Siegmar Rothstein Marie Agnes Strack Zimmermann, , „Heute ist es unsere friedliche und freiheitliche Lebensweise in Europa, für die ich mich mit ganzer Kraft einsetze“

„Heute ist es unsere friedliche und freiheitliche Lebensweise in Europa, für die ich mich mit ganzer Kraft einsetze“

Interview mit Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, MdB, Mitglied des FDP-Bundesvorstands

von Dr. Siegmar Rothstein 


In diesen Monaten gibt es vor allem ein Thema, den brutalen Überfall Russlands auf die Ukraine. Haben Sie sich vor dem Angriff vorstellen können, dass Putin zu derartigen Maßnahmen fähig ist, wenn man auch feststellen muss, dass er schon früher mit hohen Zustimmungsraten und angeblich gerechtfertigt mit dem Schutz russischer Landsleute Kriege in Tschetschenien, Georgien, Annexion der Krim und Syrien geführt hat? 

Vorstellen konnte ich es mir spätestens seit Russlands völkerrechtswidriger Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim und dem ersten schweren Angriff auf die Ostukraine. Dort sind übrigens bis Ende 2021 ca. 15.000 Menschen ums Leben gekommen. Als Wladimir Putin im Laufe des Jahres 2021 immer mehr Truppen an die Grenze zur Ostukraine verlegen ließ, hat sich die Lage noch einmal dramatisch verschlechtert. Er hat ganz unverhohlen mit einem militärischen Eingreifen dort gedroht, weil Russlands Militärdoktrin eine Intervention zum angeblichen Schutz seiner Staatsbürger im Ausland erlaubt. Perfide, der Ukraine zu unterstellen, sie würde von Nazis regiert. Niemand konnte also wirklich überrascht davon sein, denn es hat sich schleichend, aber deutlich angebahnt. 

Es wird wahrscheinlich zurecht angenommen, dass Putin sich verkalkuliert hat. Unter anderem wollte er wohl die Nato schwächen. Die Nato wird im Gegenteil dadurch stärker, dass Finnland und Schweden als Antwort auf Russlands Angriff dem Bündnis beitreten werden. Nicht nur der Ukraine, sondern auch seinem eigenen Land hat Putin erheblichen Schaden zugefügt. Könnte es sein, dass er selbst durch den Krieg sein politisches Ende eingeläutet hat? Die offenbar vorhandene Zustimmung der Mehrheit in Russland zu seinem Handeln könnte demnächst nachlassen. 

Wladimir Putin hängt seinen imperialistischen Großmachtfantasien nach. Deshalb kann ich mir eine Rückkehr zur regelbasierten Friedensordnung in Europa, wie wir sie nach dem Ende des Kalten Krieges erreicht haben, mit einem Russland mit Wladimir Putin an der Spitze nicht vorstellen. Das heißt im Umkehrschluss: Einen dauerhaften Frieden kann es nur ohne Wladimir Putin geben. Ein Neuanfang muss aber auch vom russischen Volk gewollt sein. Leider gibt das einzige vom russischen Staat unabhängige Meinungsforschungsinstitut derzeit an, dass die Zustimmungswerte für Wladimir Putin seit dem völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine noch um 20 Prozent gestiegen sind. Da Wladimir Putins Russland aber faschistisch-autoritär regiert wird, trauen sich viele Menschen auch nicht zu sagen, was sie wirklich denken. Deswegen sind die Wirtschaftssanktionen so elementar wichtig. So merkt auch die russische Gesellschaft, dass Putins Krieg auch mit ihnen etwas macht. Wladimir Putin hat die Ukraine auch überfallen, um von den großen innenpolitischen Problemen abzulenken, vor allem aber aus Angst vor dem Drang nach Freiheit. Er weiß, wenn es den Ländern der russischen Föderation wirtschaftlich besser geht, sobald sie sich dem Westen zuwenden, dann wird auch in Russland die Frage gestellt, warum es den meisten Russen wirtschaftlich miserabel geht. Das gilt es für ihn zu verhindern, auch und besonders in der Ukraine. 

Der Bundestag hat im Einklang mit dem geltenden Völkerrecht beschlossen, die Ukraine militärisch zu unterstützen, auch mit sogenannten schweren Waffen, damit sie sich verteidigen und als freier und unabhängiger Staat weiter existieren kann. Sie gehörten zu denjenigen, die als erste diese Unterstützung forderten. Sind Sie damit einverstanden, wie die Bundesregierung seit Beginn des Krieges agiert? 

Zufriedenheit ist keine politische Kategorie. Meiner Meinung nach ist noch deutlich Luft nach oben, was die Unterstützung der Ukraine betrifft. Wir haben bereits eine Menge getan, aber angesichts der Brutalität des Krieges, des Ermordens unschuldiger Menschen, der Vergewaltigung von Frauen und Verschleppung von Kindern müssen wir nicht nur mehr tun, sondern auch schneller handeln und bereits jetzt die Zukunft angehen. Es ist gut, dass der Bundeskanzler kürzlich angekündigt hat, weiter schwere Waffen in die Ukraine liefern zu wollen. Aber gemessen werden wir am Handeln nicht an Worten. Dazu gehört, dass die Kommunikation über das, was Deutschland macht, besser klappen muss. Selbstverständlich reden wir nicht über gerade logistisch laufende Waffenlieferungen, aber es macht Sinn, dass im Nachhinein erklärt wird, was wir getan haben. Wir müssen die Menschen mitnehmen, unsere Entscheidungen erklären und dürfen sie vor allem nicht mit ihren Ängsten allein lassen. Dieser Krieg hebt die gesamte Welt aus den Angeln. Der Ausgang der Kämpfe entscheidet darüber, ob unsere wertebasierte Welt Bestand haben wird oder in Zukunft der Stärkere obsiegt. 

Sind die Lieferung von Waffen und die beschlossenen Sanktionen die allein mögliche Antwort auf den Überfall? In der Öffentlichkeit wird von mehreren Seiten gefordert, daneben den Weg der Diplomatie zu beschreiten, der nach dieser Ansicht in den Hintergrund getreten sei. Es wird befürchtet, dass eine derartig massive Unterstützung der Ukraine auch für uns Folgen haben könnte, vielleicht sogar mit atomaren Waffen. Kann aber diese Furcht letztlich unser Handeln bestimmen? 

Wir sollten uns das Narrativ des dritten Weltkrieges oder eines Atomkrieges, das von Putin bewusst lanciert wird, nicht zu Eigen machen. Natürlich ist die Lage extrem ernst. Wir wissen, dass Putin zu vielem fähig ist. Trotzdem empfehle ich Ruhe zu bewahren. Wir sollten nicht aufgrund seiner verbalen Bedrohungsszenarien gelähmt sein und wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen. Wegen des Grauens in der Ukraine und weil es auch darum geht, unsere friedliche, demokratische und freiheitliche Lebensweise in Europa zu verteidigen. 

Zurzeit ist keine Tendenz für eine Deeskalation erkennbar. Es setzt sich daher immer mehr die Ansicht durch, dass die Auseinandersetzung nicht schnell beendet wird und sich ein mörderischer Abnutzungskrieg mit vielen Opfern auf beiden Seiten entwickelt. Ist es also eine Utopie zu hoffen, dass es bald wenigstens einen Waffenstillstand gibt mit der beiderseitigen Hoffnung, irgendwann in der Zukunft eine Lösung zu finden? 

Einen Waffenstillstand wird es erst dann geben können, wenn Wladimir Putin erkennt, dass er die Ukraine nicht militärisch besiegen kann, und er seine Truppen zurückzieht. Gerade deshalb ist es auch so wichtig, dass wir gemeinsam mit den internationalen Partnern die Ukraine weiter militärisch unterstützen. Wladimir Putin möchte die Ukraine schlichtweg auslöschen. Von der Landkarte streichen. Darauf kann es keine wirklich diplomatische Antwort geben und schon gar keinen Kompromiss. Ein vermeintlicher Kompromiss hieße, dass Putin einen Teil der Ukraine bekäme. Das darf nicht passieren. 

Welchen Preis werden wir im Hinblick auf den Krieg in Europa zahlen müssen? Wird sich unser Leben verändern? 

Viele Gewissheiten gehören der Vergangenheit an. Ein solcher Krieg in Europa berührt uns alle&&auch wirtschaftlich. Jedes Land in Europa wird seinen Beitrag dazu leisten müssen. Frieden in Freiheit hat seinen Preis. Die Ukraine kämpft in diesem Augenblick nicht nur für ihre, sondern für die Freiheit Europas. 

In den vergangenen Jahren gehörte es geradezu zu unserer Staatsräson, gute Beziehungen mit Russland anzustreben und dieses Land in die europäische Friedensordnung einzubinden. Dies dürfte gegenwärtig keine Mehrheit finden. Man muss aber auch an die Zeit nach dem Krieg denken. Sehen Sie eine Chance, jedenfalls nach Putin, wieder mit Russland zu ,,normalen“ Beziehungen zurückzukehren? Könnte man vielleicht damit beginnen, den Petersburger Dialog wieder zum Leben zu erwecken? Er sollte ja die Verständigung zwischen Deutschland und Russland fördern.

Es wird Jahrzehnte dauern und nur ohne Wladimir Putin und seiner Clique möglich sein. Deswegen müssen wir die Opposition in Russland unterstützen: Mutige Männer und Frauen, die aufgrund von ihnen begleiteten Demonstrationen gegen den Krieg im Gefängnis gelandet sind. 

Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Ukraine sich nicht nur selbst verteidigt, sondern auch in dem Krieg gegen autoritäre Strukturen für Werte wie Freiheit, Rechtstaatlichkeit und Gewaltenteilung eintritt. Es kann aber kaum bestritten werden, dass auch bei uns die rechtstaatliche Demokratie angegriffen wird. Sie ist erheblich unter Druck geraten, ihre Funktionsfähigkeit wird in Zweifel gezogen. Müsste uns daher der Konflikt in der Ukraine nicht besonders anspornen, uns mit den Gegnern unserer Demokratie auseinander zu setzen? 

Als Demokraten müssen wir jederzeit bereit sein, für unsere Überzeugungen einzustehen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass unsere Demokratie von innen heraus geschwächt wird. Es herrscht bei manchen Menschen eine gewisse Unsicherheit. Oft entlädt sich dieser vermeintliche Frust im Internet. Der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in Europa zeigt das deutlich. Sie bieten einfachste Antworten auf sehr komplexe Probleme. Viele Verschwörungstheorien werden verbreitet. Als Politikerinnen und Politiker der demokratischen Parteien müssen wir die Ängste und Sorgen der Menschen ernst nehmen und Lösungen anbieten. Wir müssen jeden Tag diese Überzeugungsarbeit leisten. 

Zum Schluss ein ganz anderes Thema:
Wir haben seit der letzten Wahl eine sehr interessante Koalition mit der begrüßenswerten Folge, dass es im Parlament wieder eine zahlenmäßig starke Opposition gibt. Man geht im Allgemeinen davon aus, dass die FDP mit der CDU die meisten politischen Übereinstimmungen hat. Dennoch regiert sie jetzt mit der SPD und den Grünen. Ist das Denken und Regieren in ,,Lagern“ für die FDP endgültig Vergangenheit?

Wir Freien Demokraten sind aus Überzeugung eine Kraft der Mitte, was sich auch in der Sitzordnung im Plenarsaal des Bundestages widerspiegelt. Wir haben in der Vergangenheit erfolgreich mit der Union im Land und im Bund regiert. Aber die politische Landschaft hat sich stark verändert. Das politische Spektrum ist heute vielfältiger. Die demokratischen Parteien müssen letztlich alle miteinander arbeiten können, wollen sie nicht zusehen, wie die rechts- und linksradikalen Parteien an Einfluss gewinnen. Am Ende entscheiden die Wähler, und als Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind wir dann dazu verpflichtet, den Wählerwillen innerhalb des demokratischen Spektrums so gut umzusetzen, wie möglich. Mit der SPD und den Grünen bilden wir in dieser Legislaturperiode zusammen eine Fortschrittskoalition, und ich bin fest davon überzeugt, dass sie gerade das Beste für unser Land ist. Dass wir es mit dem Fortschritt ernst meinen, haben wir schon nach wenigen Wochen gezeigt, zum Beispiel mit der Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche. 

