23. Oktober 2021In 2021/2

„Ohne die Unterstützung von Sponsoren und der Stadt Düsseldorf wäre ich sportlich niemals so weit gekommen“

Interview mit Selin Oruz, Hockey-Nationalspielerin

von Björn Merse


Du hast das Hockeyspielen in Krefeld erlernt. Fühlst Du Dich mittlerweile als echte Düsseldorferin?

Dadurch, dass ich in Krefeld aufgewachsen bin und meine Eltern immer noch dort leben, würde ich mich eher als Wahldüsseldorferin beschreiben. Ich wohne nun ziemlich genau fünf Jahre in Unterbilk und fühle mich unglaublich wohl. 

Dieses Jahr war sportlich eine Achterbahnfahrt für Dich – Deutsche Meisterschaft, EM-Zweite und dann das Viertelfinalaus bei Olympia gegen Argentinien. Wie motiviert man sich immer wieder neu? 

Das ist eine sehr gute Frage. Wenn ich so nachdenke, weiß ich das gar nicht so genau. Dieses Jahr war ziemlich viel los, und man ist förmlich von einem großen Ereignis ins nächste gerutscht. Da hatte ich gar keine Zeit, um nicht motiviert zu sein. aber nach dem sehr enttäuschenden Viertelfinalaus in Tokio war es schon schwieriger, wieder an Hockey zu denken. allerdings gelang mir das dann doch sehr viel leichter als gedacht, da ich das große Glück habe, im DHC mit meinen 1. Damen ein junges, tolles Team zu haben, wo der Spaß und die Leidenschaft am Hockeyspielen direkt wieder überschwappte. Neben der Leidenschaft für den Sport ist bei mir – denke ich – auch eine gewisse ehrgeizige „immerweiter-Mentalität“ ein großer Motivator. 

Du bist mit 24 Jahren noch sehr jung, hast aber schon 120 A-Länderspiele absolviert. Ist Olympia in Los Angeles 2028 für Dich noch in Sichtweite? 

L.A. als Olympiaaustragungsort klingt natürlich mehr als verlockend, aber ich denke jetzt erst einmal Richtung Paris 2024. Um ehrlich zu sein, ist es als Amateursportler was wir Hockeyspieler:innen nun mal sind auch etwas anderes, mit über 30 Jahren noch vollaktiv Leistungssport zu betreiben, als es zum Beispiel im Fußball der Fall ist. Wir studieren oder arbeiten eigentlich alle „nebenbei“, und ich persönlich könnte mir gut vorstellen, dass ich mich 2028 inzwischen meinem eigentlichen Beruf widmen werde. Aber: Sag niemals nie! 

Neben deiner Hockeykarriere studierst du Medizin. Wie bekommt man das alles unter einen Hut?

Manchmal gar nicht, deshalb musste ich immer flexibel bleiben und habe zum Beispiel schon früh meine Doktorarbeit geschrieben. Aber möglich ist es definitiv, wenn man von Anfang an strukturiert und bemüht vorgeht. Mit Sicherheit habe ich mir da nicht den Leistungssport-freundlichsten Studiengang ausgesucht, aber wenn man etwas wirklich will, dann findet man meiner Meinung nach auch meistens einen Weg, auch wenn man dann zwangsläufig das ein oder andere Semester länger braucht. 

Wie wichtig ist die Unterstützung der Sportstadt Düsseldorf für dich als Leistungssportlerin?

Sehr wichtig. ich bin sogar der Meinung, dass ich ohne die Unterstützung von Sponsoren und der Stadt Düsseldorf sportlich niemals so weit gekommen wäre. Insbesondere im Amateursport ist der finanzielle und tatkräftige Support der Schlüssel zum Erfolg und ich bin sehr dankbar über die jahrelange Zusammenarbeit mit der Sportstadt Düsseldorf über das inzwischen genannte „Team 2021 Düsseldorf“. Zudem finde ich es natürlich super, dass sich die Stadt Düsseldorf als Sportstadt sieht und die Leistungen der Düsseldorfer Sportler und Sportlerinnen anerkennt. 

Dein Bruder Timur (Rot-Weiß Köln) spielt wie Du für die deutsche Hockey-Nationalmannschaft. Gibt es einen Konkurrenzkampf unter Euch? 

Nein, es ist vielmehr so, dass wir uns gegenseitig unterstützen und uns für den anderen freuen. Meines Erachtens ist es einfach etwas ganz Besonderes, diese große Leidenschaft mit seinem Bruder teilen zu dürfen. Allein die Tatsache, dass wir nun schon an zwei Olympischen Spielen zusammen teilgenommen haben ist etwas, was uns immer verbinden wird. 

Du bist gerade auf Vereinsebene sicher ein Vorbild für viele junge Mädchen. Welchen Rat kannst du dem Nachwuchs geben, der dir nacheifern möchte? 

Neben den typischen Floskeln wie „immer weiter fleißig trainieren“ und „dranbleiben“ finde ich es total wichtig, dass man den Spaß nicht verliert. Insbesondere, wenn es Richtung Auswahlmannschaften geht und der Konkurrenzdruck steigt, hilft es manchmal, alles mit etwas abstand, Ruhe und Gelassenheit zu betrachten. Wenn der Spaß und die Leidenschaft trotz Leistungsdruck erhalten bleiben, führt dies garantiert zum Erfolg. 

In Rio de Janeiro hast Du die Bronzemedaille gewonnen. Wo bewahrst Du Deine Medaille auf?

Auch wenn sie durch die verpasste Chance jetzt in Tokio noch mehr Bedeutung erlangt hat, besitzt die Medaille keinen besonderen, gesonderten Ort, wo ich sie aufbewahre.

Drei Dinge, die Dir an Düsseldorf besonders gut gefallen.

Die Lage am Rhein inklusive Medienhafen, die kurzen Wege (verglichen mit Städten wie Berlin oder Hamburg), das Lorettoviertel. 

Wenn Du keine Hockeyspielerin wärst, dann wärst du …?

Puh, seitdem ich vier Jahre alt bin, spiele ich Hockey und kann mir schlichtweg nicht vorstellen, was ich sonst gerne gemacht hätte. Ich habe danach auch mit Tennis angefangen und lange Geige gespielt. Aber keine andere „Beschäftigung“ hat mich mehr gepackt, als das Hockeyspielen im Team. Bezogen auf meine anderen Interessen wäre ich am ehesten vielleicht Yogalehrerin. 


Kurzvita

Selin Oruz, , „Ohne die Unterstützung von Sponsoren und der Stadt Düsseldorf wäre ich sportlich niemals so weit gekommen“Selin Oruz wurde 1997 in Krefeld geboren. Sie ist seit Jahren eine der erfolgreichsten deutschen Hockeyspielerinnen, Kapitänin der Damen-Bundesligamannschaft des Düsseldorfer Hockey Club (DHC), mehrfache Deutsche Meisterin. Sie spielt in der Hockey-Nationalmannschaft und gewann mit ihrem Team die Bronzemedaille 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Die Wahldüsseldorferin studiert Medizin. 

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