Jakutien

In Jakutien geboren ... in Düsseldorf zu Hause

"In Jakutien sind Mensch und Natur noch eins"


von Tatiana Schäfers

Meine erste Begegnung mit Düsseldorf liegt fast 9 Jahre zurück. Damals lief ich nach dem Abendessen mit meinem zukünftigen Mann durch die Stadt und habe ihn gefragt, ob wohl heute eine Ausgangssperre besteht. Mich haben die leeren Straßen gewundert. Inzwischen ärgere ich mich heute selber, wenn es nach 22 Uhr draußen laut wird. Und ich schätze es sehr, dass man hier das Stadtleben mit Gemütlichkeit und Sicherheit vereinbaren kann, sich zum Beispiel am Freitag Nachmittag durch die Menschenmenge an der Kö drängen muss, aber am Wochenende mit netten Nachbarn im Garten grillen kann.

Eltern von Tatiana SchäfersVielseitig muss es immer sein, das lebt mir auch meine Familie in Russland vor. Mein Vater ist Minister für Telekommunikation und IT in einer der entferntesten und gleichzeitig technologisch fortgeschrittenen Regionen Russlands. Dabei ist er ein leidenschaftlicher Jäger und Angler, hat eine eigene TV-Sendung und propagiert den nachhaltigen und respektvollen Umgang mit Natur und Umwelt.

In Jakutien sind Mensch und Natur noch eins. Schließlich ist es auch nicht so einfach, 3 Quadratkilometer pro Einwohner zu bewältigen. Bei den extremen Temperaturunterschieden zwischen +35 C und -72 C muss sich der Mensch anpassen. Meine Mutter ist Bildungswissenschaftlerin, Buchautorin und Englischlehrerin, die Ihre Leidenschaft zum Gärtnern seit Jahren nicht aufgeben will, und das bei den extrem kurzen Sommern. Sie hat mir die Liebe zum Sprachenlernen in die Wiege gelegt. Ich bin schon zweisprachig aufgewachsen und hatte auch in der Schulzeit sehr viel Interesse für Fremdsprachen. Durch viele Wettbewerbe - bei uns Olympiaden genannt - durfte ich jedes Jahr als Stipendium einen Englisch- oder Französischkurs im jeweiligen Land besuchen. Mir war schon früh klar: ich werde im Ausland studieren. Doch meine Eltern hielten es für sinnvoller, die beste Uni in Russland zu besuchen, als eine 08/15 Uni irgendwo in Oklahoma. Dafür bin ich meinen Eltern unendlich dankbar. Ansonsten bin ich sehr selbstständig aufgewachsen, schließlich hatten meine Eltern für Erziehung nicht viel Zeit. Die Bürger Russlands erlebten damals wegen der Perestroika sehr schwierige Zeiten.  

Ich war ein (Einkaufs-)Schlangenkind. Kaum zu glauben, aber dieses außergewöhnlich reiche Land war nicht in der Lage, genug Lebensmittel zu produzieren. Wir hatten Lebensmittelkarten: 2 Kilo Fleischprodukte im Monat pro Person, 200 Gramm Butter. Man musste sich für alles anstellen: 2 Liter Milch pro Person, 1 Liter Sauerrahm, 1 Fleischwurst, 2 Dosen Kondensmilch, 2 Tuben Shampoo. Ich habe damals auf meine Art sozusagen gedealt: In einer Schlage vor einem Geschäft stellte ich mich immer zu irgendeiner Frau, als wäre ich ihre Tochter. So haben wir für 2 Personen „abkassiert“. Die Frau behielt dann die Hälfte meines Anteils, und ich konnte mehr für meine Familie besorgen. Kassiererinnen konnten sich nicht jedes Kind merken.

Oder, wenn man sich ein Möbelstück kaufen wollte oder einfach neue Stiefel für den Winter, war es extrem schwer, überhaupt an irgend etwas zu kommen und wenn, dann war es extrem aufwändig. Man musste jeden Tag zu einem Aufruf erscheinen. Hatte man 3 Mal gefehlt, wurde man von der Liste der Anwärter wieder gestrichen. Es war klar, dass meine Eltern einfach mit Überleben beschäftigt waren.

Republik SachaRepublik Sacha (Jakutien)

Teil Russlands - von 1921 bis 1991 autonome Sowjetrepublik der Sowjetunion - ca. 3 Mio. Quadratkilometer, nur etwa eine Million Einwohner. Im 14. Jahrhundert wanderten die Jakuten aus dem südlichen Baikalgebiet ein. Im 17. Jahrhundert russische Einwanderung, Gründung der Hauptstadt Jakutsk am Lena Fluss. Sie ist nur mit einem Flugzeug zu erreichen.
Das Beste in Jakutien: die Natur, das Schlimmste: die Natur - bezogen auf Myriaden von Mücken in den Sommermonaten. Kälteste Stadt der Welt, Oimjakon, Temperaturen bis -68°C. Das Gebiet verfügt über reiche Bodenschätze an Kohle, Gold, Diamanten, Zinn, Glimmer, Steinsalz und Erdgas, die jedoch wenig erschlossen sind. Sein Anteil an der weltweiten Diamantenförderung liegt bei über 13%, wobei Jakuten seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion selbst das Recht besitzen, die Rohdiamanten zu verarbeiten.

Alles hat sich dann über Nacht gedreht. Plötzlich waren alle Waren verfügbar, meistens Billigware aus China. Aber niemand konnte sie sich leisten, die Währung war nichts mehr wert. Letztendlich hat Vaters kaufmännisches Geschick mir eine sehr gute Ausbildung ermöglicht. Dafür musste ich aber mit 17 Jahren das Elternhaus verlassen und in das 6000 km entfernte Moskau reisen, um im Moskauer Institut für Internationale Beziehungen zu studieren.

Nach 5 Jahren war ich Spezialistin für internationale Wirtschaft mit vertieften Fremdsprachenkenntnissen. Mein Schwerpunkt war Japanisch. So habe ich 5 Jahre lang diese Sprache studiert, eine Note „sehr gut“ bekommen, um dann leider ab 2001 kein japanisches Wort mehr zu brauchen. Ich hätte Chinesisch studieren sollen, dort war ich beruflich sehr viel unterwegs. Oder Deutsch. Stattdessen habe ich Japanisch, Englisch und Französisch gepaukt.