Sie sind äußerst engagiert, pflegen eine klare verständliche Sprache, sind auch nicht unkritisch und finden gelegentlich harte Worte. Selbst der Kanzler und der Papst werden nicht verschont. Was treibt Sie an? Wie gehen Sie mit Kritik um? 

In all den Jahren hat sich meine Motivation nicht geändert: Ich habe angefangen, mich politisch zu engagieren, weil ich der Meinung war, dass vor die Kita meiner Kinder ein Zebrastreifen hingehört. Wenn ich etwas für richtig halte, dann muss ich mich auch dafür einsetzen. Damals ging ich in die Kommunalpolitik und habe gemeinsam mit meiner FDP-Ratsfraktion sehr viel in Düsseldorf erreichen können. Der KöBogen und das daraus entstandene neue Umfeld gehören ganz oben dazu. Aber auch in der Jugend- und Sozialpolitik habe ich vieles mitgestalten können. Heute ist es unsere friedliche und freiheitliche Lebensweise in Europa, für die ich mich mit ganzer Kraft einsetze. Wenn ich dafür kritisiert werde, dann nehme ich das gelassen hin, denn ich weiß, dass ich auf der richtigen Seite stehe. Aber: Zugegeben, mein Fell ist auch zwei Zentimeter dicker geworden, seitdem ich Abgeordnete im Deutschen Bundestag bin. 

Sie sind gefragt wie nie, Sie sind auf allen Kanälen und in allen Zeitungen präsent, sind also in der Politik ganz vorne angekommen. Ihre Prominenz ist, wie der Spiegel schreibt, durch die Decke gegangen. Fragen der Verteidigung werden jedenfalls mehr mit Ihnen als mit der Verteidigungsministerin besprochen. Hätten Sie gern ein Ministeramt, gewissermaßen auch als Anerkennung für Ihre überzeugende politische Tätigkeit? 

Die FDP hat die Ministerien ausgewählt, in der unsere Kernkompetenzen liegen: Finanzen, Justiz, Bildung und Digitales. Ich bin meiner Fraktion sehr dankbar, dass ich dem Verteidigungsausschuss vorsitzen darf. Dort kann ich die Legislative vertreten und die Bundesregierung fair, aber auch kritisch kontrollieren, und ich darf die Einsätze unserer Soldatinnen und Soldaten begleiten. Das erfüllt mich nicht nur sehr, sondern nötigt mir auch unglaublich großen Respekt ab. Mein Herz schlägt für die Bundeswehr und ich darf mit ihr zusammenarbeiten. Das ist mehr, als ich mir je in meinem politischen Leben habe vorstellen können. 


Kurzvita 

1958 in Düsseldorf geboren und aufgewachsen. Nach dem Abitur Studium der Publizistik, Politikwissenschaften und Germanistik an der Ludwigs-Maximilians-Universität, München. 1983 Abschluss Magister Artium, 1986 Promotion zum Dr. phil. über die „USA Berichterstattung im ZDF“. 20 Jahre Verlagsrepräsentantin beim Nürnberger Tessloff Verlag. 1990 Eintritt in die FDP, 1999 erstes kommunalpolitisches Mandat. Seit 2004 Ratsfrau der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf, von 2005 bis 2009 und noch einmal von 2014-2017 FDP-Fraktionsvorsitzende im Rat der Stadt Düsseldorf. Ab 2008-2014 sechs Jahre Erste Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Düsseldorf. 2013-2019 stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende, ab 2019 Mitglied des FDP-Bundesvorstandes. Seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages, seit 2021 Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und Mitglied im Vorstand der FDP-Bundestagsfraktion. Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist katholisch, verheiratet mit Horst Strack-Zimmermann, hat drei erwachsene Kinder (eine Tochter und zwei Söhne) sowie bisher drei Enkelkinder. Sie lebt in Düsseldorf und Berlin. Wenn Sie den Kopf freikriegen möchte, fährt sie auch sehr gerne Motorrad. 


© Portätfoto: MASZ 


Pauline Kao Paul Breuer, , „Ich fühlte mich immer zu Hause, wenn ich nach Deutschland kam“

„Ich fühlte mich immer zu Hause, wenn ich nach Deutschland kam“

Interview mit US-Generalkonsulin Pauline Kao, Düsseldorf 

von Dr. Paul Breuer


NRW ist das zweite Bundesland nach Berlin, wo Sie Ihren diplomatischen Dienst ausüben. Mit mehr als 1.600 US-Unternehmen in NRW ist dies wohl das wirtschaftlich wichtigste Bundesland in Deutschland und auch wichtigstes “economic powerhouse“ in Europa. Fühlen Sie sich in Düsseldorf in dieser unwirklichen Corona-Zeit schon angekommen? 

Es fällt mir leicht, nach Deutschland zu kommen und mich sofort wie zu Hause zu fühlen. Schließlich kam ich bereits 1992 zum ersten Mal nach Deutschland und bin seitdem immer wieder zurückgekehrt. Ich habe etwa acht Jahre meines Erwachsenenlebens in Deutschland verbracht, und ich bewege mich in den USA und in Deutschland mit der gleichen Leichtigkeit. Egal unter welchen Umständen, ich werde mich immer in Deutschland zu Hause fühlen. 

Sie haben Ihren diplomatischen Dienst in Düsseldorf nach der Trump-Ära angetreten. Hat Sie die erfolgreiche Präsidentschaftswahl mit Joe Biden als Präsident überrascht? 

Ich habe meine diplomatische Laufbahn während der Amtszeit von Präsident Bush jr. begonnen. Wir füllen dieses Amt im Auftrag des Präsidenten aus, also im Auftrag der Institution, nicht der jeweiligen Person, und wir sind der Verfassung der Vereinigten Staaten verpflichtet. Darauf haben wir als Diplomaten einen Eid abgelegt. Obwohl mich die politischen Entwicklungen als Wählerin und Bürgerin interessieren, diene ich dem Land und setze seine Außenpolitik um, unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzt. Das ist die Beziehung, die ich zum Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten habe. 

Wie sehr werden sich die aktuellen Ereignisse – Corona-Krise, Ukraine/Russland-Krieg – auf die regionale Entwicklung unserer Wirtschaft in NRW in Bezug auf die transatlantische Wirtschaftsbeziehung auswirken? Was werden Sie Ihrer Botschafterin in Berlin darüber berichten? 

NRW ist das größte und das wohlhabendste Bundesland in Deutschland. Seine Wirtschaft ist größer als die von Schweden oder Polen. Geographisch gesehen liegt es im Herzen Europas. Es versteht sich von selbst, dass NRW für die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen von enormer Bedeutung und Tragweite ist. Genau diese Botschaft übermittle ich nach Berlin. Aber unsere neue Botschafterin muss davon nicht überzeugt werden. Sie ist sehr gut informiert und war in den ersten Monaten ihrer Amtszeit bereits zweimal in NRW. Ich denke die Botschaft ist klar: Wir haben es verstanden und wir handeln entsprechend. 

Ab 1. Januar 2022 sind US-Strafzölle auf bestimmte Eisen-, Stahlund Aluminiumerzeugnisse abgeschafft. Ist es nach dem Scheitern des TTIP (Transtalantic Trade and Investment Partnership) nicht Zeit für ein transatlantisches Handelsabkommen 2.0 mit dem Ziel, Handelsbarrieren, Zölle und Quoten und Investitionsschranken weiter abzubauen? 

In der Tat gehen die Entwicklungen in diese Richtung, da im Juni letzten Jahres von der US-Regierung und der EU das Transatlantic Technology Council (TTC) ins Leben gerufen wurde. 

Als Schlüsselaufgabe des TTC soll die globale Wirtschaft, wirtschaftliche und technologische Projekte, wie Technologie Standards, Klima- Technologie, künstliche Intelligenz, Semiconductor-Industrien, Plattformen für Sicherheit und Missbrauch von Technologietransfers, Menschenrechte und Exportkontrollen u.a. geschaffen werden. Was erwarten Sie von dem 2022 stattfindenden neuen Forum, das von manchen als ein besseres und erfolgreicheres Konzept betrachtet wird? 

Das Trade and Technology Council (TTC) wird unsere wirtschaftliche Partnerschaft stärken und die Regeln der Weltwirtschaft aktualisieren. Das TTC soll der Welt zeigen, wie demokratische und marktorientierte Ansätze in den Bereichen Handel, Technologie und Innovation das Leben unserer Bürgerinnen und Bürger verbessern und eine Kraft für mehr Wohlstand sein können. 

Mit welchem Ziel? 

Ein wichtiges Ziel ist es, mit gleichgesinnten Partnern weltweit einen offenen, interoperablen, sicheren und zuverlässigen digitalen Raum zu fördern und bei der Entwicklung und dem Schutz der Technologie von morgen führend zu bleiben. Durch das TTC können die USA und die EU gemeinsam auf eine sicherere und wohlhabendere Welt hinarbeiten, in der das Wachstum von den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung, des Umweltschutzes und dringender Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise geleitet wird. Die zu diesem Zweck eingesetzten TTC-Arbeitsgruppen werden ihre intensive Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Interessengruppen fortsetzen, darunter Vertreter der Industrie, von Arbeitnehmerorganisationen, Think Tanks, gemeinnützigen Organisationen, Umweltverbänden, Wissenschaftlern und anderen Mitgliedern der Zivilgesellschaft. 

Die globale Weltwirtschaft wird in den kommenden Jahren durch die Pandemie und den Ukraine/ Russland-Krieg erheblich beeinträchtigt sein. Wir werden unseren wirtschaftlichen Focus mehr auf die EU, Kanada und USA richten müssen, ohne aber unsere Beziehung zu China zu vernachlässigen. Präsident Biden scheint sein Augenmerk im Gegensatz zu seinen Vorgängern wieder mehr auf Europa gerichtet zu haben. Wie erklären Sie sich den Schwenk und wie lange wird das Interesse an Europa andauern? 

Wir haben schon immer in Europa investiert. Die transatlantischen Beziehungen sind nicht nur in ihrer Geschichte verwurzelt. Die USA und Europa teilen auch gemeinsame Werte, Systeme und Visionen. Die Welt ist globalisiert und komplex, und wenn wir uns stärker auf eine Region konzentrieren, heißt das nicht, dass wir eine andere aus den Augen verlieren. Es war, ist und bleibt eine Tatsache, dass wir nicht ohneeinander auskommen. Nach allem, was ich bisher in meiner beruflichen Laufbahn erfahren habe, muss ich sagen, dass mir das wirklich sehr am Herzen liegt. 

Friedrich Merz hatte, bevor er wieder in die aktive Politik zurückgekehrt und zum Parteivorsitzenden der CDU gewählt wurde, den Vorsitz der Atlantik-Brücke e.V. abgegeben. Der Verein mit Sitz in Berlin verfolgt laut Satzung „Bildungs-, wissenschaftliche, kulturelle und mildtätige Zwecke sowie die Förderung der Völkerverständigung“. Hatten Sie schon die Gelegenheit, ihn zu treffen, der – wie Ex-Umweltminister und außenpolitischer Sprecher Norbert Röttgen – aus NRW stammt? 

Nein, bisher hatte ich noch nicht das Vergnügen. Aber ich habe das große Glück, in meiner Position viele Politiker:innen und Regierungsmitglieder kennenzulernen, die sich sehr um Lösungen bemühen und ihre Arbeit sehr ernst nehmen. Ich bin immer wieder beeindruckt von der Qualität und dem Kaliber der deutschen Politiker:innen - und übrigens auch der Journalist:innen. Sie sind im Allgemeinen sehr gut informiert, sachkundig, wortgewandt, kritisch im Denken und bestrebt, Fairness und Gerechtigkeit in ihre Tätigkeit einzubringen. Es fällt mir leicht, mit einer so beeindruckenden Gruppe von Fachleuten zusammenzuarbeiten. 

Es ist schwierig zu verstehen, dass es bisher nicht möglich war, eine geeignete Städtepartnerschaft für Düsseldorf in den USA zu finden. Anbieten würde sich zum Beispiel Seattle, die Stadt, in der Sie zur Schule gegangen sind, Standort von Boeing, Microsoft, Tesla, mit einer Einwohnerzahl ähnlich hoch wie die von Düsseldorf. Sie ist – so wie Düsseldorf – eine Hochburg der Kunst mit einer Kunstakademie. Könnten Sie sich vorstellen, dass es während Ihrer Zeit in Düsseldorf zu einer Städtepartnerschaft kommt? 

