LITERATUR – neu entdeckt als guter Wegbegleiter durch das Corona-Tief
Leseprobe 4: Dr. Beck
Dr. Beck betrieb seit 15 Jahren recht erfolgreich eine Praxis für Allgemeinmedizin in Dingens. Die sogenannte Scheinzahl, also die Anzahl der Patienten, die jedes Quartal seine Praxis besuchten, lag deutlich über dem Durchschnitt, zumal er auch viele Hausbesuche machte, was ja in Dingens relativ unüblich ist.
Und dann kam die neue Grippewelle, was ja in früheren Jahren immer zu einer Steigerung der Frequenz von Hausbesuchen und auch Patienten innerhalb der Praxis führte. Das ursächliche Virus war schnell definiert und bekam im Volksmund sowie bei den Medien den Namen Corona. Und dann lief alles aus dem Ruder. Es kamen einfach keine oder kaum noch Patienten, da sie die Angst plagte, sich vielleicht in der Arztpraxis anzustecken, da ja dort vermutlich Grippepatienten anzutreffen sein. Mit anderen Worten und geschäftlich gesprochen: der Umsatz brach total ein, und die spärlichen Rücklagen waren schnell verbraucht für Miete, Personal, Versicherungen, Kredittilgung und Leasingraten.
Erfreulicherweise wusste da jedoch die Zeitschrift „Der Hausarzt“ Rat: Man möge doch bei der Hausbank einen sogenannten Coronakredit beantragen, der großzügig von der staatlichen Bank für Wiederaufbau, auch Kreditanstalt für Wiederaufbau genannt, abgesichert sei. So griff dann Dr. Beck zum Telefon und rief seine Bank, die Sparkasse von Dingens, fröhlich und gut gelaunt an. Dort wurde ihm mitgeteilt, er möge einen Kreditantrag über die Sparkasse bei der Anstalt für Wiederaufbau stellen. Die Formulare würden im Internet bereitgestellt. Gesagt getan. Es war nicht ganz einfach, da detaillierte Fragen über das private und geschäftliche Finanzgebaren zu beantworten waren. Aber mit vielen Unterschriften versehen reichte dann Dr. Beck frohen Herzens den Antrag in einer Filiale der Sparkasse ein.
Längere Zeit geschah gar nichts, bis dann der Anruf kam, und zwar als Mitteilung, nein, der Antrag sei nicht bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau zu stellen, sondern direkt bei der Sparkasse, und dafür gebe es auf der Homepage eine Reihe von Formularen, die auszufüllen sein. Nun ja, in der Praxis war ja nicht viel zu tun, und so machte sich Dr. Beck über die neuen Anträge her. Man wollte die letzte betriebswirtschaftliche Auswertung, ein gewaltiges Excel Formular mit den zu erwartenden Mindereinnahmen und vielen, vielen Zahlen aus der Vergangenheit. Personalkosten, Mieten, Leasing Raten usw. spielten dabei eine große Rolle. Daraus ergab sich dann der Kreditbetrag, der zu beantragen war. Dem folgte wiederum eine größere Pause seitens der Sparkasse bis dann dieser neue Anruf kam. Nein hieß es, er, Dr. Beck, habe ja gar kein Geschäftskonto, sondern nur ein Privatkonto, das ginge so nicht. Als Dr. Beck antwortete, dass bisher sämtliche Transaktionen wie Einnahmen und Ausgaben über dieses Konto gelaufen seien, hieß es, nein, Voraussetzung für den Coronakredit sei ein sogenanntes Geschäftskonto. Die Kosten seien natürlich wesentlich höher, aber das habe man dann eben in Kauf zu nehmen. Irgendwann kam dann die neue Kontonummer und irgendwie ging dann alles von vorne los. Aber verzagen, das kam für Dr. Beck nicht infrage. Dann, per E-Mail, jetzt fehle aber noch einiges an Unterlagen, vor allem der Antrag bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Dr. Beck hatte den ja anfangs schon gestellt, aber da gebe es jetzt ein anderes Formular. Dann fehle noch die Susa. Dr. Beck hatte diesem Begriff noch nie gehört, rief aber seinen Steuerberater an, der per E-Mail die Susa schickte, also die Susa: Zahlen ohne Ende, deren Sinn Dr. Beck nicht ergründen konnte, aber er schickte sie einfach mal an die Sparkasse von Dingens, zusammen mit dem neu konzipierten Formblatt für die Kreditanstalt. Gleichzeitig forderte man noch den Steuerbescheid von 2018. Dieser war jedoch noch nicht da, da sich die meisten Damen vom Finanzamt um ihre Kinder kümmern mussten, die nicht in die Kinderkrippe gehen konnten, da diese wegen der Grippewelle geschlossen waren.
Dem Autor ist nicht bekannt, ob dem Antrag auf staatliche Coronahilfe stattgegeben wurde, auch nicht, ob Dr. Beck weiter praktiziert oder sich, wahnsinnig geworden, vor einen Zug geworfen hat, was durchaus verständlich wäre.
Michael Kirch (Unsere Autoren) ist Schriftsteller, Musiker und Arzt. Zu dem Buch sagt er:
„Alle diese Kurzgeschichten enthalten ein Körnchen Wahrheit!“
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