14. Februar 2022In 2022/1

„Mit der rheinischen Mentalität komme ich bestens klar“

Interview mit Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Düsseldorf 

von Dr. Susan Tuchel


Sie sind gebürtiger Franzose und seit Januar letzten Jahres Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Düsseldorf. In Deutschland leben Sie jedoch schon seit über 20 Jahren. Karriere wollten Sie ursprünglich woanders machen. Was hat Ihre Entscheidung beeinflusst, als Nachkomme der Gallier ins Land der Kimbern und Teutonen zu gehen?

Es stimmt, dass für mich schon sehr früh feststand, dass ich Karriere im Ausland machen möchte. Ich hatte an England gedacht, wo ich studiert habe. Auch die Vereinigten Staaten hätte ich mir mit meiner Studienausrichtung gut vorstellen können. Aber wie so oft im Leben hat der Zufall Schicksal gespielt. In Paris traf ich einen Manager, der mit 27 Jahren ein Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern leitete. Wir kamen ins Gespräch und er fragte mich, warum ich nicht nach Deutschland käme. Dieser Manager wurde dann erst mein Chef und später mein Freund. 

Ich habe natürlich nicht ohne Hintergedanken auf Gallien angespielt. Angoulême war bereits in vorrömischer Zeit ein Oppidum, also eine Stadt der Gallier. Wie stehen Sie zu den unbeugsamen Galliern Asterix und Obelix? 

Ich habe alle Asterix-Hefte gelesen. Das bleibt nicht aus, da seit 1974 jeden Januar das internationale Comicfestival in meiner Heimatstadt stattfindet. Da treffen Profis aus aller Welt auf 200.000 begeisterte Comicfans. 

Braunschweig haben Sie nach 15 Jahren für Ihren neuen Job verlassen. Was war attraktiv für Sie an dem Vorstandsvorsitz bei den Stadtwerken? Welches Bild hatten Sie von Düsseldorf?

Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, mit Mitte 40 so etwas wie einen zweiten beruflichen Lebensabschnitt anzufangen. Und dann kam das Angebot aus Düsseldorf. Eine schöne Stadt inmitten einer wachsenden Metropolregion, das hat mich von Beginn an sehr gereizt. Ich bin zum Bewerbungsgespräch extra einen Tag früher nach Düsseldorf gefahren, habe mir die Stadtwerke angesehen und die Stadt. Ich habe gemerkt, dass sich hier viel bewegt und man viel vorhat bei Themen, die mich persönlich bewegen, wie etwa der Klimaschutz und die Ressourcen-Schonung. Ein Teil dieser Entwicklung sein zu können, fand ich spannend. Mir haben auch die grünen Viertel auf Anhieb sehr gut gefallen und natürlich der Rhein. Ich bin an der Promenade spazieren gegangen und konnte mir sehr gut vorstellen, hier zu leben. Natürlich war es wichtig, dass meine Familie sich das auch vorstellen konnte. Wir sind dann alle zusammen auf Entdeckungstour gegangen, bevor ich zugesagt habe. 

Haben Sie Lieblingsplätze in Düsseldorf?

Als Franzose ist für mich der Carlsplatz ein absolutes Highlight. Einen solchen Markt habe ich in Niedersachsen schon vermisst. In meiner Freizeit gehen wir gerne auch in den Grafenberger Wald. 

Sind Sie sportlich? 

Ich war in Braunschweig in der Fußball-Betriebsmannschaft und habe immer schon Tennis gespielt. Mit dem Fußball habe ich jetzt aufgehört, Tennis spiele ich aber weiterhin regelmäßig. 

Sie haben hier gleich Nägel mit Köpfen gemacht. Sie sind Vizepräsident der IHK-Vollversammlung und Mitglied bei Fortuna Düsseldorf 1895 e.V. Wie kommen Sie mit der rheinischen Mentalität klar? 

Mit der rheinischen Mentalität komme ich bestens klar! Wir Franzosen sind sogar noch lockerer. Aber ich finde es ganz angenehm, dass die Verbindlichkeit bei der Arbeit hier oft größer ist (lacht). Wenn man in einer Stadt ankommen möchte, ist es wichtig, sich in die Stadtgesellschaft zu integrieren. Die IHK ist in Düsseldorf sehr stark und eine der zentralen Anlaufstellen, wenn man etwas mitgestalten und bewegen möchte. Dass ich gleich ins Präsidium gewählt worden bin, ist für mich ein großes Geschenk. Mitgliedschaften, Vereine und Netzwerke sehe ich als Möglichkeit, der Gesellschaft etwas zurückzugeben und mich zu engagieren – insbesondere in den Bereichen Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Das sind die Themen, die mich besonders umtreiben. 

Sie haben Ihren Posten mitten in der Corona-Pandemie angetreten, kein ganz leichter Start für Sie und die über 2.300 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Energieversorgers. 

