23. Januar 2020In 2020/1

„Och, du malst ja!“ Da wurde auch Beuys bewusst, dass ich Maler bin

Interview mit dem Maler Fernand Roda


von Dr. Paul Breuer

Fernand Roda, geboren 1951 in Luxemburg, lebt und arbeitet in Düsseldorf. Von 1971 bis 1977 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Joseph Beuys. 1974 Ernennung zum Meis­terschüler. 1991 Ernennung zum Chevalier de l‘ordre de Mérite du Grand­Duché de Luxembourg. Es gibt sie noch. Die Künstler, die nicht vor ihrer Kunst stehen, sondern dahinter. Damit möchte ich jetzt kein Psychogramm über Künstler und deren Intentionen abliefern. Trotzdem: Gefühlt hat man gelegentlich den Eindruck, je extrovertierter sich die Kreation und ihr Schöpfer präsentieren – und dabei Spektakel und Skandale nicht aus dem Weg gehen –, desto eher scheinen Schlagzeilen und damit das Geschäft das Kalkül zu bestimmen. Bei Fernand Roda ist das anders. Er bevorzugt eher die leisen Töne. „Mich treibt die Kunst von Kindesbeinen an. Angeregt durch die Kunstbücher meines Großvaters war mir schon früh klar, dass ich Künstler werden wollte“, sagt Roda, und weiter: „Das kreative potenzial Kunst zu schaffen, ohne bestimmte Vorgaben, ist mein Antrieb bis heute. Deshalb habe ich auch nie eine Professur angenommen.“ 
Seit 40 Jahren lebt der Luxemburger in Düsseldorf. Bilder in Öl, kleinformatig (DIN A5) bis musealformatig (3 x 7 Meter), verlassen sein Derendorfer Atelier. Viele davon sind inzwischen in internationalen Kunstsammlungen vertreten. Sogar als Briefmarkenmotiv taucht eines seiner Gemälde auf – die „Euro­Briefmarke“, 1993 herausgegeben vom Großher­zogtum Luxemburg. 
Bereits sechs Jahre zuvor war Fernand Roda mit acht weiteren Künstlern an der Gestaltung der Düsseldorfer U-Bahn­-Station Heinrich-Heine-Allee beteiligt. Das 4 x 3,6 Meter große Werk trägt den Titel „Entgleisung III“.
Roda ist ein klassischer Ateliermaler. Sein Atelier ist in einer großen Altbauwohnung integriert, in der er mit Frau und Kind lebt. Wenn er malt, bleibt die Tür zu seinem Arbeitsplatz geschlossen. Und so mag er es auch nicht, wenn jemand ohne anzuklopfen eintritt. „Wenn ich in meinem Atelier arbeite, bin ich so konzentriert, befinde mich fast in einem transzendenten Zustand, sodass ich einige Zeit brauche, gedanklich wieder auszusteigen“ – ein fabelhaftes Stichwort für die erste Frage:

Fällt es dir dann schwer in den Malprozess wieder reinzukommen?

Ja, manchmal. Aber wenn ich arbeite, bin ich wahnsinnig schnell. Das geht einmal links, rechts – und fertig. Malen habe ich gelernt. Das ist Handwerk, und das kann ich aus dem Effeff. Ich bin doch ein Handwerker, auch wenn dieser Begriff für manchen anstößig klingen mag. Natür­lich brauche ich eine gewisse Anlaufzeit. Habe ich aber eine Idee, mache ich eine schnelle Skizze. Dann gehe ich im Kopf den Vorgang akribisch durch und beginne zu malen. 

Wie kommst du zu den Themen? 

Ich beschäftige mich viel mit der Natur und Landschaf­ten. 

Du setzt in deinen Bildern natürliche und geometrische Elemente an der Grenze zur Abstraktion nebeneinander, ist das richtig?

Ja, das stimmt. In den Landschaften steckt alles darin – von der reinen abstrakten Form bis hin zum üppigs­ten Kitsch. Man muss es nur sehen. Ich versuche dabei bestimmte Momente herauszunehmen und sie in einen neuen Kontext, eine neue Sichtweise zu stellen. Ein Ku­rator hat es mal so formuliert: „Rodas Bilder erfahren eine Lesbarkeit auf zwei miteinander verknüpften Ebenen, die erste ist der „semantische“ Aspekt der Natur­darstellung und der zweite der „syntaktische“ Blickwin­kel des Arbeitsprozesses“. Man kann es auch so sagen: Der zweite Blick zählt, so wie im wahren Leben. Mir geht es um die konzentrierte Malerei. Nicht malen, was man wahrnimmt, sondern wie man wahrnimmt. Das be­deutet: Sich nicht im Detail zu verlieren, sondern die Gegenständlichkeit der Natur in Erscheinungsformen aufzulösen. 