Doch die Erfahrung, eine neue Sprache zu erlernen, war Gold wert, als ich mich 2007 entschloss, nach Deutschland zu ziehen. Damals war ich Leiterin einer Firma mit mehreren Tausend Mitarbeitern, hatte gerade eine Wohnung in Moskau renoviert und meine erste Ehe beendet. Ich hatte wenig Lust auf etwas Neues. Aber dann habe ich durch einen Freund diesen Deutschen kennengelernt. Genauer gesagt, kannten wir uns schon seit 2 Jahren - rein freundschaftlich. 2006 hat es plötzlich gefunkt und 2007 hat mir die deutsche Ausländerbehörde eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Da habe ich alles stehen und liegen lassen und bin zu meiner großen Liebe nach Düsseldorf gezogen.

Hochzeit von Tatiana SchäfersZiemlich rechtzeitig kann ich heute sagen, da ich in diesem Jahr plötzlich sehr krank wurde und 3 Wochen mit unerklärlichen Blutwerten im Krankenhaus lag. Anfang 2008 mit 28 Jahren wurde bei mir Leukämie diagnostiziert. Darauf folgten Monate und Jahre, an die ich mich nicht sehr gut erinnern kann oder will. Mir war nur klar, dass es ein Gottessegen war, dass ich gerade in dieser Zeit in Deutschland lebte. Wäre ich in Moskau geblieben, würde ich wahrscheinlich diese Zeilen nicht mehr schreiben.

Wir haben trotz allem im Jahr 2008 geheiratet und hatten eine wunderschöne Hochzeit auf Schloss Hugenpoet in Essen. Heute bin ich in kompletter Remission und habe sogar einen Sohn geboren! In der Uni-Klinik Düsseldorf nennt man ihn „das erste Leukämie-Kind“ - Ärzte haben manchmal einen trockenen Humor, dafür leisten sie einen wundervollen Job. Ich bin froh, dass ich hier sein darf und kann mit voller Überzeugung sagen: Mein zweiter Geburtsort lautet: Düsseldorf.


Kurzvita

Tatiana SchäfersTatiana Schäfers wurde 1979 in Jakutsk, UdSSR, geboren. 1996 nach Moskau gezogen, bis 2001 Moskauer Staatliches Institut für internationale Beziehungen, bis 2007 Moskau, Marketingmanagerin und später Geschäftsführerin der Firma TBOE (erfolgreiche Young Fashion Marke in Russland mit ca. 700 Filialen), 2007 - 2012 zwischen Moskau und Düsseldorf als angestellte Handelsvertreterin, später selbstständige Betriebswirtin, 2012 Geburt Sohn Louis. Seit 2014 selbstständig mit Onlineshop für Arbeitsschutzartikel, Unterstützung von Startups im Fashionbereich, Muttersprachen: Russisch und Jakutisch sowie Deutsch, Englisch, Französisch und Japanisch.



Stephen Hubler

Resignation of US Consul General Stephen A. Hubler

Interview with US Consul General Stephen A. Hubler


von Dr. Paul Breuer

The time period of the US Consul General, Stephen A. Hubler ended May 7th, 2015 in Düsseldorf, the capital of Northrhine Westphalia. On this occasion the AmCham Committee of NRW organized an official farewell ceremony in the InterConti Hotel Düsseldorf. „It`s scarcely believable how fast three years of co-operation have passed“, said Dr. Schröder-Frerkes, Chairman of AmCham of NRW.

For his remarkable achievement during this period the Consul General was rewarded with the „Certificate of Merit“. At the same time he received the „Golden Cartwheel“ from the Düsseldorf committee for his outstanding achievements and his special kindness - a typical „Rhenish nature“.

This honor can by no means be taken for granted. By the way, it was the first time these award was given to an US Consul General in NRW. Your contribution to the German-American understanding was very important for the mutual trust especially in this difficult time between Germany and the USA because of the NSA telephone affair.

Your luggage is packed to start the new important duty as the US Senior Refugee Coordinator in Baghdad, Iraq. How hard is it for you to leave Düsseldorf?

First of all, let me thank the AmCham NRW for this great honor. It has been a pleasure working with the AmCham and all its members to strengthen German-American commercial ties. We hope for an eventual TTIP agreement that will bring us, on both sides of the Atlantic, more trade and investment, more jobs and greater innovation.
It is difficult to leave Düsseldorf and NRW. We have made many friends here and have enjoyed our nearly three-year stay. Düsseldorf is a wonderful place to live and work. But a diplomat’s life is marked by constant change, so we are prepared for the transition to the next challenge.

Will we see you in Düsseldorf in the foreseeable future?

I plan to return to Dusseldorf to visit my family during my holiday leave in the year I will spend in Baghdad. I look forward to enjoying an Altbier again sometime in the fall of this year.
It shouldn’t be surprising that the Düsseldorf community would like to accompany your diplomatic career. It would be very helpful if you sent us a small report from time to time about your new duties and how you are finding your way in this dangerous political area.

Can you imagine doing this?

Yes, I will be happy to send a short report on my activities in Baghdad and Iraq overall, especially the extent to which we coordinate with Germany in providing humanitarian assistance to Iraq displaced persons and refugees.

US Vice Consul Derek Kelly will be in charge until your successor, Michael Keller, will take over your Consul General position.
The DJournal and the many friends you have gained in NRW and I wish you all the best and luck in fulfilling your duties and tasks required by your country in this dangerous region of the world.
Good luck, take care an ‘Auf Wiedersehen’, dear Stephen Hubler.


Foto:
Dr. Norbert Vogelpoth (Aufsichtsratsvorsitzender PwC), Dr. Jürgen Schröder (Director McKinsey & Company), Steven A. Hubler (US Generalkonsul), Dr. Alexander Schröder-Frerkes (Chairman AmCham Chapter NRW), Olaf Gillert (Partner Taylor Wessing), Frank Sportolari (President UPS Germany), Werner L. Kanthak (AmCham Representative NRW)



Roger Klüh und Christian Theisen

„Speedboot fahre ich schon seit 30 Jahren“

Interview mit Roger Klüh, Unternehmer und Sportler


von Christian Theisen

Das Tauwetter zwischen den USA und Kuba hat Ihr Projekt nun tatsächlich doch noch möglich gemacht. Wie lange arbeiten Sie schon daran?

