6. Februar 2017In 2017/1

„Das Theater an der Kö ist meine Denkfabrik, mein Thinktank“

Interview mit René Heinersdorff, Schauspieler, Regisseur, Autor und Theaterdirektor


von Dr. Susan Tuchel

Heinersdorff gehört zu den großen „H“s in Düsseldorf so wie Heinrich Heine und Heinemann, oder?

Richard Heinemann macht Süßes, wir ja zuweilen auch Süß-Saures. An der Heinrich Heine habe ich zumindest studiert und war bis gerade Vorsitzender des Heine-Kreises. Aber meine Familie ist in jedem Fall Düsseldorfer Urgestein. Mein Urgroßvater Constanz besaß einen Konzertsaal auf der Schadowstraße und einen Musikalienhandel, mein Großvater war Klavierbauer und handelte im großen Stil mit Klavieren, mein Bruder machte daraus das Steinway-Haus. Meine Eltern betrieben die Konzertagentur Heinersdorff. Ende der 1970er-Jahre kam zur Musik bei meiner Mutter Barbara das Theater hinzu. Sie übernahm zusammen mit Inge Durek die Leitung des Kölner „Theater am Dom“ und wurde als erste Frau Mitglied im Deutschen Bühnenverband.

Wie verlief Deine Kindheit? Warst Du ein Überflieger, wie Simone Rethel einmal in einem Interview mit dem DJournal verriet?

Ich halte mich selbst eher für durchschnittlich. Was ich bin: Ich bin sicher relativ schnell, ich kann unglaublich schnell Dinge erledigen und habe eine gute Kondition. Und wo andere Probleme aufbauen, setze ich lieber auf Lösungen. Das aber auch nur, weil ich es aus dem Kopf haben will.

Mit dem „Theater an der Kö“ hier, dem „Theater am Dom“ in Köln und dem „Theater im Rathaus“ in Essen bist Du aktuell der Größte am Boulevardtheater- Firmament. Die Süddeutsche Zeitung nannte Dich einmal den ‚Paten des Boulevardtheaters‘. Gefällt Dir dieser Titel?

Ja, in dem Sinne, dass ich mich als Problemlöser, als Kümmerer verstehe, alle mit allen vernetze und großzügig bin in dem Sinne, dass ich nicht für jeden Gefallen eine geldliche Gegenleistung erwarte. König des Boulevardtheaters hätte mir als Titel auch gefallen, aber den Titel trug schon mein Förderer Wolfgang Spier völlig zu Recht.

Von Januar bis Anfang März warst Du als Dozent Frank für englische Literatur in „Rita will es wissen“ mit Jeanette Biedermann zu sehen. In Stuttgart wurde die Komödie zur beliebtesten Inszenierung der Spielzeit 14/15 gewählt. Im Frühjahr stehen „Glück“, eine Komödie von Eric Assous, und „Honig im Kopf“ auf dem Spielplan im „Theater an der Kö“. Was erwartet die Zuschauer?

Bei „Glück“ ist Barbara Wussow zum ersten Mal im „Theater an der Kö“, während Peter Bongartz bereits zum dritten Mal mit von der Partie ist. Regie hat übrigens Michael Wedekind. Bei „Honig im Kopf“ habe ich die Bühnenfassung geschrieben. Der Till Schweiger- Film ist eigentlich ein Roadmovie, da musste ich mir für die Bühne ganz neue Erzählformen einfallen lassen.

Welche denn?

Die Handlung findet im Wesentlichen in der Retrospektive statt, die Witze und Pointen liegen in den Dialogen. Das Bühnenbild ist auch außergewöhnlich, weil es völlig abstrakt ist.

Du hast 13 Stücke geschrieben, stehst bei vielen selbst auf der Bühne, tourst durch ganz Deutschland. Manchmal laufen fünf Inszenierungen in fünf Städten gleichzeitig von Dir. Wann regelst Du da noch was?

Ich habe eine Bahncard 100 zweiter Klasse und bin absoluter Bundesbahnfan. Manchmal sind mir vier Stunden Zugfahrt zu kurz, denn in der Zeit kann ich schreiben, nachdenken, koordinieren und schaffe es, 130 Mails abzuarbeiten.

Boulevardtheater wird nicht subventioniert, die Ticketpreise sind mehr als moderat. Womit verdienst Du Dein Geld?

In Düsseldorf verdiene ich Nullkommanix. Ich zahle mir weder etwas als Theaterdirektor noch als Regisseur noch als Schauspieler aus. Hier ist meine Denkfabrik, mein Thinktank. Hier kann ich auch mal Dinge ausprobieren, die gewagter sind. Geld fließt erst dann, wenn ich die Inszenierungen in andere Städte oder in die Schweiz oder nach  Österreich verkaufe oder die Stücke ins Englische, Lettische, Tschechische, Italienische oder ins Türkische übersetzt werden. Dass schon drei meiner Stücke im Lettischen Nationaltheater in Riga gespielt wurden, finde ich klasse.

Du bist seit 2016 Schirmherr des Kinderschutzbundes, weil Dein Großvater diesen mitbegründet hat und dort lange Präsident war?

Nicht nur, sondern auch, weil es dazu eine kleine Geschichte gibt: Als ich zwölf war, es waren 40 Grad, ging ich mit meinem Großvater über die Kö. In einem Auto saß ein Kind, das wohl während der Einkäufe dort geparkt worden war. Mein Großvater nahm einen Stein – schon damals war Düsseldorf eine Baustelle –, schlug die Scheibe ein und wir gingen mit dem Jungen ein Eis essen. Ich dachte mir, so ein militanter Verein ist genau das Richtige für mich. Anlässlich des Todes meiner Mutter, der wir die Premiere im Januar gewidmet haben, haben wir über 5.000 Euro für den Kinderschutzbund gesammelt.

Als Ur-Düsseldorfer: Was sind Deine Lieblingsorte?

Auf jeden Fall die Rheinwiesen an der Oberkasseler Brücke. Was ich schade finde ist, dass es immer weniger ursprüngliche Kneipen wie Caruso in Bilk oder Les Halles gibt. Das waren Kneipen, geistige Biotope, die immer mehr „trocken“ gelegt werden.


Kurzvita

Rene HeinersdorffDas Licht der Welt erblickte René Heinersdorff 1963 im EVK. Nach dem Abitur 1982 am Godesberger Pädagogium studierte er Philosophie und Germanistik an der Heinrich-Heine-Universität. Es folgte eine Ausbildung zum Schauspieler und Regisseur bei dem deutschen Schauspieler Harald Leipnitz. Seine Stimme schulte er bei der Gesangspädagogin Ruth Grünhagen. Erstmals durchgehend im Fernsehen zu sehen war René Heinersdorff dann in den TV-Serien „Drei Mann im Bett“ und in „Eichbergers besondere Fälle“. Mit der RTL-Serie „Die Camper“ wurde er als Lothar Fuchs einem breiteren Publikum bekannt. 1994 eröffnete er zusammen mit seiner Mutter Barbara „Das Theater an der Kö“ und übernahm als Co-Direktor mit Oliver Durek das „Theater am Dom“ in Köln. Im August 2016 kam als drittes Boulevardtheater das „Theater im Rathaus“ in Essen hinzu. Heinersdorff ist Autor von 13 Theaterstücken, die in ganz Deutschland sowie in deutschsprachigen Ländern aufgeführt werden. Er lebt mit der Schauspielerin Tanja Schleiff und drei Kindern in Lörick, hat aber noch ein viertes Kind aus erster Ehe.


Ähnliche Beiträge