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich hoffe, dass das der Fall sein wird. Es war eines der ersten Dinge, die ich bei meiner Ankunft von so vielen Menschen hörte, dass die Hauptstadt von NRW keine Partnerstadt mit den Vereinigten Staaten hat. Der Wunsch ist da, das weiß ich. Ich kann Ihnen versichern, dass ich in meiner Funktion alles tun werde, um zum Gelingen einer Partnerschaft beizutragen. 

Worin wird der Schwerpunkt Ihrer Arbeit in den kommenden drei Jahren liegen?

Nun, Sie haben gerade eine erwähnt - die Städtepartnerschaft. Ich hoffe, dass sie zustande kommt. Ich hoffe auch, dass es wieder Direktflüge von Düsseldorf zu Zielen in den USA gibt. Ich hoffe auch, nicht nur sichtbare Dinge zu erreichen, sondern auch das Fundament der Freundschaft, des gegenseitigen Verständnisses, der Fähigkeit, sich miteinander zu verbinden, zu stärken und zu vertiefen, ja den Willen zu stärken, gemeinsam schwierige Probleme anzugehen. Das ist der Kern der Diplomatie, der für Fortschritt und Stabilität sorgt, die nicht leicht zu sehen sind, ohne die wir als Zivilisationen aber nicht leben können. Das ist der Kern meiner Arbeit. 

Wie schätzen Sie generell die deutsch-amerikanischen Beziehungen ein?

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind sehr gut. Es ist eine reife Beziehung, eine, in der wir offen und transparent miteinander umgehen können. Es ist wie die beste aller Freundschaften: Wir sind nicht immer einer Meinung, aber wir wenden uns nie voneinander ab und sind immer da, wenn wir Hilfe brauchen. Das gilt für die zwischenmenschliche Ebene zwischen unseren Völkern sowie für die nationale Ebene. Es gibt so viel, was uns verbindet, und zwar nicht nur aus Pragmatismus, sondern aus der Überzeugung heraus, gemeinsame Werte und Visionen zu teilen. Ich bin optimistisch. 

Was sind die größten aktuellen transatlantischen Herausforderungen?

Die transatlantischen Herausforderungen sind gleichzeitig auch unsere nationalen Herausforderungen in den USA. Die Pandemie, die noch nicht vorbei ist, Energie und Klimawandel und die Verteidigung der Demokratie sind meiner Meinung nach die drei kurz-, mittel- und langfristigen Herausforderungen, denen wir uns gemeinsam stellen müssen. Das ist die Realität einer globalisierten und vernetzten Welt - meine Probleme sind Ihre, und Ihre sind meine. Deshalb ist es eine Realität, die man akzeptieren muss, auch wenn man nicht ideologisch daran glaubt. Wir brauchen einander und können nicht ohneeinander auskommen. Natürlich ist es viel besser, wenn uns darüber hinaus auch noch eine Freundschaft verbindet. 


Kurzvita 

An der Humboldt-Universität Berlin erwarb sie als Fulbright-Stipendiatin einen Master in Rechtswissenschaften. Zuvor erhielt sie an der University of Washington den Juris Doctor und ihren Bachelor-Abschluss. Bevor Pauline Kao 2001 in den diplomatischen Dienst eintrat, arbeitete sie in einer deutschen Anwaltskanzlei in Berlin. 
Sie stammt aus Taiwan. Ihre Eltern waren in die USA nach Seattle ausgewandert. Dort besuchte sie die High School und wählte als zweite Fremdsprache Deutsch. Neben fließendem Englisch, Deutsch und Mandarin spricht sie auch etwas Japanisch. Pauline Kao übernahm im August 2021 das Amt der US-Generalkonsulin für NRW. Davor war sie Leiterin der Abteilung für öffentliche Angelegenheiten im US-Generalkonsulat in Shanghai, China. Weitere Außenstationen davor waren in Hawaii, Washington, Peking, Tokio, Brüssel und Berlin. 


© Titelfoto: DJournal 


Mariella Ahrens, , „Ob vor der Kamera oder auf der Bühne, beides macht mir viel Spaß. Ich liebe meinen Beruf.“

„Ob vor der Kamera oder auf der Bühne, beides macht mir viel Spaß. Ich liebe meinen Beruf.“

Interview mit Mariella Ahrens, deutsche Schauspielerin 

von Ralf-Peter Kals


Sie gastieren zurzeit im Düsseldorfer Theater an der Kö mit der französischen Komödie „Abschiedsdinner“. Fühlen Sie sich als Gast wohl in unserer Stadt? 

Ja, ich fühle mich hier wohl und sehr aufgenommen, habe ja auch einige Freunde hier, und die Düsseldorfer sind sehr aufgeschlossen. Daher komme ich im Herbst auch gern wieder hierher. 

Was sind Ihre Lieblingsorte in Düsseldorf, was gefällt Ihnen besonders gut? 

Ich mag den Carlsplatz sehr gern. Dieses leckere frische Essen und das lustige Treiben dort, aber auch die lange Rheinpromenade mag ich sehr gern. Fasziniert war ich von einer Bootsfahrt über den Rhein. Freunde von mir hatten ein Boot, und wir hatten einen wunderbaren Tag auf dem Wasser.  Ich habe ja wirklich Glück gehabt hier mit dem Wetter. 

Konnten Sie das ländliche Einzugsgebiet von Düsseldorf schon erkunden, vielleicht auf einem Fahrrad? 

Nein, leider noch nicht, aber ich fahre tatsächlich viel Fahrrad hier in der Stadt. Nach Oberkassel habe ich auch schon eine kleine Erkundungstour gemacht. 

Zu Düsseldorf haben Sie bereits eine Beziehung durch Ihr Engagement als Schirmherrin und Patin der Stageschool Salomon Academy in Düsseldorf. Wie kam es dazu? 

Ich habe 2005 den Verein Lebensherbst gegründet, mit dem ich mich um bedürftige Senioren in Heimen in Deutschland kümmere. Meine Geschäftsführerin lebt in Solingen und daher gibt es auch einige Heime, die wir hier in der Umgebung unterstützen. 

Mein Engagement für das Schauspiel kam durch die Leiterin der Schule. Ich bin dort Patin und daher auch ab und zu vor Ort. 

Wir alle kennen Sie insbesondere aus vielen Filmen und Serien im Fernsehen. Die Arbeit auf der Bühne ist ja ganz anders, vor allem nah am Publikum. Wo ist der Unterschied, was gefällt Ihnen besser? 

Man kann es nicht vergleichen. Das ist eine vollkommen unterschiedliche Arbeit. Ich mag beides gern. Beim Theater hat man halt die direkte Reaktion vom Publikum und muss viel konzentrierter arbeiten, da man nichts wiederholen kann. Auch Stimme und Gestik setzt man anders ein. Vor der Kamera ist es eine ganz andere Arbeit. Dort ist alles auf den Augenblick konzentriert und man muss eine natürlichere, kleinere Mimik einsetzen, sich Anschlüsse merken. Beides macht mir aber viel Spaß. Ich liebe meinen Beruf. 

Gibt es neue Pläne für die weitere schauspielerische Arbeit? Wo kann man Sie demnächst wieder sehen? 

Ich habe mich nach 25 Jahren Fernsehen entschieden, eine Zeit lang Theater zu spielen. Aber ich werde sicher auch bald wieder vor die Kamera gehen. Ab Oktober bin ich erstmal wieder auf der Bühne zu sehen mit dem Stück „Das Blaue vom Himmel“ in Essen. 

Außerdem moderiere ich in meiner freien Zeit auch gern Veranstaltungen, wie Preisverleihungen, Poloturniere, Firmenevents, Modenschauen etc. 

Sie sind auch anderweitig sozial besonders enga- giert, so z. B. als Gründungsmitglied, Schirmherrin und stellvertretende Vorsitzende von Lebensherbst e.V., einem Verein zur Unterstützung pflegebedürftiger, älterer Menschen. Weiterhin unterstützen Sie Kinder in Swasiland als World-Vision-Botschafterin und waren 2009 Patin des Deutschen Kinderpreises. Wie sieht Ihre Arbeit für diese Organisationen aus? 

Für World Vision war ich mehrmals in Afrika und Indien auf Projektreisen. Das war sehr interessant und traurig zugleich. Schön war aber zu sehen, welche Hilfe die Organisation vor Ort leistet, wie glücklich sie Menschen dort machen kann. 

Das trifft auch auf meinen Verein Lebensherbst zu. Es ist so schön zu sehen, wie die Senioren in den Heimen strahlen, wenn man sie besucht, unsere Hilfe ankommt und wir Herzenswünsche erfüllen können. Wir haben außerdem noch größere Projekte, die wir umsetzen. So z.B. Seniorentreffpunkte mit altersgerechten Sportgeräten in Grünanlagen in verschiedenen Städten Deutschlands oder VR Brillen, womit die Senioren in den Heimen etwas zu sehen bekommen, sich an andere, für sie unerreichbare Orte versetzen können, beispielsweise ein Rundgang durch das Kadewe in Berlin, die Fahrt mit einer Seilbahn oder ein Flug über Grönland. 

Wir haben so viele tolle Projekte und Wünsche von Senioren – können diese aber nur durch Spenden er- füllen. Für alle, die den Verein Lebensherbst e.V. unter- stützen möchten: unter www.lebensherbst.de ist das möglich. 

Neben Ihrem Beruf als Schauspielerin unterrichten Sie bereits an der Schauspielschule und jetzt auch als Coach im Bereich Managertraining – was genau unterrichten Sie dort? 

Ich helfe führenden Persönlichkeiten, sich richtig auf Reden oder beispielweis eine Laudatio auf der Bühne oder vor der Kamera vorzubereiten. Zum Training gehört alles, was Stimme, Gestik, Mimik, Betonung, Präsenz etc. betrifft und wie man seine Nervosität bei Live-Auftritten abstellt, auch im Bereich von Präsentationen vor der Kamera (auch Handycamera) oder als Interviewtraining. Ganz individuell. Wer Interesse daran hat, kann mich gern anschreiben. 


Kurzvita 

Sie spielte bereits mit 15 Jahren in einer Ama- teuer Theatergruppe in Berlin. Später absolvier- te sie an der Schauspielschule Fritz Kirchhoff ihre Schauspielausbildung. In ihrer Karriere als Schauspielerin war sie sehr erfolgreich in zahl- reichen Filmen und TV-Serien, wie: „Bergdoktor“, „Polizeiruf 110“, „Im Namen des Gesetzes, „Dr. Kleist“, „Notruf Hafenkante“, „Soko München / Köln“, mehreren Rosamunde Pilcher-Filmen, „Ein Fall von Liebe etc.
Daneben spielt sie in zahlreichen Theaterproduktionen unter anderem in Berlin „Jedermann“, in München „Mirandolina“ und „Das Blaue vom Himmel“, in Köln und Düsseldorf „Das Abschiedsdinner“ und andere mehr. 
Außerdem arbeitete sie als Gast Dozentin an der Filmschauspiel- schule Berlin, moderiert zahlreiche Veranstaltungen und arbeitet als Coach für Führungspersönlichkeiten. In ihrem sozialen Engagement setzt sich als Patin für die Organisation World Vision ein und gründete 2005 den Verein Lebensherbst e.V., der sich für Projekte in Senioren-Heimen einsetzt, die den Bewohnern Freizeitaktivitäten ermöglichen und Herzenswünsche erfüllen. 


© Titelfoto: Anna Dylla 


Barbara Schmitz Dieter Nuhr, , „Die SOS Kinderdörfer sind eine Organisation, hinter der ich total stehe"

„Die SOS Kinderdörfer sind eine Organisation, hinter der ich total stehe"

Interview mit Dieter Nuhr, deutscher Kabarettist, Komiker, Autor, Fotograf und Fernsehmoderator 

von Barbara Schmitz


Du bist ja mit vielen Talenten gesegnet und du gibst ja auch viel zurück. Wie kam es zu der Verbindung mit den SOS Kinderdörfern?