Die Stadtwerkerinnen und Stadtwerker sind eine große Familie. Ich habe darunter gelitten am Anfang, dass so gut wie keine persönlichen Treffen möglich waren. Ich möchte immer mit den Menschen sprechen, sie persönlich treffen, weil ich dann viel besser verstehen kann, wie sie sind und reagieren. Ich habe natürlich versucht, auch in digitalen Events und in Workshops eine persönliche Beziehung zu den Mitarbeitenden aufzubauen. Die Pandemie hat mein Führungsverhalten jedoch zwangsläufig beeinflusst. Digital führt man anders, sachlicher. Wenn aber zwischendurch doch persönliche Treffen auch in größeren Gruppen möglich waren, habe ich sofort gespürt, wie anders das ist, wie es mir fehlt. Ich war mein Leben lang in großen Projekten aktiv, das hat mich geprägt. Ich bin also gewohnt, schnell mit neuen Situationen zurechtzukommen. Das hat mir auch durch die Pandemie geholfen. 

Wie sieht die Mitarbeiterbindung bei den Stadtwerken aus? Wie lange bleiben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Schnitt bei Ihnen? Und sind die Stadtwerke vom Fachkräftemangel betroffen? 

Im Schnitt bleiben die Mitarbeitenden 21,4 Jahre bei uns. Darauf können wir sehr stolz sein, wenn man bedenkt, dass bundesweit nur 44 Prozent der Beschäftigten mehr als zehn Jahre bei ihrem Arbeitgeber bleiben. Wir sind sehr darauf bedacht, das Know-how im Unternehmen zu halten. Schließlich spüren wir auch den demografischen Wandel. Im Schnitt sind unsere Mitarbeiter 48,2 Jahre alt. Beim Thema Fachkräfte sind wir schon unter Druck und wir wissen, wir schaffen das nur, wenn wir moderne, agile Arbeitsstrukturen anbieten und ein attraktiver Arbeitgeber sind. 

Sie sind als Vorstandsvorsitzender angetreten, um die Entwicklung der Stadtwerke Düsseldorf zu einem nachhaltigen Dienstleister weiter voranzutreiben und die Entwicklung Düsseldorfs mitzugestalten. Was planen Sie? 

Die Stadtwerke Düsseldorf sind heute schon der Infrastrukturpartner der Landeshauptstadt Düsseldorf beim Erreichen der Klimaschutzziele wie für den Erhalt und Ausbau der Lebensqualität in einer wachsenden Stadt und an einem bedeutenden Wirtschaftsstandort. Diese Position wollen wir weiter mit guter und zukunftsgerichteter Arbeit ausbauen. So wollen wir unter anderem auch das Thema Kreislaufwirtschaft voranbringen. 

Das hat auch ganz konkrete Auswirkungen auf unseren heutigen Entsorgungsstandort Flingern. Aus unserer Sicht gehört eine moderne Müllverbrennungsanlage ebenso zu einem zukunftsfähigen Standort, wie eine Abfallsortieranlage oder ein Hub für neue wie entstehende Unternehmen und Initiativen für Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung. Wenn wir in Flingern eine neue, praktisch nur noch halb so große Müllverbrennungsanlage planen, schauen wir uns nicht nur an, was Düsseldorf auf mittlere und lange Sicht im Bereich der Entsorgung braucht, sondern auch, was dadurch für die Weiterentwicklung unseres Standortes möglich wird – auch dadurch, dass wir Teile unseres Betriebsgeländes für neue Nutzungen freimachen können. Die Umsetzung stelle ich mir als ein Vorzeige- und Pilotprojekt vor, das wir gemeinsam mit den Menschen im Stadtteil und der Stadtverwaltung entwickeln. 

Verschiffen wir unseren Müll nicht? 

Nein, von Düsseldorf geht kein Müll nach Übersee. Düsseldorf ist bei der Restmüllentsorgung autark und übernimmt Verantwortung für die Mengen, die in unserer Stadt anfallen. Gerade durch unsere zentrale Lage zeichnet sich die Müllverbrennungsanlage durch besonders kurze Wege aus, und sie ist intelligent in unser Energiesystem eingebettet. Die Siedlungsabfälle, die nicht dem Recycling zugeführt werden können, verwerten wir thermisch. Das bedeutet, dass wir aus dem Dampf der Müllverbrennungsanlage Fernwärme und Strom erzeugen. Außerdem wird das Altholz aussortiert, um es in unserem klimafreundlichen Biomasse-Heizkraftwerk in Garath für die Erzeugung von Strom und Wärme zu nutzen. 

Der Energiemarkt ist derzeit immer wieder in den Schlagzeilen. Energiediscounter kündigen ihren Kunden oder gehen in die Insolvenz. Die Kunden finden sich dann in der Grundversorgung bei den Stadtwerken wieder. Sind die Stadtwerke die Gewinner der Energiekrise?

In einer solchen Krise gibt es keine Gewinner. Wenn wir das Positive sehen wollen, dann das unmissverständliche Signal, dass unsere Kundinnen und Kunden sich immer auf uns verlassen können. 