Den Sport des Speedbootfahrens betreibe ich seit 30 Jahren. Mein Boot, Apache Star, kenne ich auch schon lange. Damals hieß es noch Apache Heritage, hatte an den Weltmeisterschaften 1992 und 1993 teilgenommen und jeweils den Titel geholt. Schon damals besaß es die Nummer 50. Später übernahm der Schauspieler Don Johnson, der ebenfalls viele Jahre Speedboot gefahren ist, die Nummer 50.
Als ich dann Anfang 2012 die Chance bekam, den Rumpf dieses geschichtsträchtigen Bootes zu kaufen, schlug ich natürlich sofort zu. Eine Werft in Miami hat es dann 2 Jahre lang nach meinen Plänen um- und ausgebaut. Es hat wieder die Nummer 50, die ich über mein Team erhalten habe, das damals auch mit Don Johnson gefahren ist.
Neben den technischen Vorbereitungen mussten wir auch rechtliche Hürden nehmen: Über Anwälte in Madrid habe ich Kontakt zu Anwälten in Kuba, die mit den dortigen Behörden alles abstimmen. Alleine an dem Konzept haben wir 7 Monate gearbeitet. Man hat unsere Idee sehr gut aufgenommen und unterstützt. Auf amerikanischer Seite mussten wir natürlich die Überfahrtsgenehmigung beantragen. Eigentlich sollte dann schon letztes Jahr die Fahrt nach Kuba stattfinden, aber wir bekamen aus Washington aufgrund des Embargos eine Absage. Die Idee wurde zunächst auf Eis gelegt.
Als dann Präsident Obama überraschend im Dezember 2014 die Annäherung an Kuba bekannt gab, habe ich sofort alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das Projekt dieses Jahr abzuschließen. Der Antrag wird gerade in Washington bearbeitet. Ich hoffe, dass ich Ende Juni grünes Licht habe. Der Start ist für den 1. August 2015 festgelegt.

Erzählen Sie uns kurz, warum genau diese Strecke? Um welchen Rekord geht es?

Grundsätzlich ist der Speedbootsport natürlich stark amerikanisch geprägt. Die Weltmeisterschaften finden offshore jedes Jahr bei Key West statt.Für die Apache Star wollte ich aber nicht an einer Weltmeisterschaft teilnehmen, sondern suchte nach einer besonderen Herausforderung. Was liegt da näher als die berühmten „90 Miles to Cuba". Die Strecke, die ich fahren werde, ist allerdings sogar länger als 100 Seemeilen - ungefähr 200 Kilometer.Seit J.F. Kennedy am 7. Februar 1962 das Embargo gegen Kuba verhängt hat, wurde diese Strecke nie wieder offiziell befahren. Es gibt einen Rekord aus dem Jahr 1959, mit dem ich mich fairnesshalber nicht messen möchte, denn heute haben wir viel besseres Equipment. Ich werde vielmehr den ersten Rekord aufstellen, der ein Grundstein für zukünftige Events sein soll.Es wäre schön, wenn wir in der Folge Strukturen schaffen könnten, damit andere meinen Rekord brechen können.An Ihrem 50. Geburtstag dieses Jahr werden Sie aber keinen Alkohol trinken können.

War das Timing Zufall oder geplant? Feiern Sie dann auf Kuba?

Das ist eigentlich Zufall. Einerseits wussten wir, dass wir einen gewissen Vorlauf benötigen, um alle Genehmigungen einzuholen. Alleine Washington hatte uns 3 Monate warten lassen. Der nächste passende Termin war dann das erste Augustwochenende. Das fällt mit dem offiziellen Sommeranfang in Kuba zusammen, an dem die Bevölkerung frei hat. Die Organisation der Feierlichkeiten, die auf kubanischer Seite geplant sind, benötigt ebenfalls Zeit.Glauben Sie mir, an meinem 50. Geburtstag, das ist der Tag vor der Überfahrt, werde ich mich vollkommen auf dieses Rennen fokussieren. Den Geburtstag blende ich da aus. Wenn ich dann in Kuba angekommen bin, werde ich feiern. Meine Familie wird auch da sein.Dass das Boot die Nummer 50 hat und ich gerade 50 werde, ist schon ein interessanter Zufall und in meinen Augen auch ein gutes Omen. Vielleicht hat es deshalb letztes Jahr nicht geklappt.

Die Überfahrt ist nicht ohne Gefahren? Wovor haben Sie am meisten Respekt?

Respekt ist das richtige Wort. Leider beginnt im August die Hurricane Saison und die Gegend gilt als haiverseucht. Angst habe ich aber nicht.Wer Angst hat, begeht Fehler. Man benötigt vielmehr eine gewisse Sensibilität für die Einschätzung der Risiken. Immerhin handelt es sich um den gefährlichsten Rennsport der Welt. Leider verunglücken jedes Jahr dabei immer wieder Sportler. Ich kann auf 30 Jahre Erfahrung zurückgreifen. Darauf baue ich.

Wie haben die Menschen in den USA und in Kuba auf Ihre Idee reagiert?

In den USA hat man uns ja erst einmal aus politischen Gründen Steine in den Weg gelegt. Das ist schade.Dafür wurden wir auf Kuba mit offenen Armen empfangen und man war von Anfang an begeistert.Der „Hemingway International Yacht Club of Cuba“ unterstützt uns in jeder Hinsicht und richtet eigens dafür einen Sportevent aus, in dessen Rahmen die Überfahrt dann stattfindet. Ich werde nach Ankunft in Kuba mit dem Boot eine Fahrt entlang der Promenade machen, denn die Kubaner sind sportbegeistert. Zudem ist ein Rahmenprogramm mit Wasserakrobaten geplant. Wie ich die Kubaner kenne, wird es ein tolles Fest. Der Präsident des Yachtclubs, Comodoro Jose Miguel Diaz Escrich, wird uns offiziell empfangen und wahrscheinlich ist auch der deutsche Botschafter anwesend. Ich möchte gerne meinen Teil zur Völkerverständigung beitragen.

Bei all dem internationalen Trubel sind Sie Düsseldorf treu geblieben. Was liegt Ihnen an Düsseldorf?

Heimat ist Heimat. Meine Familie ist in Düsseldorf. Natürlich auch meine Arbeit. Und immerhin habe ich viele Jahre hier für die DEG Eishockey gespielt.Düsseldorf ist für mich die schönste Stadt, die es gibt. Ich habe zwar wegen des Projektes einige Jahre in den USA gelebt, aber Düsseldorf ist und bleibt meine Heimat. Außerdem hat meine Freundin Coco letztes Jahr das Restaurant „Coco & Clay“ in Kaiserswerth eröffnet. Insofern ist dies hier unser zu Hause und unser Lebensmittelpunkt. Wir leben gerne hier.

Ein paar Worte zur aktuellen Situation der DEG?