Ich weiß gar nicht mehr, wie lange es her ist, 12 oder 15 Jahre glaube ich. Es war damals so, dass ich sehr oft angefragt wurde, ob ich nicht mal etwas machen möchte für diese oder jene Organisation. Es ging los mit der Tombola zu meinem 30sten Geburtstag, ein Viertel des Erlöses sollte an den örtlichen Spielplatz gehen. Weil alles sehr mühsam war, habe ich damals beschlossen, das zu fokussieren und war auf der Suche nach einer Organisation, mit der ich mich identifizieren konnte. Allerdings gibt es viele Organisationen mit sehr guten Projekten. Man muss aufpassen, dass man beim nächsten Programm schnell wieder „aus der Schusslinie“ kommt. Die einen sind religiös und missionieren, und die anderen sind politisch. Das ist mir alles zu festgefahren, und ich war sehr dankbar, als ich die SOS Kinderdörfer kennenlernte, kontaktiert von den Mitarbeitern in Berlin. Man hat mir die Arbeit dieser Organisation vorgestellt, und ich habe einfach keinen Punkt gefunden, bei dem ich sagen würde: „Damit habe ich jetzt Bauchschmerzen.“ 

Wie sieht die Arbeit der SOS Kinderdörfer konkret aus?

Es geht weit über das hinaus, was die meisten Menschen über die SOS Kinderdörfer wissen. Es gibt nicht nur Kinderdörfer, wo Waisen ein Zuhause finden - das ist ja das Bild, das viele haben. Sondern es geht weit darüber hinaus. So wird Prävention betrieben, es gibt Berufsbildungs- und Familienstärkungs-Programme. Vor allen Dingen gibt es überall auf der Welt Förderprogramme, die auf die kulturellen Bedürfnisse der Region zugeschnitten sind. Ohne christlichen Missionsanspruch und ohne gesellschaftspolitische und politische Präferenz. Es wird so geholfen, wie es nötig ist. 

In Bolivien brauchen sie andere Hilfe als in Afrika oder Georgien, wo man die Probleme des postsowjetischen Raumes hat. All das wird so angepasst, dass es für den Ort richtig ist, es wird sehr effizient gearbeitet. Ich war in vielen Kinderdörfern in vier Erdteilen und bin jedes Mal eigentlich beseelt nach Hause gekommen und dachte, das ist wirklich genau das, was du unterstützen möchtest und bin begeistert dabei. So macht mir das Freude, und ich muss mich deswegen nicht anstrengen, wenn ich irgendwo Überzeugungsarbeit leiste für die SOS Kinderdörfer. Wenn ich intuitiv erzählen kann, muss man mich meistens nach einer Stunde bremsen. 

Wie ist deine enge Beziehung zu den Kinderdörfern entstanden?

Es ist in mir drin, und ich handele aus Begeisterung und nicht, weil ich gedacht habe, ich muss auch etwas tun. Die SOS Kinderdörfer sind eine Organisation, hinter der ich total stehe. Im ersten Kinderdorf, das ich besucht habe - ich glaube in Äthiopien - habe ich mich gefragt, warum dieser Aufwand. Nach Afrika fliegen, um sich das selbst anzuschauen - gibt es keine andere Präsentation? Nicht, dass ich das nicht gerne gemacht hätte. Ich habe mich wahnsinnig auf die Reise nach Äthiopien gefreut. dachte aber, was verspricht sich so eine Organisation davon? Im Nachhinein war es genau richtig, weil es einfach diese Stufe überspringt, wo man sagt, das ist eine gute Geschichte, dafür gebe ich meinen Namen. Wenn man sich persönlich überzeugt und die Programme, die da laufen, gesehen hat, entwickelt sich eine emotionale Bindung. Insofern war es eine sehr gute Idee, und die Reisen, die danach kamen, haben alles noch verstärkt. 

Ich habe Fotos von dir mit den Kindern gesehen, da sieht man deine Verbundenheit sehr gut. Du bist auch Botschafter der SOS Kinderdörfer und vertritts die Meinung „Prävention zu betreiben ist Heilung“. 

Ja, ich bin Botschafter, und das sind schöne Fotos mit den Kindern. Es ist immer am besten, wenn man ganz nah dran ist, und ich glaube, dass solche Fotos für die Werbung auch sehr wichtig sind. Vom Sinn her finde ich die anderen Programme aber noch sehr viel wichtiger. So bin ich ein großer Freund der Familienstärkungs-Programme und Bildungsprogramme, weil ich glaube, man muss das Problem bei der Wurzel packen. Wenn die Kinder einmal im Dorf sind, ist das natürlich sehr gut, dass sie den Sprung geschafft haben, aber es bleibt doch viel zu doktern an den Symptomen. Mit Familienstärkungs- und Berufsbildungs-Programmen kann man präventiv arbeiten und dafür sorgen, dass die Kinder gar nicht erst ins Dorf müssen. Das ist eigentlich auch das Wichtigere. Ich glaube, dass das auch so gesehen wird, dass gerade in den erweiterten Programmen der eigentliche Sinn der SOS Kinderdörfer liegt, denn Prävention zu betreiben ist Heilung. 

Die Arbeit der SOS Kinderdörfer umfasst also größere Aufgaben als man denkt?

Ja, man muss sich klar machen, dass die Aufgaben in den einzelnen Ländern sehr viel weiter gehen. Die SOS Kinderdörfer ersetzen in vielen Ländern die Sozialsysteme und es ist schwierig politisch zu entscheiden, wie weit man dabei geht. Wann fängt es an, doch politische Arbeit zu werden, wann unterstützt man die falschen Leute usw. Das ist politisch sehr kompliziert. Es muss in jedem Land neu entschieden werden, und das passiert bei SOS glaube ich sehr verantwortungsvoll und sehr durchdacht. 

Und die Akzeptanz in den Ländern ist da, weil man sich der Waisen und Kinder annimmt?

Das ist schwer zu sagen und natürlich vom Land abhängig. Jeder Ort braucht andere Arbeit. In den allermeisten Fällen ist es Frauenarbeit, die geleistet wird, weil ja die Kerle in vielen Teilen der Welt recht unnütz sind. Es ist in Südamerika und Afrika über weite Teile so, dass Berufsbildungsarbeit mit Frauen notwendig ist, um ihnen zu ermöglichen, ihre Familien zusammenzuhalten. Frauen geben ihre Kinder nicht freiwillig weg ins Kinderdorf. Ich glaube, viele Leute denken, nur Waisenkinder kommen in die Dörfer. Das gibt es natürlich auch, aber in den meisten Fällen landen Kinder aus sozialen Gründen im Dorf, weil die Familie auseinanderbricht, weil es Gewalt gibt, Drogenprobleme, alles Mögliche, und weil diese Kinder zuhause nicht mehr bleiben können. Die meisten Frauenprogramme dienen dazu, dem vorzubeugen, was ich persönlich natürlich peinlich finde für meine Geschlechtsgenossen, aber es ist leider so. In weiten Teilen der Welt trinken Männer lieber 'ne Flasche Schnaps und schlagen um sich, statt sich um die Familie zu kümmern. Und dann geht‘s eben los. Wie kann man Frauen in Positionen bringen, ihr Leben mit ihren Kindern zu gestalten? Das ist die Aufgabe, die mich am meisten fasziniert. 

Du warst auch in Bolivien. Welche Projekte unterstützen die SOS Kinderdörfer da im Besonderen?

In Bolivien war ich in einem Frauenbildungs-Programm. Man kann sich in Europa nicht vorstellen, mit welchen Problemen die Menschen zu kämpfen haben, wenn es darum geht, berufstätig zu werden. Ich konnte es mir ja auch nicht vorstellen. Da gab es z.B. eine Frau, die an einem Kochkurs teilnahm, der den Frauen beibringt, wie man Reis kocht. Was jetzt kein besonders kompliziertes Rezept ist. Wir denken in Europa, das kann doch kein Problem für jemanden sein. Aber die Frau hatte motorische Probleme mit dem Löffel umzurühren, weil sie die Kreisbewegungen mit dem Arm nicht hinbekam. Die Menschen sind teilweise motorisch so unterentwickelt, dass sie die primitivsten Dinge lernen müssen. Weil sie die ersten fünf Jahre ihres Lebens in einem Wellblechschuppen ohne Licht verbracht haben, mit 5 Jahren erst laufen lernten, geschweige denn sprechen oder etwas Ähnliches wie schreiben. Diese Menschen werden ziemlich schnell wieder Eltern, weil sie keine Familienplanung betreiben und vor sich hinleben in einer Art Agonie. Diesen Menschen gilt es beizubringen, ihr Leben selbst zu gestalten. Die geben das dann an ihre Kinder weiter. Ich habe diese Frau 2 Jahre später wiedergetroffen, da gab sie selbst diese Kurse für andere Frauen. Es war unglaublich berührend zu sehen, wie es vorwärts ging innerhalb von 2 Jahren und sie in der Lage war, ihre Kenntnisse - keine Raketentechnik, nur das, was die Menschen dort brauchen – wieder weiterzugeben. Sie bekam etwas Geld dafür. Ihre Tochter half ihr schon dabei, kleine Snacks herzustellen, die sie an Leute an der Straße verkaufte. So war sie in der Lage, selbst ihr Leben zu fristen und hatte es ihrer Tochter weitergegeben. Diese wird es ihren Kindern weitergeben usw., es ist exponentiell, was da passiert - eine wirklich wichtige nachhaltige Arbeit, die weit darüber hinaus geht, was die SOS Kinderdörfer selbst leisten: die Kinder aufzunehmen und ihnen ein Leben zu ermöglichen. Im Einzelfall unfassbar toll, aber nicht das, was echte Zukunftsarbeit ist. Zukunftsarbeit sind vor allem Berufsbildungs-Programme! Leider ist das den meisten Menschen nicht bekannt. 

Kommen Spenden auch wirklich da an, wo der Spender es erwartet?

Die Verteilung und der Umgang mit Geld sind bei den SOS Kinderdörfern sehr verantwortungsvoll geregelt. Das Geld fließt wirklich in eine sehr effektive Hilfe. Wir reden seit 2015 über Fluchtursachenbeseitigung: Hilfe für Nordafrika zum Beispiel, um Flüchtlingswellen zu unterbrechen. Wie macht man das? Das ist sehr schwierig. Es gibt Kräfte vor Ort, die sind oft korrupt, vor allem daran interessiert, Spendengelder für sich selbst einzusacken. Wie kommt man an denen vorbei, wie kann man etwas aufbauen, damit die Spendengelder wirklich bei den Bedürftigen ankommen? Das ist weltweit ein Riesenproblem, weil wir uns oft in Bereichen befinden, die nicht zivilisiert sind. Man muss damit leben, dass es in jedem Land neu organisiert werden muss. Aber ich kann aus eigener Anschauung sagen, dass es dann am Ende auch da ankommt, wo es hinsoll. Ich war in Äthiopien. Diese Reise war die erste, bei der ich versucht habe zu verstehen, wie das alles funktioniert, und ich weiß, dass die SOS Kinderdörfer mit ihren Organisationen zur Zivilisierung ganzer Ortschaften beitragen. Zum Beispiel mit einem Verein. Da wird einigen Kindern geholfen, da wird den Müttern geholfen. Die Frauen machen dann selbst auch Müttervereine auf, die zunächst von den SOS Kinderdörfern getragen werden und irgendwann losgelöst weiterarbeiten. So hat z.B. eine Frau vor 40 Jahren mit Hilfe der SOS Kinderdörfer einen Verein für Kleinkredite gegründet. Sie ist inzwischen Präsidentin des Vereins für Kleinkredit-Vereine als Dachorganisation. Es entstanden 75 Vereine, die Kleinkredite an Frauen vergeben haben. Diese Frauen schicken ihre Kinder zum Arzt in den SOS Kinderdörfern und gehen nicht mehr zum Geistheiler. In der dritten oder vierten Generation - das potenziert sich ja immer mit der Anzahl der Kinder – wurde ein ganzer Stadtteil zivilisiert durch das SOS Kinderdorf. Das heißt, dass da Verhältnisse eintreten, von denen man denkt, es ginge normal zu, was teilweise in etwa unseren Ansprüchen entspricht. Aber das kann nur funktionieren, wenn das Geld da ankommt, wo es hinsoll. Eine Arztstation muss z.B. bezahlt werden. Dann gibt es immer wieder einzelne Fälle, wo man an Medikamente nur über korrupte Kanäle herankommt. Das lässt sich leider nicht verhindern, und man muss sich eingestehen: Wir leben hier in einem politischen Raum und können nicht so tun, als würden die SOS Kinderdörfer nicht dazu gehören.

Woran erkennt man als Laie Organisationen, die verantwortungsvoll arbeiten?

