16. November 2022In 2022/3

„Ich möchte mich nicht zu sehr mit anderen vergleichen, sondern konzentriere mich darauf, meinen eigenen Weg zu gehen“ 

Interview mit Markus Römer, Nachwuchsschauspieler

von Christian Theisen


Markus, du hast schon mit 11 Jahren in einer TV-Serie mitgespielt. Wie ist es dazu gekommen? Stand für dich schon immer fest, Schauspieler zu werden? 

Seit meinen frühen Kindheitsjahren hat mich das Eintauchen in verschiedene Rollen fasziniert. Da ich ohne Geschwister aufgewachsen bin, hatte ich abends oft keine Spielkameraden und habe stundenlang vor dem Spiegel die Rollen, welche ich zuvor im Fernsehen geschaut hatte, nachgespielt. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich keinen Film mehr schauen konnte, ohne mir zu denken: „Das kann ich auch!“ Eines Abends habe ich dann die Initiative ergriffen und mich im Internet nach Schauspielagenturen für Kinder umgesehen. Glücklicherweise konnte ich meinen Vater noch am selben Abend davon überzeugen, eine Agentur anzurufen, welche mir die Möglichkeit bot, ein kleines Vorstellungsvideo einzuschicken, in welchem ich zwei kleine Szenen spielen durfte. Ich erinnere mich daran, wie mein Vater und ich noch extra einen neuen Camcorder gekauft haben, und ich voller Begeisterung die Szenen in meinem Kinderzimmer aufgenommen habe. Dem damaligen Agenten gefiel anscheinend, was er sah, und er gab mir eine Chance. Knapp zwei Wochen später war ich in Köln zu meinem ersten Casting für die Serie „Alarm für Cobra 11“ eingeladen, welches ich erfolgreich bestritt und mir somit meine erste Rolle in einer Serie sicherte. 

Du bist ja Autodidakt. Eine Schauspielschule hast du nicht besucht. Wie hast du das Handwerk erlernt? 

Ich erinnere mich daran, schon früh den Drang verspürt zu haben, anderen Leuten etwas vorzuführen. Mir machte es damals, sowie heute, eine unglaubliche Freude. In meiner Kindheit konnte ich die Nachbarskinder an den Wochenenden davon überzeugen, tagsüber ein Theaterstück welches wir uns selber ausdachten einzuüben, um es dann abends unseren Eltern vorzuführen. Meistens habe ich dabei dann auch die Regie übernommen. Oft gesellten sich zu den Eltern auch noch Geschwister und Großeltern, und so führten wir unsere Theaterstücke damals vor einer beträchtlichen Anzahl an Leuten vor. Mir gefiel, dass ich dem Publikum durch meine Rollen manchmal sogar Tränen vor Lachen ins Gesicht zaubern konnte, und das gab mir die nötige Bestätigung, den Traum der Schauspielerei konkret anzugehen. 

Durch den frühen Einstieg in die Branche hatte ich schließlich die Möglichkeit, an der Seite von weitaus erfahreneren Schauspielern stehen zu dürfen. Von diesen habe ich mir natürlich einiges abgeguckt und konnte zwischen den einzelnen Szenen auch über Verbesserungsmöglichkeiten reden. Ich bin wahrscheinlich einfach reingewachsen. 

Wie läuft die Suche nach Projekten? Gerade die Corona-Zeit war ja bitter für Schauspieler.

In den meisten Fällen läuft die Suche nach Projekten über eine jeweilige Agentur. Diese steht vornehmlich in engem Kontakt mit den Castern (Besetzern), welche für die Produktionen nach geeigneten Schauspielern suchen. Hat die Agentur einen ihrer Darsteller erfolgreich an eine Produktion vermittelt, erhält sie meistens eine Provision von der Gage, welche dem Schauspieler gezahlt wird. Gerade die Corona-Zeit war natürlich eine große Herausforderung für viele Branchen. Die Schauspielerei ist davon nicht verschont geblieben. Dennoch gab es während der verschärften Maßnahmen immer noch die Möglichkeit zu drehen, wofür ich sehr dankbar bin. Dies geschah selbstverständlich unter strengen Auflagen, regelmäßigem Testen der gesamten Besatzung und engem Kontakt mit den Behörden und dem Ordnungsamt. Das Ganze lief in meinem Fall auch stets reibungslos und ohne irgendwelche unerwünschten Zwischenfälle ab. 