Die Stadtwerke Düsseldorf haben in unserer Stadt einen hohen Marktanteil. Jetzt sind noch einige tausend Kundinnen und Kunden dazugekommen. Unsere Grundversorgung ist auch in der aktuell angespannten Situation eine der günstigsten in Deutschland. Die Discounter sind reine Stromhändler, wir betreiben außerdem funktionierende Netze und erzeugen selbst Strom und Wärme. So sorgen wir dafür, dass bei niemandem das Licht ausgeht. Viele Kundinnen und Kunden schätzen das, und wir sind froh, dass wir sie haben. Für sie arbeiten unsere Expertinnen und Experten in der Energiebeschaffung wirtschaftlich solide daran, dass wir sie verlässlich und zu angemessenen Preisen versorgen können. Das gilt für turbulente genauso wie für normale Marktsituationen. 

Wie schätzen Sie die Entwicklung der Energiewende ein? Wo geht die Reise hin?

Wir haben mit Block Fortuna bereits eines der klimaschonendsten Gaskraftwerke der Welt. Darauf ruhen wir uns aber nicht aus und wollen bis 2035 mit unserem Erzeugungspark klimaneutral sein. Die Stadtwerke Düsseldorf nehmen das Klimaziel der Landeshauptstadt Düsseldorf wie das 1,5-Grad-Ziel von Paris an. Natürlich wird es ein Kraftakt sein. Heute wird viel über Wasserstoff gesprochen, und ich bin auch überzeugt davon, dass er ein wichtiger Teil der Lösung sein wird, wenn wir in weniger als 15 Jahren unser Energiesystem komplett umbauen wollen. 

Aber Wasserstoff muss immer auch erzeugt werden. Und dafür brauchen wir einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung. Überall dort, wo Grünstrom direkt eingesetzt werden kann, sollte das auch passieren. In der Industrie, aber natürlich auch im Strom- und Wärmesektor und in der Mobilität. Gerade in urbanen Räumen ist Energiewende vor allem auch Wärmewende. Deswegen arbeiten wir intensiv daran, weitere klimafreundliche Wärmequellen wie industrielle Abwärme, Geothermie und Solarthermie einzubinden. 

Sie haben ein Projekt mit der Internationalen Schule in Kaiserswerth gestartet. Was bringt das fürs Klima? 

Eine ganze Menge. Die Photovoltaik-Anlage unserer Tochter Grünwerke wird 94 Tonnen CO2 jährlich einsparen. Aber was ich noch wichtiger finde, ist, dass die Schülerinnen und Schüler das Projekt begleiten und mitbekommen, wie man Klimaschutz und Nachhaltigkeit in die Tat umsetzen kann. 

Die Stadtwerke treten immer wieder als Sponsoren in Düsseldorf auf. Welche Projekte unterstützen Sie? 

Wir sind in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens aktiv, ob Brauchtum, Kunst, Soziales und beim Sport – was oft am meisten auffällt. So sind wir zum Beispiel Förderer des Stadtsportbundes (SSB) und Sponsor von DEG und Fortuna. Aktuell unterstützten wir die Ausstellung „Electro. Von Kraftwerk bis Techno“ im Kunstpalast. Genauso wichtig sind uns aber auch die vielen wichtigen Projekte wie der Gute-Nacht-Bus, Fiftyfifty und die Werkstatt für angepasste Arbeit. Und jedes Jahr verzichten wir auf Kundengeschenke zu Weihnachten und unterstützen gemeinnützige Vereine. Wir sehen unsere Aufgabe nicht nur darin, mit guten Produkten den Menschen und Unternehmen in unserer Stadt ein guter Partner zu sein, sondern wir verstehen uns als integraler Bestandteil des Lebens und der Entwicklung in unserer Stadt. Und so könnte man Herzenswärme eigentlich auch zu den Erneuerbaren Energien zählen. 


Kurzvita 

Julien Mounier, , „Mit der rheinischen Mentalität komme ich bestens klar“Julien Mounier (Jahrgang 1977) stammt aus Angoulême in West-Frankreich. Er studierte Chemieingenieurwesen an der University of East Anglia in der Grafschaft Norfolk im Osten Englands. Seinen Master in Umweltmanagement und Wasserqualität erwarb er an der Université de Limoges. Seine berufliche Laufbahn startete er als Technischer Leiter der MIDEWA, der Wasserversorgungsgesellschaft in Mitteldeutschland. Mit 28 Jahren wurde er Bereichsleiter und Prokurist der BS Energy in Braunschweig. Sieben Jahre später saß er bereits im Vorstand des Unternehmens. 2017 dort zum Vorstandsvorsitzenden ernannt, wechselte er im letzten Jahr in den Vorstand der Stadtwerke Düsseldorf AG. Mounier lebt mit seiner Familie in Neuss.


© Titelfoto: DJournal / © Portraitfoto: Stadtwerke Düsseldorf

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