Andere Themenkreise sind Tiere und Pflanzen. Vor einigen Jahren war es auch ein Maschinenzyklus.

Solche Themen kommen bei mir sehr spontan auf. Bei der Phantasie eines kleinen Kindes, das von den mo­dernen Spielzeugen noch nicht verdorben ist, drehen sich die Gedanken um Drachen oder andere Fabelwe­sen. Denke an „Grimm‘s Märchen“ oder „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende. Tiere regen nicht nur die Phantasie von Kindern an, die Phantasie kennt keine Grenzen. 

Künstler behaupten oft, dass sich Bilder während der Malerei entwickeln.

Das ist bei mir anders. Die Arbeit findet bei mir im Kopf statt. Und dann wird sie umgesetzt. Ich möchte ein Bild so schnell wie möglich fertigstellen, um Zeit auch für an­dere Dinge zu haben. 

Du bist Luxemburger, lebst und arbeitest seit über 40 Jahren in Düsseldorf. Wie kam es, dass du in Düsseldorf gelandet bist?

Ich hatte mich ursprünglich in Mailand und in Paris be­worben. Nach den Zusagen von beiden Städten kam auch die Zusage von Düsseldorf, wofür ich mich dann auch entschieden habe. 

Und wo ist deine Heimat? 

Als Luxemburger war und ist man Europäer. Über tau­sende von Jahren wurde dieses Land von vielen Völkern besiedelt. Auch wenn es pathetisch klingt: Meine Heimat aber ist die Kunst! 

Bei Joseph Beuys bist du doch zuerst in die Bildhauer-Klasse gekommen. Der aber mochte doch keine Maler. 

Der mochte auch keine Fotografen. Er akzeptierte nur wenige Maler. 

Und wie kam es, dass der Beuys-Schüler bei Beuys plötzlich Maler wurde?

Ich hatte immer heimlich gemalt. Er sollte ja auch nichts mitbekommen. Beuys hörte dann gezwungenermaßen auf zu lehren, aufgrund politisch nicht gewollter Aktio­nen innerhalb der Kunstakademie. Der Politik zum Trotz blieb er aber auch weiterhin der Kunstakademie verbun­den. Da habe ich mich mit einem Riesenbild zum Meis­terschüler beworben. Ich zeigte Beuys das Bild und seine Reaktion war: „Och, du malst ja!“. Da wurde auch Beuys bewusst, dass ich Maler bin. Bis dahin hatte ich in der Akademie „gebildhauert“, ganz klassisch. Danach nur noch gemalt. 

Was hast du als Meisterschüler von Beuys gelernt? 

Gute Professoren erlauben ihren Schülern nicht, so zu malen wie sie selbst, sondern sie schaffen den Raum, ihre eigenen Qualitäten optimal zu entwickeln. Beuys erkannte sofort das Potenzial seiner Schüler. Er sagte immer: „Ihr müsst erst ein bisschen Handwerk lernen. Dann müsst ihr auf eigenen Beinen stehen. Ihr müsst auch anderes können. Aus euch selbst etwas herausfinden.“ Er war nicht der Lehrer, der sich von seinen Schü­lern imitieren ließ. 

Die Liste der Düsseldorfer Akademiestudenten der 70er-Jahre liest sich wie ein „Who is Who?“ der deutschen zeitgenössischen Kunst. Im Rückblick ist es erstaunlich, dass ein klassischer Maler wie du bei ihm in die Lehre gegangen ist. 

Bei Beuys ging es weniger um die gewählten künstleri­schen Techniken, sondern um die Haltung. Wichtig war ihm nicht so sehr die Individualität, sondern die Ehrlich­keit der Auffassung, die Authentizität. Beuys hat für das Nachkriegsdeutschland die Internationalität der Kunst wieder nach Deutschland gebracht – durch seine Arbeiten, sein Auftreten aber auch durch seine Philosophie, die er mit der Kunst verband. 

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