Welche Auswirkungen hat der Serien-Boom der Streaming-Portale in den letzten Jahren gehabt? Welches Format gefällt dir am besten? Kinofilm? TV? Serie? Kurzfilme? 

Meiner Beobachtung nach hat sich in den letzten Jahren ein klarer Trend dahingehend entwickelt, dass viele Schauspieler gerne Teil einer Netflix-, oder Amazonproduktion wären, was für mich vollkommen verständlich ist. Mit diesen Namen verbindet man meist sehr hochwertig fabrizierte Projekte, die nicht selten über mehrere Jahre hinweg gedreht werden, was für die Darsteller nicht nur ein regelmäßiges Einkommen, sondern auch einen sicheren Arbeitsplatz darstellt. 

Wenn ich mich persönlich für eines der oben genannten Formate entscheiden müsste, dann wäre es definitiv die Serie. Diese bietet die meisten Möglichkeiten, einer Rolle Leben einzuhauchen. Wohingegen man in einem Film mit einem Charakter vorwiegend eine lineare Handlung bis hin zum Höhepunkt verfolgt. Serien bieten meist über mehrere Staffeln hinweg die Möglichkeit, mit einer Rolle verschiedene Höhen und Tiefen zu durchleben und den Zuschauer auf eine Reise einzuladen, welche sich nicht selten sogar über mehrere Staffeln erstreckt. 

Du bist Jahrgang 1998 also an der Grenze zwischen Generation Y und Z. Der ifs-Abschlussfilm „The kids turned out fine“, in dem du Sven spielst, handelt genau davon: Junge Erwachsene auf der Suche nach Selbstverwirklichung, allerdings nicht mehr so zielgerichtet wie die Generation Y und noch nicht so werteorientiert wie die Generation Z. Es herrscht eine Stimmung der Desorientierung. Immer wieder taucht ein Mann auf, der Ratschläge gibt, wie man sein Leben besser in den Griff bekommt. Wo verortest du dich selbst? 

Sehr interessante Frage. Ich persönlich denke, dass jeder Schauspieler auch ein guter Beobachter im zwischenmenschlichen Leben sowie auf gesellschaftlicher Ebene sein muss, um jede Rolle, die ihm angeboten wird, auch mit eigenen Ideen und Inspirationen füllen zu können. Beim Betrachten meiner Freunde und mir selbst stelle ich fest, dass wir zeitlich an einer spannenden Schnittstelle geboren wurden. Die meisten aus meinem Jahrgang erinnern sich noch, wie es als Kind war, den Sommer über ohne Handys und Social Media draußen zu spielen, ohne das Verlangen, etwas auf Snapchat zu verschicken oder eine Instagram-Story zu posten, um das Erlebte mit der Außenwelt zu teilen. Trotzdem waren wir jung genug, um den Eintritt von sozialen Medien in unser aller Leben hautnah zu spüren. Diese haben uns auf dem Weg zum Erwachsenwerden maßgeblich begleitet und auch geformt. 

Durch diese technische Innovation war es uns plötzlich möglich, das Leben der Idole, welche wir nur ab und an im Fernsehen oder auf der Kinoleinwand zu sehen bekamen, plötzlich in ihrem privaten Alltag zu begleiten. So aufregend, wie dies zuerst schien, so schwer war es dann, sich nicht permanent mit diesem Lifestyle zu vergleichen. Nicht jeder hat die Möglichkeit, so ein Leben zu führen, wie es die sogenannten „Stars“ tun und im Internet zur Schau stellen. Folglich träumen viele davon, auch eines Tages diesen Ruhm zu genießen und mit Anerkennung überschüttet zu werden verlieren dabei jedoch die Motivation, die einzelnen Schritte, welche man meist allein und ungesehen machen muss, der Reihe nach zu tun. 