Es gibt das DZI-Spendensiegel, welches Organisationen erhalten, die Mittel nach bestimmten Richtlinien korrekt einsetzen. Dieses Spendensiegel tragen die SOS Kinderdörfer auch. Aus den Verwaltungskosten werden Projekte weiterentwickelt, wie z.B. das Familienstärkungs-Programm. Ich möchte aber betonen, dass in den meisten Organisationen, die ich kenne, sehr verantwortungsvoll mit Spendengeldern umgegangen wird, das ist nicht ein SOS Kinderdorf Alleinstellungsmerkmal. Dafür bürgt das DZI-Spendensiegel. 

Du hast Malerei studiert. Wie kam es, dass du dann Wort-Künstler geworden bist?

Eigentlich aus Spaß, das haben wir so nebenbei gemacht. Erst zu sechst, dann zu viert, dann zu zweit und dann bin ich allein übriggeblieben. Am Ende war ich sehr überrascht, als mir das Finanzamt mitteilte, dass es sich um einen Beruf handelt, was ich da mache. So habe ich damit mein Geld verdient und auch weiter Kunst gemacht. Jetzt mache ich halt auch wieder öfter Museumsausstellungen und im Augenblick kippt meine Arbeit tatsächlich in die andere Richtung. Ich sehe das sehr gelassen, für mich ist das Teil meiner Arbeit und ich unterscheide das jetzt nicht so groß. Das ist Teil meiner Lebensform. 

Bei einer Benefizveranstaltung in Düsseldorf, zu der du gemeinsam mit den SOS-Kinderdörfern eingeladen hattest, wurden Bilder namhafter Künstler zugunsten der SOS Kinderdörfer versteigert. Von dir ist auch ein Bild dabei. 

Ja, am 9. Mai haben die SOS-Kinderdörfer weltweit in die Sammlung Philara in Düsseldorf eingeladen, um Kunstwerke von Günther Uecker, Julian Schnabel, Stephan Kaluza, Martin Klimas und mir zu versteigern. Alle Kunstwerke wurden gespendet, und die Versteigerung ist sehr gut gelaufen. Sie hat einen Erlös von 55.200 € für die Nothilfe der SOS-Kinderdörfer ergeben. 

Mit einem deiner Kunstkollegen arbeitest du schon länger zusammen und teilst auch ein Atelier mit ihm.

Ja, das ist Stephan Kaluza. Ich habe schon öfter mit ihm ausgestellt, und er hat auch ein Bild für die Versteigerung gestiftet. Er ist ein fantastischer fotorealistischer Maler, macht aber auch abstrakte Bilder. Für die Versteigerung hat er ein fotorealistisches Bild zur Verfügung gestellt. Und es war sehr schön, dass alle, bei denen ich angefragt hatte, auch gleich zugesagt haben. Auch meinen Galeristen Dirk Geuer habe ich gefragt, ob er bereit ist, etwas zu tun, und er hat vier Arbeiten zur Verfügung gestellt aus seinem eigenen Fundus sozusagen, was ich sehr generös finde. Auch die geladenen Gäste waren bereit, ihr Portemonnaie für die gute Sache aufzumachen, um die SOS Kinderdörfer zu unterstützen. 

Welches Projekt der SOS Kinderdörfer möchtest du im Besonderen unterstützen?

Die Projekte, die ich bisher besucht habe, sind mir eigentlich alle wert, weiter verfolgt zu werden. Auf jeden Fall möchte ich irgendwann gerne wieder nach Bolivien reisen und sehen, was aus der Sozial-Station geworden ist, die dem SOS Kinderdorf in El Alto, der zweitgrößten Stadt Boliviens, angeschlossen ist. Bei der Benefizversteigerung ging es um Äthiopien. Das war für mich der erste und wohl auch überraschendste Besuch, weil ich da erst richtig erkannt habe, wie SOS Arbeit als Multiplikator funktioniert. Und deshalb freue ich mich, dass wir den Erlös der Versteigerung nach Äthiopien geben können. Es ist immer einfacher über eine Arbeit zu reden, wenn man sich ein eigenes Bild gemacht hat und nicht darauf angewiesen ist, was einem gesagt wird. So konnte ich bei dem Event erzählen, wie es in Hawassa und einem weiteren Kinderdorf zugeht. Es ist mir immer eine Freude, wenn ich den Multiplikator für die Arbeit der SOS Kinderdörfer erweitern kann, indem ich erläutere, wie die Arbeit ganzheitlich funktioniert, dass es nicht nur um dieses Projekt geht, sondern gleichzeitig die Gesellschaftsstruktur verbessert werden kann. Insofern freue ich mich besonders, wenn ich durch meine Aktivitäten die Arbeit der SOS Kinderdörfer, die ich bereits kenne, unterstützen kann. Dort habe ich Einblick und bin sicher, dass die Hilfe ankommt und gut umgesetzt wird. 


Kurzvita

Dieter Nuhr ist multimedialer Künstler. Er ist im deutschsprachigen Kulturraum als Satiriker bekannt und Gastgeber eigener TV-Shows. Nuhr arbeitet aber genauso intensiv als bildender Künstler. Zahlreiche internationale Ausstellungen in Galerien und Museen zeugen davon, dass seine bildnerische Arbeit rasant an Bedeutung gewinnt. Nuhr hat Bildende Kunst an der ehemaligen Folkwangschule studiert. Seine Arbeiten verstehen sich als Dokumente eines lebenslangen Unterwegsseins. Das Material, aus dem er seine Bilder schafft, sind Fotodaten, die er auf Reisen aufnimmt. Er begreift das Unterwegssein als Lebensraumerkundung, war auf allen Kontinenten und in fast hundert Ländern. Seine Bilder sind keine dokumentarischen Touristenfotos, sie stellen keine Reize in den Vordergrund, sondern zeigen die dem Vergessen ausgelieferte Erinnerung, die sich in malerischen Bildern neu erfindet. Nuhr sieht sich nicht als Fotograf, sondern eher als Maler, der eine Kamera und digitale Daten nutzt. Seine Bilder sind malerisch in Komposition und Farbgebung, Bilder verschwindender Erinnerung. 


© Titelfoto: Michael Schwettmann für SOS


Susan Tuchel Miriam Koch anschnitt, , "Die Kulturlandschaft ist international"

"Die Kulturlandschaft ist international"

Interview mit Miriam Koch, Beigeordnete für Kultur und Integration Stadt Düsseldorf

von Dr. Susan Tuchel


Wie kommt man dazu wissenschaftliches Bibliothekswesen zu studieren und dann doch in die Politik zu gehen?

Eigentlich hatte ich mein Studium mit den Fächern Politik und Geschichte begonnen. Aber dann bin ich in ein Streiksemester geraten gegen die Einführung von Studiengebühren. Und bei einer Veranstaltung trat jemand von der Fachschaft Bibliothekswesen auf die Bühne, und das Berufsbild erschien mir auf einmal irgendwie klarer und zielorientierter. Ich habe das Studium mit Diplom durchgezogen und war ein Jahr lang Abteilungsleiterin Deutsche Forschungsberichte an der Universitätsbibliothek in Hannover. Aber eigentlich wusste ich vom ersten Tag an, das ist es nicht. Rückblickend hätte ich besser weiter Politik und Geschichte studiert.

Dafür sind Sie Politikerin - das werden nur wenige, die das Fach studiert haben. Warum wurden Sie eine Grüne?

Das Kernkraftwerk Grohnde war nicht weit weg von Hameln, wo ich aufgewachsen bin. Bis zum Atomkraftwerk sind es zehn Kilometer. Bei der Demonstration im März 1977, die als „Schlacht um Grohnde“ mit 15.000 Demonstranten und vielen Verletzten in die Protestgeschichte der Anti-Atomkraft-Bewegung einging, war ich zu jung. Aber bei der großen Friedensdemo in Bonn 1983 war ich dabei und stand in der Menschenkette. Grün war ich schon immer, und ich habe auch immer grün gewählt.

Und dort haben Sie dann auch schnell Karriere gemacht.

Ganz so schnell ging es nicht. Ich habe mir eine Familienauszeit genommen, habe zwei Töchter bekommen, die ich aktuell um ihre Studienzeit in Berlin und Hamburg ein bisschen beneide, und war ehrenamtlich in der Politik tätig. Dann habe ich mich in der Landtagsfraktion in Hannover um eine Stelle bei den Grünen beim Fraktionsvorsitzenden beworben und bekommen. Relativ schnell war ich dann Büroleiterin und habe als Referentin für Stefan Wenzel gearbeitet, der später niedersächsischer Umweltminister wurde und seit 2021 Mitglied des Bundestags ist. Obwohl er nur vier Jahre älter ist als ich, war er mein Mentor und Chef und hatte eine richtig gute Pressestelle.

Das heißt, Sie können auch selber Pressemitteilungen verfassen?

Ja, gar kein Problem. Mit Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kenne ich mich aus. Als ich 2010 nach Düsseldorf gekommen bin, habe ich mich um die Stelle als Fraktionsgeschäftsführerin der Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen beworben. Dort hätte ich eigentlich auch eine Pressemitteilung schreiben sollen, aber weil das Bewerbungsgespräch so gut lief, haben sie das glatt vergessen.

Was zog Sie nach Düsseldorf?

Wie sagt man so schön: Ich kam der Liebe wegen hierher. Zunächst habe ich auch nur in Düsseldorf gearbeitet, gewohnt habe ich in Neuss-Selikum. 2016 bin ich dann zusammen mit meiner jüngeren Tochter nach Düsseldorf-Bilk gezogen. Ich wohne sehr gerne hier.

Und wo gehen Sie am liebsten hin?

Das ist schwer zu beantworten, weil es so viele schöne Orte und so viele tolle Gastronomien gibt. Ich finde die Stadtstrände super und mein aktuelles Lieblingsrestaurant an der Rheinuferstraße ist das Robert mit dem Punkt hinter dem Namen. Aber auch die Bar im KIT besuche ich sehr gerne, wenn ich mir dort die Ausstellungen ansehe. Das ist ja das Schöne an meinem neuen Amt, dass ich als Beigeordnete für Kultur und Migration so viel mit Kunst machen „darf“.

Sie sind die Chefin von wie vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?

In meinem Dezernat arbeiten im Bereich Kultur circa 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im Bereich Migration und Integration rund 550.

Müssen Sie da wegen der Ukraine-Krise gerade wieder aufstocken und wie hoch sind die Budgets, die Sie zur Verfügung haben?

Der aktuelle Haushalt sieht für das Kulturamt und die großen Häuser 175 Millionen Euro vor, dem Amt für Integration stehen 125 Millionen zur Verfügung. Und in der Tat mussten wir auch mit einer Aufstockung der Mitarbeiter auf den Krieg in der Ukraine reagieren, um den Menschen schnell zu helfen.

Mit Flüchtlingswellen haben Sie viel Erfahrung. 2015 haben sie Ihnen ein Amt beschert, das es vorher noch nicht gab. Sie wurden die erste Flüchtlingsbeauftragte der Stadt Düsseldorf. Wie beurteilen Sie diese Zeit im Rückblick? Was lief gut, was weniger gut?

2015 war es tatsächlich ein Sprung ins kalte Wasser für mich, als Thomas Geisel mich fragte, ob ich das machen wolle. Mein erster Auftrag damals war, die Hotelunterbringungen zu beenden. Rückblickend würde ich sagen, wir haben kaum Fehler gemacht, wobei ich heute sagen würde, nie wieder Traglufthallen und auch keine Sommerzelte mehr für Geflüchtete. Seit 2015 hat sich für uns alle viel verändert. Für viele Düsseldorfer Bürger und auch für viele Angestellte der Stadt wurde Flucht erstmals erlebbar. Wir haben Menschen in Empfang genommen, die Wochen und zum Teil Monate unterwegs waren. Ein Mann war querschnittsgelähmt, den hatten die anderen die ganze Zeit getragen.

Und wie war die Situation, als am 24. Februar der Krieg in der Ukraine ausbrach?

Wir waren vor dem Krieg gut ausgelastet. Und die Zahlen von heute haben nichts mit den Zahlen von 2015 zu tun. 2015 ging es nicht so schnell. Der Zustrom war gesteuerter, und es war damals sehr schnell klar, dass die Menschen nicht mehr zurück in ihre Heimat können. Bei den ukrainischen Geflüchteten ist die Situation eine ganz andere. Sie haben direkt eine Aufenthaltserlaubnis und eine Arbeitserlaubnis. Die meisten wollen wieder zurück. Wir haben die Geflüchteten zuerst in Hotels und in Messehallen untergebracht. Das ist auf Dauer keine gute Lösung. Deswegen versuchen wir jetzt in Richtung Selbstversorgungseinheiten zu gehen und würden gerne ein Objekt kaufen.