In der Tat habe ich mich seit meiner Rückkehr nach Düsseldorf im Jahr 2014 viel mit der DEG befasst. Immerhin ist das der Lebensmittelpunkt meiner Jugend und später als Spieler gewesen. Ich stehe inzwischen eng mit den Gesellschaftern der DEG in Kontakt und habe meine Unterstützung angeboten.Düsseldorf war immer eine Eishockeyhochburg, und wir müssen wieder ein entsprechendes Umfeld schaffen, damit das Publikum und die Fans zur DEG zurückfinden.Das hängt meines Erachtens auch nicht mit dem viel gescholtenen ISS-Dome zusammen. Überall in der Welt und auch in Deutschland spielen Vereine erfolgreich in Mehrzweckarenen. Daran kann es also nicht liegen. Der persönliche Bezug der Fans zu den Menschen hinter dem Verein, die aber auch nach außen sichtbar sind, wurde vielleicht unterschätzt. Das war früher immer eine Stärke der DEG. Und das verbinden sicherlich viele mit der Brehmstraße.Es geht aber eher um Persönlichkeiten, als um Gebäude. Wir müssen auf allen Ebenen einen Entwicklungsprozess anstoßen, damit Eishockey wieder den Stellenwert in Düsseldorf bekommt, den es verdient.Das wird Zeit kosten. Und das ist auch erst einmal unabhängig von sportlichen Erfolgen. Wie gesagt, ich hoffe, dass ich meinen Beitrag dazu leisten kann. das liegt mir am Herzen.

Sie setzen eine Idee, die Sie sich einmal in den Kopf gesetzt haben, auch um. Was sind ihre nächsten Ziele?

Zuerst einmal will ich meine Rekordfahrt nach Kuba verwirklichen. Wenn alles glatt läuft, ist das Ziel am 1. August erreicht. Wenn doch noch etwas dazwischen kommen sollte, werde ich solange nicht ruhen, bis es geschafft ist. Vorher lasse ich von meiner Idee nicht ab.Und erst dann kümmere ich um neue Projekte. Denn sonst wäre ich nicht mit ganzem Herzen dabei.


Kurzvita

Roger KlühRoger Klüh wurde 1965 in Hilden geboren. 1972-1987 Eishockey-Spieler, Deutscher Meister mit den DEG Junioren, 3 Jahre Profispieler (Verteidiger), verletzungsbedingt (schwere Knieverletzung) Spengler-Cup in Davos Karriere beendet. Als Profi: 8 Tore/ 38 Assists/ 186 Strafminuten
2 Kinder: Anthony 21 Jahre / Jeffrey 15 Jahre, seit 7 Jahren mit Coco Turkie liiert, Studium der Betriebswirtschaft (Heine Universität Düsseldorf), Geschäftsführer der Firma Klüh Beteiligungs GmbH, Beirat der Klüh Stiftung.


Fotos: Tim Neiser, 
Regisseur des Imagefilms zur Speedboot-Rekordfahrt: Tim Neiser Production, Düsseldorf


Susanne Tuchel und Marianne Rogee

„Ich bin hartnäckig und sehr neugierig“

Interview mit der Schauspielerin Marianne Rogée


von Dr. Susan Tuchel

Sie sollen mit der Schauspielerin Louise Rogée verwandt sein, die Theodor Fontane in seinem autobiographischen Roman „Meine Kinderjahre“ aus dem Jahr 1893 erwähnt. Wissen Sie genaueres über diese Blutsbande+

Ja, es gibt eine der Familie Rogée, die diese Verwandtschaft bestätigt. Das ist für jemanden wie mich, der bei einer Pflegefamilie in bildungsfernen, ärmlichsten Verhältnissen groß wurde - es gab vier katholische Gesangbücher -, eine Information von geradezu unschätzbarem Wert. Wissen Sie, ich war Linkshänderin, rothaarig, hatte einen französischen Namen und war unehelich geboren worden – in allem eine Außenseiterin. Rückblickend kann ich nur von großem Glück sagen, dass niemand während der NS-Diktatur herausgefunden hat, dass meine Großmutter väterlicherseits Jüdin war.

Und wie schafften Sie den Absprung?

Als 15-Jährige habe ich auf der Freilichtbühne Coesfeld-Flamschen Theater gespielt. Ein Sänger der Oper Stuttgart gab mir die Adresse der Westfälischen Schule für Musik, die ich dann heimlich besuchte. Mit 18 Jahren bin ich dann von Coesfeld nach Münster gezogen. Mein größter Wunsch war zu dem Zeitpunkt aber gar nicht die Schauspielerei. Viel lieber hätte ich Abitur gemacht und Archäologie oder Jura studiert, um Strafverteidigerin zu werden. Letzteres kam nicht von ungefähr, denn mein zehn Jahre älterer Pflegebruder geriet öfter mit der Justiz in Konflikt. Bei den Verhandlungen hatte ich den Eindruck, dass mein Pflegebruder und die Herren bei Gericht verschiedene Sprachen redeten. „Ganz unten“ wird anders gesprochen und verstanden.

Sie standen in den 50er- und 60er-Jahren auf der Bühne. Was wurde vor einem halben Jahrhundert gespielt?

Zu der Zeit war der Spielplan genauso gemischt wie heute. Ich spielte viel Tennessee Williams, John Osborne, John Steinbeck und Jean Anouilh - Stücke, die zu der Zeit aktuell waren. Von 1961 bis 1973 war ich im Ensemble des Theaters am Dom in Köln, das sehr berühmt und für seine Experimente bekannt war. Wir waren übrigens das einzige Theater, das trotz Mauerbaus noch Brecht spielte.

Sie spielten klassisches und modernes Theater in München, Stuttgart und in Frankfurt am Main, mussten also immer wieder den Umzugswagen ordern.

Ja, das stimmt, ich habe in Frankfurt, in Stuttgart und fünf Jahre in München gewohnt. Aber immer wieder habe ich mich gefreut, vor der Einfahrt in den Bahnhof den Kölner Dom zu sehen. Ein Auto habe ich übrigens nicht, ich erledige alle Fahrten mit Bus und Bahn. Das hat auch was damit zu tun, dass ich die Leute sehr gerne beobachte. Ich bin so neugierig, dass ich sogar versuche, ihre Gespräche mitzuhören. Wenn ich Zeit habe, fahre ich auch bis zur Endstation mit.

Sie sind politisch als SPD-Mitglied engagiert, setzen sich für Equal Pay ein und sind Feministin. Mit Karin Dor waren Sie auf insgesamt drei Deutschlandtourneen mit Esther Vilars „Der dressierte Mann“ in der Theateradaption von John von Düffel. Ihre Ehe mit einem Griechen ist unter anderem nicht zuletzt daran gescheitert, dass Sie seine Hemden nicht mehr bügeln wollten...

Meiner Liebe zu Griechenland hat das keinen Abbruch getan. Ich liebe das Land und die Griechen, halte diese ganze Debatte über den Grexit für völlig falsch. Das Geld ging ja nicht ans griechische Volk. Bei ARTE gibt es eine Reportage zu diesem Thema, die jeder sehen sollte, bevor er sich ein Urteil bildet. Ich lerne aktuell sogar Neugriechisch, um mit den Griechen in ihrer Sprache sprechen zu können.

