Leben gerufen. Was müssen sich die Leser darunter vorstellen?

Preuß: „Bunt geht‘s rund“ steht für Vielfalt, Bewegung und Integration. Die Basis des Projekts bildet der Einsatz eines Tischtennis-Mobils mit dem weltweit ersten fahrbaren Tischtennis-Tisch. Das Integrationsprojekt richtet sich an bedürftige Menschen, die durch die Volkssportart Tischtennis und Borussia Düsseldorf nachhaltig in den Sport und in die Gesellschaft integriert werden sollen.

Düsseldorf ist dieses Jahr Ausrichterstadt der Tischtennis- Weltmeisterschaft. Auf welche besonderen Aktionen dürfen wir uns zu diesem Ereignis freuen?

Preuß: Veranstalter der Tischtennis-WM vom 29. Mai bis 5. Juni ist der Weltverband ITTF und Durchführer ist der Deutsche Tischtennis-Bund, insofern ist die Borussia nicht unmittelbar in die Organisation eingebunden.  Aber natürlich wird auch Borussia Düsseldorf den Tischtennis- Sport im Rahmen der WM präsentieren und Werbung für diese tolle Veranstaltung machen, zum Beispiel durch den Einsatz des oben erwähnten „Bunt geht‘s rund“-Mobils. Auch während der WM werden wir einen eigenen Stand im Hallenkomplex haben. Herzstück unserer Aktionen wird aber „Die längste Tischtennistheke der Welt“ sein. Am 27. Mai werden wir an 300 Biertischten mit mobilen Netzen in der Düsseldorfer Altstadt mit Besuchern Tischtennis spielen – und es hoffentlich mit einem erfolgreichen Weltrekord in das Guinness-Buch der Rekorde schaffen.


Kurzvita

Timo BollTimo Boll wurde am 8. März 1981 in Erbach geboren. Deutscher Tischtennisprofi, der seit 2007 mit Borussia Düsseldorf in der Tischtennis-Bundesliga spielt. Er ist der bisher erfolgreichste deutsche Tischtennisspieler und gehört seit mehr als zehn Jahren zur absoluten Weltklasse. Er gilt als einer der klügsten Taktiker dieses Sports und ist zudem durch sein Fairplay in allen Situationen bekannt. In China, dem Land der Weltmeister, ist er einer der populärsten Deutschen überhaupt.


Andreas PreußAndreas Preuß wurde am 30. März 1962 geboren. Deutscher Tischtennisspieler und -Trainer, Manager des Vereins Borussia Düsseldorf. Preuß spielte bis 1984 beim Verein TTC Grünweiß Bad Hamm, anschließend Borussia Düsseldorf. Mit der Herrenmannschaft wurde er 1986, 1988, 1990 und 1992 Deutscher Meister. 1999 übernahm Preuß das Traineramt des Vereins von Mario Amizic, war zuvor schon seit 1994 als Manager tätig. In seiner Amtszeit führte er den Verein zum Gewinn der Deutschen Meisterschaft 2003 und wurde zum Trainer des Jahres gekürt. Seit 2006 ist er als Manager von Borussia Düsseldorf tätig und trug maßgeblich zur Verpflichtung von Timo Boll bei.


Tischtennis-WM 2017 in Düsseldorf 

Für die acht Turniertage der Liebherr Tischtennis- WM vom 29. Mai bis 5. Juni 2017 werden mehrere Hallen der Messe Düsseldorf inklusive Auf- und Abbau für 17 Tage belegt sein. 7.000 Quadratmeter Schwingboden mit rotem Tischtennis-Spezialboden müssen verlegt und 100 Tischtennistische aufgebaut werden. Die Messehalle 6 wird mit einer steilen Tribüne für 8.000 Zuschauer in einen Centrecourt verwandelt, der gerade an den Schlusstagen zu einem echten Hexenkessel werden soll.  
Tickets unter: www.global-tickets.com

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