Als ehemalige Leiterin des Amtes für Migration und Integration waren Sie nah dran am Schicksal vieler Menschen.

Definitiv. Wir sprechen immerhin von 160.000 Menschen ohne deutschen Pass und über 1.400 Obdachlose in der Stadt. Wir waren vorher auf einem guten Weg, uns um angemessene Unterkünfte für Obdachlose und Asylsuchende zu kümmern. Dann kam der Krieg und seitdem sind wir nur noch mit operativen Dingen beschäftigt.

Warum heißt das Dezernat, das Sie leiten, jetzt plötzlich Kultur und Integration? Haben Sie die Integration miteingeschleust? 

Nein, es ging darum, inhaltlich den nächsten Schritt zu machen, weil es bei Integration auch immer darum geht, die kulturelle Identität auszuhandeln. Die 160.000 Menschen ohne deutschen Pass kommen als Publikum im kulturellen Programm der Stadt noch nicht überall ausreichend vor. In Hamburg z.B. gibt es Theateraufführungen mit Obertiteln. Die Kulturlandschaft ist international. Wir sollten mehr an internationalen Veranstaltungen teilnehmen und den kulturellen Austausch mit unseren Städtepartnerschaften pflegen. 

Was steht auf Ihrer Agenda außer dem neuen Opernstandort?

Über einen Mangel an Baustellen kann ich nicht klagen. Neben der Oper steht das Fotoinstitut auf der Agenda, ein neuer Standort für die VHS, die Erweiterung des Tanzhauses NRW, der Umzug des Jungen Schauspiels ins Central und wir selber ziehen mit dem Dezernatsbüro vom Zollhof auf den Burgplatz.

Beim Thema Migration macht Ihnen so schnell keiner etwas vor, aber wie sieht es in der Kultur aus?

Natürlich kenne ich sämtliche Amts- und Institutsleitungen. Ich werde bei allen einen Arbeitstag verbringen, um die Häuser von oben bis unten kennenzulernen. Im Heinrich-Heine-Institut war ich schon. Und worauf ich mich auch schon sehr freue, ist, am 11. Juni den Kunstpreis der Künstler der Kunstausstellung „DIE GROSSE“ an die Düsseldorfer Malerin Norika Nienstedt im Kunstpalast zu überreichen. Der Kunstpalast war übrigens der allererste Kunstraum, den ich damals noch als Hamelnerin besucht habe. Bis heute gehören der Kunstpalast und der Ehrenhof zu meinen Lieblingsorten. 


Kurzvita

Miriam Koch wurde in Hameln geboren. Studiert hat sie wissenschaftliches Bibliothekswesen an der Fachhochschule Hannover. 2001 trat sie bei Bündnis 90/Die Grünen ein. 2004 wurde sie Büroleiterin des Fraktionsvorsitzenden der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Niedersächsischen Landtag. 2010 kam sie nach Düsseldorf und war bis 2015 Fraktionsgeschäftsführerin der Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. 2014 kandidierte sie als Oberbürgermeisterin. 2015 ernannte die Stadt sie zur ersten Flüchtlingsbeauftragten. 2018 wurde sie Leiterin des Amtes für Migration und Integration. Nach ihrer Wahl durch den Stadtrat und mit Amtseid am 2. Mai dieses Jahres startete ihre erste Arbeitswoche als neue Beigeordnete für Kultur und Integration. Miriam Koch lebt in Bilk.


© Fotos: Alexander Vejnovic


Foto Abschiedsgala, , 60 Jahre Komödie Düsseldorf

60 Jahre Komödie Düsseldorf

GROSSE GOODBYE STEINSTRASSE-ABSCHIEDSGALA 
am 1. Juli um 19.30 Uhr

Es ist so weit! Nach 60 Jahren verlässt die Komödie das Theater an der Steinstraße, um (vorerst) im Capi- tol Theater eine neue Heimat zu finden. Zum Abschied von der traditionsreichen Spielstätte findet eine große Abschiedsgala statt. Mit dabei sind zahlreiche der beliebten Schauspielerinnen und Schauspieler der Ko- mödie. Für den musikalischen Rahmen sorgt die Big- band „Das Ballroom Sündikat“. Durch den Abend führt der Zauberer und Moderator Charlie Martin.

Karten: Tel. 0211-13 65 13 33, karten@duesseldorf-komoedie.de oder im Webshop.


FUNDUS-FLOHMARKT

am 3. Juli von 11 bis 18 Uhr

„Nehmen Sie ein Stück Komödie mit nach Hause!“

Theaterchefin Verena Wüstkamp lädt ein: „Sie sind auf der Suche nach nicht alltäglichen Kostümen, Requisiten und Möbeln? Kommen Sie vorbei und sehen sich um! Vielleicht finden Sie ja das Passende. Oder wollen Sie einfach mal die Komödie „von der anderen Seite“ sehen? Vielleicht wollen Sie sich aber auch einfach nur mit Schauspielern und Mitarbeitern unterhalten? Am 3. Juli haben Sie die Gelegenheit dazu.“

Das Theatercafé hat geöffnet und bietet neben Kaffee und Kuchen die passende Gelegenheit für ein Schwätzchen.


SOMMERSPECIAL „TRATSCH IM TREPPEN- HAUS“ 
im Capitol Theater Düsseldorf

mit Heidi Mahler und Peter Millowitsch – vom 20. Juli bis 7. August

Wenn Heidi Mahler und Peter Millowitsch zum „Tratsch im Treppenhaus“ bitten, erlebt das Publikum gleich in mehrfacher Hinsicht einen besonderen Abend. Im Schwank von Jens Exler feiern nicht nur zwei der bekanntesten Volksschauspieler ein Wiedersehen auf der Bühne. Mit Mahlers und Millowitschs Interpretation der Kult-Komödie kommt das Ohnsorg-Theater nach Düsseldorf – und ist zugleich die erste Produktion im neuen Domizil der Komödie in der Steinstraße. In einem der erfolgreichsten Stücke auf deutschen Bühnen dreht sich alles um die Gerüchte, mit denen Klaschtante Meta Boldt (Heidi Mahler) Unruhe in der Hausgemeinschaft stiftet. Besonderen Ärger gibt es mit dem pensionierten Steuerins- pektor Ewald Brummer (Peter Millowitsch). Das Publikum darf sich auf allerlei launige Verwicklungen freuen, bis Meta Boldt endlich in ihre Schranken verwiesen wird.

Mahler und Millowitsch, beide Sprösslinge bedeutender Theater-Dynastien, sind seit Jahrzehnten freundschaftlich verbunden. Mit ihrer Darbietung als neugierige Unruhestifterin schlüpft Heidi Mahler in die Paraderolle ihrer Mutter, der berühmten Volksschauspielerin Heidi Kabel. Peter Millowitsch, Sohn von Willy Millowitsch, trat schon als Kind im bekannten Millowitsch-Theater in Köln.

Karten und Termine unter www.komoedie-steinstrasse.de oder www.capitol-theater.de


Nikko, , Die ideale Tagungslocation mitten in Little Tokyo

Die ideale Tagungslocation mitten in Little Tokyo

Hotel Nikko Düsseldorf

Endlich ist es wieder möglich! Menschen zu treffen, das Wetter zu genießen und wieder Geschäfte zu machen. Düsseldorf erblüht in diesen Tagen wieder. Während der viel zu langen Corona-Pause musste so mancher Kunde auf seine Veranstaltungen, Meetings und Incentives verzichten. Jetzt, mit dem Frühsommer kommt die ersehnte Möglichkeit endlich zurück. Gäste, Kunden und Partner können aufatmen.

Das Hotel Nikko Düsseldorf ist seit über 40 Jahren eine feste Größe für Tagungen, Seminare und Meetings aller Art.

Diskretion, Flexibilität und Freundlichkeit zeichnet das Team aus. Jeder Gast wird auf Augenhöhe beraten und wie ein alter Freund behandelt.

Deshalb ist derzeit auch ordentlich was los, denn die Kunden wissen, wo sie ihre Tagungen am besten durchführen können: Bis zu 350 Teilnehmer finden im Ballsaal Da Vinci Platz. Insgesamt verfügt das Nikko über 14 Veranstaltungsräume und ein klasse Bankett Team.

Moderne Tagungsräume

Die Tagungsräume sind hochmodern und mit dem sogenannten Xinc-System verbunden, so dass vor jedem Eingang ein Screen mit individuellen Vorlieben bespielt werden kann. Somit wird die Tagung professionell und übersichtlich angeteasert. Die eigentliche Tagungstechnik kann jenseits von Beamer, Leinwand Flipchart modular mit dem Technikpartner je nach Bedürfnissen erweitert werden.

Internationale Küche

Das Team um Küchenchef Marco Schmidt ist Garant für erstklassige Verpflegung. Die Kaffeepausen werden somit zur Gaumenfreude, die nur noch vom Lunch und nochmal vom Dinner getoppt werden. Kunden können ihre individuellen Vorlieben mit ihren Ansprechpartnern einfach absprechen. Als besonderes Erlebnis ist es natürlich auch möglich, authentisch-japanische Küche zum Meeting zu bestellen.

Japanisches Viertel

Ein großer Pluspunkt des Hotel Nikko ist die ausgezeichnete Lage inmitten von Little Tokyo. Die meisten Kunden buchen lieber diese Top-Lage als auf die umliegenden Locations auszuweichen, da hier die Tagungsgäste vor allem nach der Veranstaltung noch etwas erleben können; Um das Hotel herum erstreckt sich das kleine Tokyo, dass mit seinen zahlreichen Bars, Restaurants und Izakayas aufwartet. Viele Besucher Düsseldorfs kommen allein aus diesem Grund her und alle Tagungsgäste bekommen diese Erfahrung somit als Bonus obendrein. Hinzu kommt, dass die Königsallee und die Altstadt fußläufig erreichbar sind. Gerade in den Sommermonaten ist dies eine ausgezeichnete Abwechslung und ein echter Geheimtipp.

www.hotelnikkodusseldorf.de/tagungsanfrage

events@hotelnikkodusseldorf.de


Patrick Treutlein LOOXX Advertorial 01 scaled, , Glamourös, edel, majestätisch

Glamourös, edel, majestätisch

Vorankündigung 

Erster Molteni&C|Dada Flagship Store eröffnet in Düsseldorf!

Am 19.5. eröffnet die Molteni Group in Zusammenarbeit mit Patrick Treutlein den deutschlandweit ersten Molteni&C|Dada Flagship Store im Kö-Quartier nahe der Königsallee. Ein Highlight für alle Design-Fans! 

Molteni&C|Dada ist eine renommierte Möbel-Manufaktur im Premiumsegment mit langer Tradition und zeitloser Ästhetik aus Norditalien. Schon seit 1934 steht das Unternehmen für höchste Ansprüche und herausragende Qualität und überzeugt mit Design-Wundern wie dem Sessel D.154.5. Funktionalität, Ästhetik und Gemütlichkeit sind die Kernbegriffe, um die sich die Welt von Molteni&C|Dada dreht. Renommierte Designer wie Rodolfo Dordoni oder Vincent van Duysen machen die Marke Molteni&C|Dada zu einer Ikone des modernen Wohnens. Klassik und Tradition wird neu gedacht, sodass einzigartige Stücke entworfen werden, die in der Designerwelt hohe Anerkennung genießen. Das Ergebnis sind Kunstwerke, die Wohnen zu einem Erlebnis machen. 

Wer Patrick Treutlein kennt, der weiß, dass er selten zur Ruhe kommt, immer neue Ideen umsetzt und große Pläne schmiedet. Der Raumplaner, Innenarchitekt und Interior Designer hat bereits mehrere Stores eröffnet, darunter eine hauseigene Möbel-Manufaktur und seinen Flagship Store in der Grünstraße nahe der Königsallee mit zahlreichen Premium-Marken der Interior Welt. Seine herausragende planerische Kompetenz zeigt sich in seinem einzigartigen Einrichtungsstil, der durchweg von Charme, Eleganz, Geschmack und Persönlichkeit zeugt. Sein Schwerpunkt liegt auf den herausragenden Marken der italienischen Möbelkunst. 

Treutlein und sein Team laden Sie herzlich ein,
am 19.5. zur Eröffnungsfeier 
in die Breite Straße 22 zu kommen.