Sie leben in Köln mit Ihrem Partner. Was mögen Sie an Düsseldorf?

Düsseldorf ist eine faszinierende Stadt mit einer wunderbaren Architektur. Den Medienhafen finde ich einfach wunderschön. Da ich Mode liebe, bin ich natürlich auch gerne in Düsseldorf und starre den elegant gekleideten Frauen hinterher.

Ihre privaten Vorlieben?

Ich laufe gerne stundenlang durch fremde Städte und lese sehr viel. Zu meinen Lieblingsautoren zählen unter anderem amerikanische Schriftsteller wie Philip Roth. Und dann liebe ich Bücher, bei denen man etwas lernen kann wie bei dem Roman „Das Tiefland“ der amerikanischen Autorin Jhumpa Lahiri mit indischen Wurzeln, der gerade auf meinem Nachttisch liegt.

Sie waren vor 26 Jahren beim Premierenstück in „Ausgerechnet Hamlet“ im Theater an der Kö dabei. Woher kennen Sie René Heinersdorff? Bei wie vielen Stücken waren Sie in Düsseldorf mit von der Partie?

René Heinersdorff kenne ich zu meiner Freude schon sehr lange und habe in seinem Theater schon in sechs Stücken mitgespielt und würde das auch gerne in den nächsten Jahren noch tun. Als Schauspieler zwingt einen ja niemand, in Rente zu gehen, und ich liebe meinen Beruf immer noch sehr.


Kurzvita

Marianne RogeeAufgewachsen ist Marianne Rogée bei Pflegeeltern im münsterländischen Coesfeld. Mit 16 Jahren besuchte sie die Westfälische Schule für Musik in Münster und wurde Schauspielerin. Bekannt wurde Rogée mit der ARD-Serie Lindenstraße, in der sie von 1986 bis 2009 die Rolle der Isolde Pavarotti spielte. Für den WDR arbeitete sie viele Jahre als Hörspielsprecherin. 12 Jahre war sie Ensemble-Mitglied des Theaters am Dom in Köln. Sie hatte Engagements in München, Stuttgart sowie Frankfurt und gastierte mit Chansons und Gedichtabenden auf Galas und an vielen Theatern. In diesem Frühjahr stand sie mit Jochen Busse und Jeannine Burch in dem Stück „Fremde Verwandte“ auf der Bühne im Theater an der Kö.



Siegmar Rothstein und Günther Beelitz

„Das Theater ist in einem sich ständig erweiternden Prozess, und wir haben den Auftrag zur Bewahrung und zur Neufindung“

Interview mit Günther Beelitz, Generalintendant Düsseldorfer Schauspielhaus


von Dr. Siegmar Rothstein

Sie waren bereits 10 Jahre lang Intendant am Düsseldorfer Schauspielhaus. 2014 wurden Sie als Krisenmanager wieder nach Düsseldorf gerufen. Hatten Sie Bedenken, die offenbar sehr schwierige Aufgabe am Düsseldorfer Schauspielhaus zu übernehmen? Was hat Sie letztlich dazu bewogen?

Ich habe ganz besondere Beziehungen zu Düsseldorf und vor allem zum Düsseldorfer Schauspielhaus. Es war mir eine Pflicht, dem Haus in der schweren Zeit mit aller Erfahrung, die ich in meinen verschiedenen Intendanzen sammeln konnte, beizustehen. Als ich dann mit dem Kaufmännischen Geschäftsführer Alexander von Maravic auch ein starkes administratives Team zusammenstellen konnte, war mir schnell klar, dass ich diese Herausforderung annehmen musste. Ich bereue das nicht.

Unter Ihrer ersten Intendanz war das Düsseldorfer Schauspielhaus in der Spielzeit 1982/1983 „Theater des Jahres“ und erhielt 12 Einladungen zum Berliner Theatertreffen, 500.000 Besucher wurden gezählt. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass Düsseldorf zurzeit offenbar wenig Begeisterung für das Schauspielhaus aufbringt? Wird vielleicht nicht mehr für das Publikum gespielt oder sind die Düsseldorfer schwieriger geworden?

Wir spielen für das Publikum – sowohl am Gustaf-Gründgens-Platz wie auch im Jungen Schauspielhaus in der Münsterstraße, und zwar wieder täglich. Das ist das erste, was hier wieder eingeführt wurde. Theater muss spielen, spielen, spielen Wir sind vor einem Jahr angetreten, die Grundlagen für ein gutes Theater  zu schaffen: Zunächst galt es, das Haus aus der desaströsen finanziellen Lage herauszubringen, sprich das Haus zu konsolidieren. Das haben wir mit großer Unterstützung von Stadt und Land und der Akzeptanz aller Mitarbeiter geschafft. Das Haus steht wieder auf gesunden Füßen, und alleine das ist ein großer schöner Erfolg. Wenn Sie von den 80er-Jahren sprechen, die das Düsseldorfer Schauspielhaus auch international so bedeutend machten, so sprechen Sie vom vergangenen Jahrhundert im vergangenen Jahrtausend. Das war eine gute Zeit für das Theater im Allgemeinen und für das Düsseldorfer Schauspielhaus im Besonderen. Und ich blicke auf diese Zeit mit Freude zurück. Aber: Das Theater muss sich immer wieder neu beweisen und zwar allabendlich. Natürlich ist das Düsseldorfer Publikum ein spezielles Publikum, das auch schon sehr viele großartige, hochkarätig besetzte Aufführungen gesehen hat. Viele davon, das ist richtig, wurden zu Festivals eingeladen, und da knüpfen wir an: Gerade war das Düsseldorfer Schauspielhaus mit der Uraufführung von Anne Leppers „La Chemise Lacoste“ zum „Radikal Jung Festival“ nach München eingeladen. Das Drama „Mord“ von Hanoch Levin erhielt eine Einladung zu einem großen israelischen Theaterfestival in Tel Aviv. Das ist ein gutes Zeichen. Darüber freue ich mich sehr.

Glauben Sie, wie zu hören ist, dass Theater nicht mehr wichtig genommen wird? Kann das Theater die Bürger heute nicht mehr erreichen? Das Theater ist doch unser Spiegel.