Ich für meinen Teil versuche, nicht zu weit in die Zukunft zu schauen und den Fokus auf das zu richten, was vor mir liegt. Natürlich habe ich auch Träume und Ziele, aber wesentlich ist für mich, dass ich mich mit meinen Mitmenschen gut verstehe und den durch Social-Media mehr und mehr ansteigenden, kollektiven Narzissmus in Schach halte, ohne allzu pessimistisch klingen zu wollen. Ich nutze diese Medien ja auch gerne. Um es zusammenzufassen: Ich möchte mich nicht zu sehr mit anderen vergleichen und konzentriere mich darauf, meinen eigenen Weg zu gehen. Wenn man Gutes tut, dann wird einem auch Gutes getan. Manche nennen das Karma. 

Der Kurzfilm „Sweet Freedom“ läuft demnächst auf dem International Short Film Festival in Texas. Darin spielst du sehr intensiv einen Tankstellenräuber. Macht es mehr Spaß, einen Bösewicht zu spielen? 

Ich würde wahrscheinlich lügen, wenn ich diese Frage an der Stelle verneinen würde. Oftmals ist es so, dass die bösen, dunkleren Charaktere etwas sehr Traumatisches erlebt haben. Mir macht es als Schauspieler unglaublichen Spaß, diese Rollen mit Leben zu füllen und gleichzeitig auch die Unsicherheit darzustellen, auf der das meiste ihrer Aggression und Wut beruht. Ebenso interessant finde ich den Kontrast dieser Rollen zu dem Menschen, der ich abseits der Kamera bin. Ich schätze mich als relativ umgänglich ein und kann in diesen Rollen Seiten ausleben, mit denen ich in der Realität kaum Berührung habe. 

Was kannst du jungen Menschen raten, die auch gerne Schauspieler werden möchten?

Die Auswahl an Schauspielkursen und Workshops ist in Deutschland wirklich groß und vielfältig. Die Dozenten sind in vielen Fällen selbst schon in der Branche tätig und helfen einem, ein Gefühl für das Handwerk zu erlangen. Ich würde jedem raten, erst einmal einen solchen Kurs zu besuchen, um sich ein eigenes Bild zu verschaffen und sich mit ersten Übungen und Techniken vertraut zu machen. Der nächste Schritt wäre es, ein Demoband von sich aufzunehmen und sich anschließend mit diesem bei Agenturen zu bewerben. Dranbleiben und sich auch bei Absagen nicht demotivieren lassen, wäre mein abschließender Ratschlag.

Du bist in Ratingen geboren, dein Vater kommt aus Düsseldorf mit Wurzeln in Franken. Deine Mutter stammt aus Timişoara in Rumänien. Beruflich bist du oft in Köln und Berlin. Ist es da überhaupt möglich, ein Heimatgefühl zu entwickeln? Wo fühlst du dich zu Hause? 

Wirklich zu Hause fühle ich mich überwiegend in Ratingen. Nichtsdestotrotz bin ich privat sowie beruflich immer gerne in Köln und Berlin unterwegs und darf mich glücklich schätzen, an beiden Orten inspirierende Menschen kennen gelernt zu haben, zu denen ich Kontakt pflege, wann immer es möglich ist. Eine Form von Heimatgefühl hat sich somit teilweise auch in den beiden Großstädten entwickelt, auch wenn ich dort nicht primär ansässig bin. 

Noch zum Abschluss: Falls es einen gibt: Wo ist dein Lieblingsort in Düsseldorf? 

Mein Lieblingsort in Düsseldorf ist definitiv das Haus meiner Großeltern in Kaiserswerth, wo ich jeden Sonntag auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen einkehre. Da kann nicht mal die Königsallee mithalten. 


Kurzvita 

Markus Roemer, , „Ich möchte mich nicht zu sehr mit anderen vergleichen, sondern konzentriere mich darauf, meinen eigenen Weg zu gehen“ Markus Römer wurde 1998 in Düsseldorf geboren. Schulabschluss mit Abitur, Beginn des Studiums im Fach Medien und Kulturwissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Seit 2010 Schauspieler mit dem Schwerpunkt Film und Fernsehen. Unter anderem mitgewirkt in Produktionen wie „Mord mit Aussicht (ARD)“ und „Alarm für Cobra 11 (RTL)“. 

 

 

 


Porträtfoto: Mario Zozin

Ähnliche Beiträge