Molteni&C|Dada Flagship Store 
Breite Straße 22
40213 Düsseldorf

https://treutlein-flagshipstore.de/store-breite-strasse/moltenic-flagshipstore/

David Zuelow Hendrik Wuest scaled, , DIE FAMILIENUNTERNEHMER in NRW

DIE FAMILIENUNTERNEHMER in NRW

Austausch mit Ministerpräsident Hendrik Wüst, Thomas Kutschaty sowie Vertretern von FDP, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und CDU

Landesvorsitzender David Zülow: „Jetzt heißt es, die Aufgaben mit noch mehr Tempo anzugehen. NRW muss weiter durchstarten.

Am 6. April hatten die Familienunternehmer in NRW die Spitzenkandidaten von CDU und SPD zu Gast und diskutierten mit Vertretern von CDU, SPD, FDP und den Grünen, wie NRW angesichts steigender Herausforderungen nach der Wahl weiter durchstarten kann.

In seiner Eröffnungsrede warnte der Landesvorsitzende David Zülow: „Angesichts der aktuellen Herausforderungen stehen auch wirtschaftlich kerngesunde Unternehmen in NRW vor riesigen Aufgaben. Bei den jetzt notwendigen Entlastungen hat die aktuelle Landesregierung viel erreicht, aber nach der Wahl muss NRW weiter durchstarten.“

Der amtierende Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) warb in seiner Rede dafür, die besten Standortbedingungen in NRW zu schaffen. Bei den großen Herausforderungen der Zukunft, wie dem Klimaschutz oder der Künstlichen Intelligenz, gelte es eng mit den Unternehmen zusammenzuarbeiten. Thomas Kutschaty (SPD) betonte, dass er die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen und die berufliche Bildung durch weitere Staatsausgaben stärken wolle, während er keine Aussage zu präferierten Schulformen machte.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion forderte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Henning Höne, bei der Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen müsse ein Umdenken stattfinden. Die Landesregierung müsse den Kommunen die Kompatibilität von Schnittstellen für digitale Prozesse vorgeben. Es sei zu begrüßen, dass es in einigen Städten nun erstmals vollständig digitalisierte Bauanträge gebe. David Zülow betonte die Bedeutung der Familienunternehmer für die Region und machte deutlich, dass viele Unternehmer und ihre Mitarbeiter bei der Landtagswahl ihre Stimme der Partei mit der meisten Wirtschaftskompetenz geben werden.

DIE FAMILIENUNTERNEHMER folgen als die politische Interessenvertretung für mehr als 180.000 Familienunternehmer den Werten Freiheit, Eigentum, Wettbewerb und Verantwortung. Sie beschäftigen in allen Branchen über acht Millionen Mitarbeiter und erwirtschaften jährlich einen Umsatz in Höhe von 1.700 Milliarden Euro. Der Landesbereich Nordrhein-Westfalen reicht bis ins südwestliche Niedersachsen und unterteilt sich in zehn Regionalkreise. Landesvorsitzender ist David Zülow. Er ist Nachfolger im Familienunternehmen Zülow AG in zweiter Generation. Das Unternehmen mit Sitz in Neuss ist Dienstleister in allen Feldern der Elektroinstallation wie Gebäude-, Elektro-, Daten-, Kommunikations- und Sicherheitstechnik. 


Titelfoto: David Zülow, Landesvorsitzender von DIE FAMILIENUNTERNEHMER und der amtierende CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst
© Fotos: Detlef Ilgner. 


Paul Breuer Stephan Keller, , "Der Ausbau der digitalen Infrastruktur ist eines meiner zentralen Anliegen"

"Der Ausbau der digitalen Infrastruktur ist eines meiner zentralen Anliegen"

Interview mit Dr. Stephan Keller, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf

von Dr. Paul Breuer


Sind die Kölner wirklich „herzlicher“ als die Düsseldorfer? Eine gemeine Frage, ich weiß.

Das Zitat ist aus einem Zeitungs-interview, allerdings unvollständig wiedergegeben. Es hieß nämlich weiter: „Wenn man das kritisch sehen wollte, könnte man sagen: etwas distanzlos.“ Dem würde wohl niemand aus Düsseldorf widersprechen ... (schmunzelt)

Düsseldorf verzeichnet einen starken Zuwachs. Die Politik in den zehn Düsseldorfer Stadtbezirken kämpft seit Jahren um bezahlbaren Wohnraum. Das Handlungskonzept Wohnen (HKW) hat der Stadt einige Bauvorhaben vorgelegt. Was können wir für die nächsten Jahre erwarten?

Pro Jahr werden Bebauungspläne für ca. 3.000 bis 5.000 Wohnungen aufgestellt. Hierauf wird das HKW, nach dem insgesamt 40 Prozent der zu erstellenden Wohnungen als preisgedämpft und öffentlich gefördert zu realisieren sind, angewendet. Da sich an Bauleitplanverfahren Baugenehmigungsverfahren und das Bauen selbst anschließen, greift das HKW mit einer gewissen Verzögerung. Im Jahr 2021 wurden z.B. Landesförderungen von über 100 Millionen Euro für öffentlich geförderten Wohnungsbau abgerufen. Derzeit wird das Handlungskonzept Wohnen auf Antrag der regierenden Ratsfraktionen evaluiert. Die Kooperation mit der Wohnungswirtschaft und den Genossenschaften wurde im letzten Jahrintensiviert, um gemeinsame Zielebesser zu erreichen.

Welche Aufgaben soll die Städtische Wohnungsgesellschaft (SWD) dabei übernehmen?

Die SWD wird seit einigen Jahren konsequent gestärkt, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Dazu gehört es, dass städtische Grundstücke oder Areale in Verdichtungsbereichen in die Gesellschaft gelegt wurden, um auf diesen Grundstücken jenseits der hohen Bodenpreise bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Um den Anteil geförderter Wohnungen zu übernehmen oder als Partnerin mitzubauen, wird die SWD häufig einbezogen.

Freie Flächen sind nach wie vor Mangelware in Düsseldorf. Kann eine stärkere regionale Zusammenarbeit dazu beitragen, dieses Problem zu lösen?

In der Tat sind Freiflächen Mangelware in Düsseldorf, aber es werden immer wieder Flächen aus anderen Nutzungsbereichen in Richtung des Wohnens transformiert bzw. es finden sich neue Kombinationen von Wohnen und Arbeiten oder Gewerbe und Wohnen, Büro und Wohnen, sodass alle Potenziale einer verträglichen Weiterentwicklung und Nachverdichtung genutzt werden. Selbstverständlich hilft dabei auch eine intensive regionale Zusammenarbeit im Regionetzwerk, das gemeinsame Einspielen von eigenen Flächen, wie es zwischen Duisburg, Kreis Mettmann, Ratingen, Düsseldorf, Meerbusch und Krefeld erfolgreich der Fall ist. Düsseldorf wird sich auch weiter-hin für ausreichenden bezahlbaren Wohnraum und die notwendige Infrastruktur einsetzen.

Zur Lebensqualität Wohnen gehören u.a. auch Glasfaser- und 5G-Mobilfunktechnik und WLAN. Wie sehen hier die Basispläne für das moderne Düsseldorf aus?

Der Ausbau der digitalen Infrastruktur ist eines meiner zentralen Anliegen. Wir sind in Düsseldorf bei Festnetz und Mobilfunk aktuell gut aufgestellt, aber es gilt für die Zukunft vorzusorgen. Seit meinem Amtsantritt führe ich Gespräche mit den großen Netz-Anbietern und wir haben vereinbart, gemeinsam die Netze der Zukunft in Düsseldorf zu bauen. Ziel ist es, bis 2025 jedem Haushalt und Unternehmen einen Zugang zu einem gigabitfähigen Netz zu ermöglichen. Die umfassende Versorgung mit Glasfaseranschlüssen ist ein längerfristiges Ziel, wo wir in Deutschland insgesamt aufholen müssen. Glasfaserangebotegibt es bereits in allen Gewerbegebieten. Jetzt folgt der strukturierte Ausbau, also Haus für Haus, auch für Privatkunden. Auch als Stadt müssen wir uns dabei mehr einbringen. Aber Lebensqualität entsteht nicht allein durch die Infrastruktur. Richtigerlebbar wird sie über die Dienstleistungen, die über die Netze verfügbar werden. Die Stadt wird ihr Angebot an digitalen Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürgern aber auch für Unternehmen weiter ausbauen und qualitativ verbessern.

Was ist unter dem „Masterplannachhaltige Mobilität“ zu verstehen, und wodurch soll er zwischenzeitlich ersetzt worden sein? Was wurde bisher umgesetzt?

Die Umweltspuren wurden aufgehoben und Begleitmaßnahmen (Radweg Witzelstraße, umweltsensitive Steuerung) umgesetzt. Weitere Maßnahmen wie zum Beispiel P+R-Park-haus Südpark sind in der Planung. Der Mobilitätsplan D, der derzeit entwickelt wird, wird Leitlinien sowie messbare Ziele der Mobilitäts- und Verkehrsentwicklung in Düsseldorf bis zum Jahr 2030 festschreiben. Da-bei geht es darum, ein nachhaltiges Mobilitätskonzept für die Stadt zu entwickeln um Klimaschutzziele zu erreichen. Als Landeshauptstadt verfolgen wir das ganzheitliche Ziel, die Mobilität in unserer Stadt so attraktiv und nachhaltig wie möglich für alle zu gestalten – auch durch eine gute Vernetzung von verschiedenen Verkehrsarten des Umweltverbundes und dem Ausbau und der Optimierung der Infrastruktur. Dazu gehören die Mobilitätsstationen an Haltestellen in den Stadtteilen, die Erstellung eines Parkraummanagementkonzepts und die Errichtung von 300 Ladepunkten pro Jahr im Stadtgebiet. Alles ist bereits angeschoben.

Ohne Digitalisierung ist eine innovative Verkehrssteuerung und ein Verkehrsmix nicht vorstellbar, z.B. Ausbau des Schienennetzes und des ÖPNVs, U-Bahn-Linie 81, der Rhein-Ruhr-Express. Wo setzen Sie in der vorgesehenen Infrastruktur Ihre Prioritäten?

Der Ausbau des Schienennetzes und des ÖPNV ist eine zwingende Aufgabe. Wir werden die Themen daher weiterhin mit dem erforderlichen Nachdruck und zusammen mit unseren Partnern weiterverfolgen.

Es fehlen freie Parkplätze für Anwohner. Um die Innenstadt von PKWs von auswärtigen Besuchern zu entlasten, werden freie Parkplätze benötigt u.a. auch in Oberkassel. Könnte sich ein Ausbau der Tiefgarage z.B. neben der Jugendherberge/Düsseldorfer Straße nicht auch anbieten?

Nach meinem Verständnis gehört Oberkassel nicht mehr zur Innenstadt. (lacht) Aber im Ernst: In der Innenstadt haben wir viele Parkhäuser, in denen ausreichend Parkraum für auswärtige Besucher bereitsteht. Noch besser wäre es natürlich, wenn das Einpendeln nicht mit dem privaten Pkw erfolgen müsste. Wer zum Beispiel nicht nahe seines Wohnortes in den ÖPNV einsteigen kann, für den benötigen wir attraktive Park+Ride-Angebote in Düsseldorf und in der Region. Tatsächlich gibt es aber in weiten Teilen der Stadtbezirke 1 bis4 einen hohen Parkdruck, auch in Oberkassel. Meine Verwaltung und ich erarbeiten aktuell ein Parkraummanagementkonzept, mit dem wir das Parken im öffentlichen Raum neu ordnen und vorhandene (private) Parkplätze effektiver ausnutzen wollen. Dabei setze ich vor allem auf bereits bestehende Angebot ein Tiefgaragen oder auf Parkplatz-anlagen – und hier insbesondere auf Parkraum in und an gewerblich genutzten Gebäuden, wie zum Beispiel Supermärkten – die z.B. in den Abendstunden von Anwohnern genutzt werden könnten. Hier können wir, die Bereitschaft der Eigentümerinnen und Eigentümer vorausgesetzt, kurzfristig Entlastungen erzielen. Der Bau neuer oder der Ausbaubestehender Garagenanlagen hingegen ist bestenfalls mittelfristig zu realisieren. Im genannten Beispiel ist daher grundsätzlich denkbar, auch über Parkmöglichkeiten für die Anwohnerschaft in der bestehenden Tiefgarage zu sprechen.