Das sehe ich gar nicht so: Das Theater wird wahrgenommen – aber anders als vor dreißig Jahren. Die Faszination für die Bühne, für das Theater ist geblieben. Das Theater ist aber nicht mehr nur Spiegel der Gesellschaft, wie Sie es so treffend formulieren, sondern es ist auch aufgerufen, Visionen zu entwickeln, sich zu öffnen für den Diskurs. Allerdings speist sich das Theater heute aus anderen Quellen, als das Theater der Nachkriegszeit und das Theater der 60er- bis 80er-Jahre. Diese Zeit trug den Willen zur Aufarbeitung und zur Neuerung, zur Stilfindung in sich. Daraus resultierte die Dekonstruktion. Das Düsseldorfer Schauspielhaus wird Zeit brauchen, sein neues künstlerisches Profil für das 21 Jahrhundert zu finden.

Es wird gelegentlich behauptet, das Theater verletze nicht selten Tabus und habe eine übertriebene Tendenz, Gewalt, Geschmackloses und Sexuelles darzustellen, was nicht wenige vom Besuch abhalte? Sehen Sie auch diese Tendenz? In Düsseldorf wurde „Macbeth“ als großes Theater gefeiert, ein nicht geringer Teil des Publikums sah sich aber nicht in der Lage, die Aufführung bis zum Ende „auszuhalten“.

Es ist doch immer die Frage: Steht die künstlerische Arbeit für das gegebene Thema. Jürgen Gosch hatte mit seinem großartigen „Macbeth“ eine Tragödie der „schwarzen Wünsche“ inszeniert. Er ließ uns in Abgründe schauen, aber nicht, um einen Skandal um des Skandals willen zu provozieren, sondern weil die Absichten der Figuren in dem Stück skandalös sind – der Blick in den von Ihnen angeführten Spiegel ist manchmal nicht leicht. Dennoch: Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, schrieb Ingeborg Bachmann. Und um Wahrheit sollte es - bei allem Willen zur Illusion - immer gehen.

Man hört, beim Berliner Theatertreffen habe eine Kritiker-Jury erklärt, klassische Bühnentexte und arrivierte Regisseure hätten ausgedient, stattdessen immer mehr Uraufführungen, Film- und Romanadoptionen und eigentlich unspielbare Textgebirge. Trifft diese Darstellung zu, wird damit eine Theaterkrise beschrieben, werden die Zuschauer in der Tat durch Textgebirge vom Besuch ferngehalten? Für den Spielplan des Düsseldorfer Schauspielhauses trifft das nach Ihrer Ansicht sicher nicht zu.

Das Theater ist derzeit noch geprägt von der Postmoderne und dem Dekonstruktivismus. Aber es gibt auch wieder Autoren, die Geschichten durcherzählen. Unser Spielplan ist ein Bekenntnis zum Geschichtenerzählen. Die Interpretationen sogenannter klassischer Stoffe durch die Regisseure, mit denen das Düsseldorfer Schauspielhaus arbeitet, zeigen, dass weder die Regisseure noch diese Stoffe ausgedient haben. Das Theater sollte seine Tradition und die Geschichte nicht leugnen. Das Theater ist in einem sich ständig erweiternden Prozess, und wir haben den Auftrag zur Bewahrung und zur Neufindung.

Sie fanden bei Ihrem Dienstantritt 2014 - wie Sie sagten - geradezu „ätzende“ Arbeitsbedingungen vor. Sie wollten viel ändern, ein größeres Ensemble schaffen, so dass möglichst wenig Gäste verpflichtet werden müssen - also zurück zum Ensemble Theater, aber auch den Jahresspielplan als buntes Zeitungsmagazin verbreiten und atmosphärische Verbesserungen erreichen. Haben Sie Ihre Pläne verwirklichen oder wenigstens auf den Weg bringen können?

Ja. Das Glück des Hauses ruht auf den Schultern des Ensembles, das wir wieder auf vierzig Schauspieler und Schauspielerinnen aufgestockt haben. Das ist nicht nur künstlerisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Sie dürfen nicht vergessen, dass das Düsseldorfer Schauspielhaus binnen kurzem mehrere Intendantenwechsel zu verkraften hatte. Das erzeugt naturgemäß nicht die beste innerbetriebliche Atmosphäre. Und natürlich sind die Sparmaßnahmen, die wir zur Konsolidierung des Hauses gewährleisten müssen, ohne dabei die künstlerische Qualität einzuschränken, nicht im Interesse des Einzelnen. Da braucht es noch Überzeugungsarbeit. Aber das Team hat sich zusammengefunden, die Wege im Haus sind kürzer geworden, und das Düsseldorfer Schauspielhaus blickt optimistisch auf die kommende Spielzeit.

Sind in der Zukunft weitere Änderungen erforderlich? Sind Sie optimistisch, dass es dem Schauspielhaus gelingt, wieder Vertrauen zu gewinnen?

Der nächste wesentliche Schritt ist die Grundsanierung des Hauses. Es ist da in den vergangen Jahren – aus welchen Gründen auch immer – wenig geschehen. Und das muss jetzt gemacht werden. Nach über 64 Jahren seit dem Bau des Hauses sind die Rohrleitungssysteme, Lüftungsanlage, Elektroleitungen und Installationen absolut erneuerungsbedürftig. Dazu kommen die Schäden, die der Sturm im vergangen Jahr angerichtet hat, der Bau der neuen Tiefgarage im Zuge des Kö-Bogens II und die Neugestaltung des gesamten Vorplatzes. Das heißt für uns, dass wir nach Silvester ab dem 1. Januar 2016 bis zum Ende der Spielzeit die Spielstätte am Gustaf-Gründgens-Platz verlassen und in das Central am Hauptbahnhof ziehen. Dort eröffnen wir mit dem in Düsseldorf nur zu selten gespielten Groß-Dramatiker Bertolt Brecht. Unser Spielzeitmotto „brecht auf“ ist also im zweifachen Sinne zu verstehen: Wir brechen auf in eine neue Spielzeit - und wir brechen ab Januar mit Brecht auf in eine neue, spannende Spielstätte mit einer großzügigen gläsernen Foyer-Brücke, die sich über die ganze Straße spannt. Hier heißt es sehen und gesehen werden. Ein großer Vorteil sind hier die erstklassigen Anbindungen an den Nahverkehr und guten Parkier Möglichkeiten. Zentraler geht’s nicht.

Man erfährt wenig vom Inneren des Schauspielhauses. Sollte man nicht mehr in die Öffentlichkeit gehen, dass also über die Medien das Schauspielhaus zum Stadtgespräch wird?

Das Schauspielhaus sollte durch seine künstlerische Leistung im Gespräch sein, nicht durch Klatsch und Tratsch. Wir sind täglich in den Printmedien vertreten. 26 Premieren haben wir bisher auf den Bühnen gezeigt. Das ist eine Menge Holz. Aber natürlich öffnet sich das Theater. Unsere Schauspieler geben Workshops, es gibt sehr gute theaterpädagogische partizipative Projekte und wir pflegen den Kontakt mit dem Publikum und dem Freundeskreis des Düsseldorfer Schauspielhauses. Vertrauen neu aufzubauen, braucht Zeit - aber es gelingt.

Ihre erste Spielzeit trug noch die Handschrift Ihres Vorgängers. Welche Akzente setzen Sie in Ihrer zweiten Spielzeit? Vielleicht mehr politisches Theater?

Der Spielplan 2015/2016 entsprang aus unserem gesellschaftspolitischen Umfeld und unserem Dügida-Abwehrmotto: Humanität, Respekt, Vielfalt. Die jüngsten bedenklichen Entwicklungen in Deutschland veranlassten uns, einen ausschließlich deutschsprachigen Spielplan zu gestalten, der danach fragt, ob „Faust“ noch als Vorbild taugt und der sich 70 Jahre nach der Befreiung von Ausschwitz mit dem SS-Kriegsverbrecher Klaus Barbie beschäftigt.
Ferdinand von Schirach hat sein erstes Theaterstück geschrieben. Sein Gerichtsdrama „Terror“ beschäftigt sich mit der Unantastbarkeit der menschlichen Würde und offenen Rechtsfragen. Nicole Heesters wird die Staatsanwältin spielen und Wolfgang Reinbacher spielt den vorsitzenden Richter, das freut uns sehr. Das ist ein politischer Spielplan, ein kritischer Spielplan, der bereichert wird durch Unterhaltung, die nach der Haltung fragt. Die drei jüdischen Mitglieder der „Comedian Harmonists“ erhielten in den dreißiger Jahren Berufsverbot. Vor 80 Jahren genau löste sich dieses einzigartige Vokalensemble auf. „Die Verwandlung“ von Franz Kafka wird in einer Bühnenfassung von Alexander Müller-Elmau gezeigt, der soeben gerade sehr erfolgreich „März, ein Künstlerleben“ für uns bearbeitet und inszeniert hat.
Ganz besonders freue ich mich auf die Ko-Operation mit dem Theater Mühlheim an der Ruhr. Roberto Ciulli wird das expressionistische Meisterwerk „Die Wupper“ von Else Lasker-Schüler inszenieren mit Schauspielern seines Ensembles und mit Schauspielern des Düsseldorfer Schauspielhauses. Die Premiere findet hier in Düsseldorf statt, wo er vor fast vierzig Jahren wirkte. Da schließen sich einige Kreise, denn auch Volker Hesse wird hier wieder inszenieren und zwar „Leben des Galilei“ des Aufklärers Bertolt Brecht. Der Dramatiker Brecht war übrigens auch ein hervorragender Komödienschreiber. „Die Kleinbürgerhochzeit“ ist ganz im Stile Karl Valentins geschrieben mit einer großen Lust an der Groteske – und immer klug. So wie auch die Komödie von Carl Zuckmayer „Der Hauptmann von Köpenick“ eine kluge Komödie ist, die den blinden Gehorsam aufs Korn nimmt. Zum Abschluss der Spielzeit werde ich Max Frischs Komödie „Biografie: Ein Spiel“ inszenieren. Da wird die Frage gestellt, ob man sein Leben noch einmal genau so leben würde, wenn man die Gelegenheit dazu erhält, oder ob man es ändern wollte oder könnte. Das Stück gehört auch zu den klugen Komödien.

Das heißt, Sie hoffen auf eine weitere positive Entwicklung des Düsseldorfer Schauspielhauses?

Christa Wolf hat einmal gesagt: „Wenn wir zu hoffen aufhören, kommt was wir befürchten bestimmt“. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.


Kurzvita

Günther BeelitzGünther Beelitz wurde 1938 in Berlin geboren, schloss er nach dem Abitur zunächst eine Lehre als Buchhändler und Verlagskaufmann ab, studierte dann an der Philipps Universität Marburg und der Universität Wien Theaterwissenschaften, Germanistik und Kunstgeschichte.
1969 kam Günther Beelitz als persönlicher Referent von Karl-Heinz Stroux zum ersten Mal nach Düsseldorf. Von 1971 an war er 35 Jahre ununterbrochen Intendant, zunächst am Staatstheater Darmstadt, danach am Düsseldorfer Schauspielhaus (1976 bis 1986), am Bayrischen Staatsschauspiel München, am Deutschen Nationaltheater Weimar und am Theater Heidelberg. Ab 2005 arbeitete er als freier Regisseur, unter anderem in Dortmund, Köln und Düsseldorf und im Rahmen internationaler UNESCO Projekte in Manila, Madrid und Shanghai. Seit 1.3.2014 ist er als Generalintendant für zwei Jahre an das Düsseldorfer Schauspielhaus zurückgekehrt. Günther Beelitz lebt seit längerem wieder in Düsseldorf.



Susan Tuchel und Anja Steinbeck

„Eingefahrene Strukturen und Denkmuster verhindern die Chancengleichheit“

Interview mit Prof. Dr. Anja Steinbeck, Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf


von Dr. Susan Tuchel

Sie haben eine Bilderbuchkarriere hingelegt: Mit 26 Jahren waren Sie promovierte Volljuristin, mit 32 Jahren habilitiert. Sie sind verheiratet und haben zwei Söhne. Seit dem 1. November 2014 sind Sie als Rektorin der Heinrich-Heine-Universität für über 30.000 Studierende zuständig. Sie sind die oberste Dienstherrin von 2.000 Lehrenden und 900 Mitarbeitern. Wie kamen Sie zu diesem Amt und was reizte Sie an dieser Aufgabe?

Die Initialzündung war - wie wohl bei vielen Führungskräften in diesem Land – der Anruf eines Personaldienstleisters. Eigentlich spielte ich gerade mit dem Gedanken, wieder zurück in die Forschung zu gehen. Aber da das Amt der Prorektorin in Köln mir bereits viel Freude machte, nahm ich die Herausforderung an.

Aktuell gibt es in der deutschen Hochschullandschaft 65 Rektorinnen beziehungsweise Präsidentinnen. Das macht bei 388 Hochschulen eine Frauenquote von knapp 17 Prozent. Zum Vergleich: Die Frauenquote in den Aufsichtsräten der DAX 30-Unternehmen liegt derzeit bei 23 Prozent. Sie setzen jedoch statt auf Gleichstellung auf Chancengerechtigkeit. Möchten Sie damit das Ende der Genderdebatte einläuten?