Bessere Schulen und Kitas für Düsseldorf sind ein wichtiges Thema. Unterschiedliche Schulformen sollen erhalten und abgesichert werden. Dabei sind die Modernisierung (PCs, Tablets) und der technische Ausbau/die Sanierung nicht zu vergessen. Was konnte bisher umgesetzt werden?

Die Pandemie hat die Umsetzung von Projekten durch unvorhersehbare Materialknappheit und plötzlichen Fachkräftemangel bei den Auftragnehmern spürbar erschwert und auch verteuert. Durch entsprechende Fokussierung auf den Schulbau und die Digitalisierung konnten dennoch Meilensteine gesetzt werden: Im Rahmen der Düsseldorfer Schulbauoffensive werden derzeit34 Großprojekte mit einem Gesamtvolumen von knapp 700 Millionen Euro gleichzeitig umgesetzt. Weitere 19 Großprojekte befinden sich in der Planung. Trotz Pandemie wurden allein in den letzten beiden Jahren 11 Großbaustellen erfolgreich fertiggestellt und für die Schulen eröffnet. Bereits kurz vor der Pandemie wurde für die Digitalisierung der Schulen ein gesamtstädtischer Plan beschlossen. Mit dieser Vorarbeit konnten in der Pandemie die erhöhten IT-Bedarfe rasant realisiert werden. Beispielhaft wurde die Zahl der mobilen Geräte auf insgesamt 32.000 Stück verdreifacht.

Welche Betreuungsangebote zwischen der Kindertagespflege bis hin zur Kita sind realisiert bzw. noch vorgesehen?

Düsseldorf verfügt über ein sehr gutausgebautes Betreuungssystem für Kinder bis zum Schuleintritt. Jedes Jahr gehen neue Tageseinrichtungen für Kinder in Betrieb - in den letzten fünf Jahren waren es rund fünfzigneue Einrichtungen. Auch das Betreuungsangebot in der Kindertagespflege wurde stark ausgebaut. Derzeit haben wir für Kinder unterdrei Jahren eine Versorgungsquote von rund 51 Prozent und für Kinder ab 3 Jahren eine Versorgungsquote von rund 100 Prozent. Der Ausbau des Systems ist damit aber noch nicht abgeschlossen. Neben dem Neubau neuer Kitas, der planmäßig verläuft, ist es eine zunehmende Herausforderung, genügend Fachkräfte zu finden.

Wie sieht das mit dem kostenfreien schulischen Ganztag aus?

Düsseldorf hat einen sozial gestaffelten Beitrag inkl. einer Geschwisterkind-Regelung, nach der bei Eltern mit mehreren Kindern nur für ein Kind der Beitrag erhoben wird. Das führt dazu, dass rund 50 Prozent aller Eltern in Düsseldorf beitragsbefreit sind. Viele Eltern zahlen darüber hinaus einen reduzierten Beitrag. Inder Primarstufe stehen wir vor der Herausforderung, bis zum Schuljahr2026/27 einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz zu sichern. Dies führt zu einem hohen Finanzaufwand für den Betrieb, die Ausstattung und die baulichen Herausforderungen. Noch ist allerdings leider nicht bekannt, in welchem Umfang Düsseldorf Bundes- und Landeszuweisungen erhalten wird.

Die Deutsche Oper am Rhein ist für uns Düsseldorfer ein großes Anliegen. Ein modernes Opernhaus wäre für unsere Stadt eine besondere Attraktion, aber auch eine finanzielle Herausforderung. Wann soll die Entscheidung über den Bau an neuer Stätte erfolgen?

Mit dem Grundsatzbeschluss vom 16.12.2021 wurde zunächst der Neubau des Opernhauses beschlossen. Eine Entscheidung für einen neuen Standort und einen Neubau an alter Wirkungsstätte ist damit noch nicht erfolgt. Aktuell werden die Entscheidungsgrundlagen sowie der Verfahrensweg zur Standortentscheidung inklusive der Fortführung der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürgererarbeitet, die dem Rat am 7. Aprilvorgestellt werden sollen.

Das Deutsche Foto-Institut als nati-onales Kompetenz-Zentrum in Düsseldorf anzusiedeln, ist ein ehrgeiziges Anliegen. Wann fällt hier die Entscheidung?

Sowohl der Deutsche Bundestag als auch der Landtag NRW haben je 41,5 Millionen Euro zur Realisierung des Konzepts für ein Deutsches Fotoinstituts in Düsseldorf beschlossen. Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf hat sein Engagement für dieses Projekt über die Zurverfügungstellung eines Grundstücks im Ehrenhof bekräftigt. Alle wichtigen Voraussetzungen für ein Institut in Düsseldorf sind geschaffen. Zudem verfügen wir eindeutig über das bessere Konzept. Ich hoffe, dass die neue Staatsministerin für Kultur und Medien, Frau Roth, die nächsten Schritte bald einleitet.

Die Stadt Düsseldorf scheint die Corona-Krise bisher relativ erfolgreich organisiert und bewältigt zu haben. Aufgrund von Covid sind die finanziellen Folgen für Düsseldorf enorm. Wie hoch ist der städtische Haushalt 2021 negativ belastet? Welche Erwartungen an Einnahmen hat die Stadt Düsseldorf für das Haushaltsjahr 2022?

Nach aktuellen Erkenntnissen plant die Stadt Düsseldorf für das Jahr2021 Corona-bedingte Finanzschäden in Höhe von rd. 173 Millionen Euro über die Bilanzierungshilfe abzugrenzen. Sie resultieren im Wesentlichen aus geringeren Erwartungen beider Gewerbesteuer. Um insbesondere in dieser schwierigen Zeit wertvolle Impulse für die Konjunktur zu geben, wurden keine Projekte der Stadt Düsseldorf zurückgestellt. Der Haushaltsplan weist für 2022 Gesamterträge in Höhe von ca. 3 Milliarden Euro aus – das sind 160,7 Millionen Euro mehr als Jahr 2021.

Spitzensport in Düsseldorf: Borussia (Tischtennis), Fortuna (Fußball), DEG (Eishockey), Rochus Club (Tennis), Düsseldorfer Panther (American Football) und die SG Art Giants (Basketball) sind bekannte Vereinsnamen und Sportstätten. Welche Sport-Ziele hat sich unsere Stadt in Covid-Zeiten vorgenommen?

Die Sportstadt Düsseldorf wird nicht allein durch das Abschneiden der Profi- und Spitzensportvereine, sondern maßgeblich durch die vielfältigen Sport- und Bewegungsaktivitäten aller Bevölkerungsgruppen definiert. Wir haben in Düsseldorf sehr viel Spitzenvereinssport in der Breite. Düsseldorf war bei den Olympischen und Paralympischen Spielen 2020 in Tokio mit insgesamt 13 Sportler*innen in den Disziplinen Beachvolleyball, Fechten, Golf, Hockey, Judo, Rudern und Tischtennis so stark wie nie zuvor vertreten. Wir stehen eng an der Seite der Düsseldorfer Sportvereine. Die im ersten Lockdown entwickelten digitalen Formate zum Mitmachangebot Sport im Park unter dem Titel „Gemeinsam zu Hause trainieren“ haben sich bewährt und kamen im Frühjahr 2021 wieder zum Einsatz. Bis zum Saisonende Ende September haben über 17.000 Sportbegeisterte an 38 Kursen teilgenommen. Im Jugendsport wird Düsseldorf mit dem CHECK'D (Düsseldorf Modell der Bewegungs-, Sport- und Talentförderung) bundesweit beachtet. Der Ausbau der Sportinfrastruktur mit einem neuen Schwimmbad in Oberkassel/Heerdt und einer neuer Eisporthalle in Benrath geht dynamisch weiter.

Die fehlende Sicherheit scheint nach wie vor ein Thema zu bleiben und wurde von der regionalen Presse unmittelbar nach der letzten Silvesternacht kritisiert. War dieses Silvester wirklich ein Problem? 

Nein. Das Rheinufer in der Altstadt ist immer ein beliebter Treffpunkt für die Menschen. Auch an Silvester zog es zahlreiche Personen dorthin. Es gab daher eine Reihe von Personengruppen, die den Jahreswechsel auf den Straßen der Altstadt begangen haben, und die für sich genommen nicht gegen die Kontaktbeschränkungen der Landesregierung verstießen. Erst gegen Mitternacht suchten die unterschiedlichen Gruppen unabhängig voneinander den Burgplatz und das Rheinufer auf. Die Gruppen zerstreuten sich zu einem großen Teil bereits vor der behördlichen Räumung wieder. Eine Räumung wurde lediglich im Bereich der Freitreppe am Burgplatz kurz nach Mitternacht erforderlich. Durch das frühzeitige Einschreiten der Einsatzkräfte von Polizei und Ordnungsamt konnten Eskalationen vermieden werden.

Zum Schluss noch zwei persönliche Fragen: Einige Düsseldorfer mögen vielleicht die scheinbare Distanziertheit und Rationalität im Umgang mit Menschen auf Ihre bisherigen Aufgabenbereiche reduzieren. Man muss eben kein Menschenfänger sein, kann aber trotzdem positiv und offen seinen Bürgern sympathisch begegnen. Die Düsseldorfer haben dieses Verhalten gespürt und mit Ihrer Wahl deutlich bestätigt. Hat Sie die Höhe des Wahlsieges in der Rückschau nicht überrascht?

Ich hatte schon im Wahlkampf gespürt, dass ich mit den Themen, für die ich stehe – nämlich Sicherheit, Verkehrswende, Digitalisierung, Kinderbetreuung und Klima - und mit der Art, wie ich an die Dinge herangehe, offensichtlich einen Nerv getroffen habe. Insbesondere in den letzten zehn Wochen des Wahlkampfes habe ich bei unzähligen persönlichen Begegnungen zudem auch menschlich viel Zuspruch erfahren. Wie hoch die Zustimmung dann wirklich ist, das sieht man dann tatsächlich erst am Wahlabend.

Oberbürgermeisterin Reker in Köln hat ebenfalls die Wahl gewonnen. Als gewählter Oberbürgermeister Düsseldorfs wird man sich in der Metropolregion Rheinland nun auch auf Augenhöhe begegnen. Wird sich das in der Zusammenarbeit mit Köln bemerkbar machen?

Köln und Düsseldorf pflegen einen guten Austausch auf vielen Ebenen in unterschiedlichen Themenfeldern. Im engen Schulterschluss können die beiden Großstädte als wichtige Akteure Projekte der MRR stützen und zum Erfolg beitragen. Es ist unser gemeinsames Ziel, das Rheinland als Metropolregion von europäischer Bedeutung im Wettbewerb zu positionieren, als Wohn- und Wirtschaftsstandort noch attraktiver zu gestalten und die Wahrnehmung als Region nach innen und außen zu stärken. Diese Herausforderungen lassen sich eben nur gemeinsam lösen. Dazu gilt es, die vielfältigen Kräfte, Potentiale und Ressourcen zu bündeln. Erst die Verbindung zwischen den Städten und den ländlichen Regionen ergibt das volle Potential des Rheinlands.


Kurzvita

Stephan Keller wurde 1970 in Aachen geboren. Er wurde überraschend 2020 zum 15. Nach-kriegs-Oberbürgermeister von Düsseldorf gewählt. Davor war er Ordnungs- und Verkehrsdezernent u.a. mit Focus auf den Bau der Wehrhahn-Linie und des Kö-Bogen-Projektes in Düsseldorf. Er liebt das Radfahren, ist Hobby-Rennradfahrer. Nach dem Abitur wurde er Mitglied der Jungen Union. Es zog ihn nach Oberfranken – er studierte Jura in Bayreuth – und danach in die West Midlands zum Jurastudium in Birmingham (Großbritannien), 1996 Master of Laws(II.m.), zweites juristisches Staatsexamen 1999, Promotion. Dort lernte er auch seine Frau Uma kennen, die in Hilden geboren wurde, indische Wurzeln hat und Medizin studierte. Sie ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, beide sind verheiratet und haben drei Kinder. 2017 wechselte Stephan Keller von Düsseldorf nach Köln, um die Position des Stadtdirektors anzutreten. Erfolgreich führte er die Verwaltungsstrukturen effizient zusammen und konnte auch als stellvertretender Oberbürgermeister und oberster Corona-Krisenmanager überzeugen. Er wohnt ein Düsseldorf auch während seiner Kölner Zeit.