Mir geht es vor allem um Diversität und generelle Chancengerechtigkeit. Da ist das Geschlecht zwar ein wichtiger Aspekt, aber eben nicht der einzige. Auch Diskriminierungen aufgrund von Kriterien wie ethnischer Herkunft oder einer Behinderung müssen vermieden werden. Wir alle haben immer noch zu schnell die berühmte Schere im Kopf, wenn es gilt, eingefahrene Strukturen und Denkmuster zu überdenken.

Sie haben die Universität in ihrem 50. Jubiläumsjahr übernommen, standen im schwarzen Talar ganz oben auf dem Mottowagen der Heinrich-Heine-Universität und riefen „Helau“ statt „Alaaf“. Werden die Düsseldorfer Sie auch beim nächsten Rosenmontagszug wiedersehen?

Leider nicht. Dafür ist das Ganze einfach zu teuer. Wir hatten das Glück, dass die Stadtsparkasse uns im Jubiläumsjahr gesponsert hat. Der Initiator der Uni-Wagen-Idee war übrigens Prof. Dr. Ulrich von Alemann. Aber ich war sofort Feuer und Flamme.

Nicht nur die Universität, auch die Gesellschaft von Freunden und Förderern der Universität ist in die Stadt gekommen und ins Haus der Universität am Schadowplatz gezogen. Das ehemalige Bankhaus, das die Stiftung van Meeteren der Universität überlassen hat, bietet mittlerweile ein beeindruckendes Programm - vom Düsseldorfer Science Slam bis zum Aktionstag „Organtransplantation“. Wie wird dies von den Bürgern angenommen?

Die Zahlen sind beeindruckend. Im letzten Jahr haben dort insgesamt 651 Veranstaltungen stattgefunden mit knapp 27.000 Besuchern. Zu den Veranstaltern zählen die Robert-Schumann-Hochschule und das Institut für Internationale Kommunikation. Im April fand das Startup Weekend Düsseldorf dort statt. Good to know: Auch externe Veranstalter können die Räumlichkeiten mieten.

Alle Welt fragt Sie, was die Universität für die Stadt tun könnte. Was würden Sie sich eigentlich von der Stadt und ihren Bürgern für die Universität wünschen?

Interesse für das, woran hier geforscht und was hier gelehrt wird und dass die Öffentlichkeit wahrnimmt, dass die Ausgründungen dem Wirtschaftsstandort Düsseldorf nutzen. Und dann gibt es auch noch das Programm „Chancen nutzen. Das Deutschlandstipendium an der HHU“, das ich den Bürgern ganz besonders ans Herz legen möchte. Für 1.800 Euro im Jahr – der Bund gibt die gleiche Summe dazu – können Stifter einen Studierenden unterstützen, der dann im Monat 300 Euro erhält. Solche Studentenpatenschaften können sehr persönlich sein und auch durch gemeinsame kulturelle Veranstaltungen wie zum Beispiel Opernbesuche intensiviert werden. Manche Stifter unterstützen zehn bis 15 Studenten. Selbstverständlich kann man als Stifter auch anonym bleiben. Aktuell haben wir 266 Stipendiaten. Ich würde mich freuen, wenn wir in diesem Jahr die 300er-Marke nehmen würden.

Immer wieder sieht man Sie zusammen mit dem Namensgeber der Universität auf Fotos abgebildet. Lesen Sie Heine oder stehen beispielsweise auch die Bände von Ferdinand Schirach in Ihrem Bücherregal?

Die stehen tatsächlich alle bei mir. Ich bin absoluter Schirach-Fan. Ansonsten lese ich sehr gerne Hermann Hesse, aber auch die Romane von Dieter Wellershoff und Judith Hermann sowie Biographien und Krimis.

Sie leben in Ratingen, ein Umzug nach Oberkassel ist geplant. Haben Sie schon jetzt Lieblingsplätze in Düsseldorf?

Da mein Mann als Anwalt in Düsseldorf tätig ist, treffen wir uns abends oft im Hafen oder in der Altstadt. Aber auch in‘s Metropol in der Brunnenstraße gehen wir gerne zusammen.

Wenn Ihnen Ihr strikt getakteter Terminkalender einmal Zeit für sich lässt, was macht Anja Steinbeck dann am liebsten?

Wandern, Joggen, Radfahren, Tennis spielen, Ski fahren und vor allem gut essen gehen.


Kurzvita

Anja SteinbeckAnja Steinbeck stammt aus Wiesbaden und studierte Jura in Mainz und Genf. 1992 wurde sie an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz promoviert. Sie habilitierte in den Fächern Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie deutsches und europäisches Wirtschaftsrecht. 2001 erhielt Steinbeck eine Professur in Köln und war von 2004 bis 2014 Richterin im Nebenamt am Oberlandesgericht Köln. Von 2011 bis Oktober 2014 war sie Prorektorin der Universität zu Köln. Im November 2014 wurde Steinbeck die erste Rektorin in der 50-jährigen Geschichte der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.



Martin Schläpfer und Susan Tuchel

„Als Künstler muss ich unruhig bleiben“

Interview mit Martin Schläpfer, Direktor und Chefchoreograph des Balletts am Rhein


von Dr. Susan Tuchel

Man liest über Sie, dass Sie ursprünglich Biobauer werden wollten. Gegensätzlicher könnten Berufswünsche kaum sein: von der Hände Arbeit zu der Füße Tanz.

Das stimmt auch nur zum Teil, denn auf die Idee Biobauer zu werden, bin ich erst mit 27 Jahren gekommen und habe sie dann auch nicht weiter verfolgt, denn zu dieser Zeit tanzte ich beim Stadttheater in Basel. Und auch das mit der Herkunft aus einer Appenzeller Bauernfamilie, die durch das Netz und die Presse geistert, stimmt nur insofern, als mein Großvater Bauer war. Mein Vater war Stahlhändler, meine Brüder sind Herzchirurg und Psychoanalytiker.

Also kein besonders kunstaffines Elternhaus?

Nein, eher ein politisches und naturverbundenes Haus. Aber ich hatte schon als kleiner Junge den Traum, Klavier zu spielen. Stattdessen bekam ich mit sieben Jahren eine Geige zu Weihnachten geschenkt, auf der ich dann vier Jahre mehr schlecht als recht spielte.

Und wie entdeckten Sie den Tanz für sich?

Über den Eiskunstlauf. Beim Eisschaulauf wurde ich mit 15 Jahren von der Ballettmeisterin Marianne Fuchs entdeckt - also ein verhältnismäßig später Einstieg für den Balletttanz.

Was ist denn das ideale Einstiegsalter? Es gehört ja heute schon fast zum guten Ton, Mädchen im Grundschulalter auf eine Ballettschule zu schicken.

Das ideale Einstiegsalter liegt bei zehn bis elf Jahren. Früher halte ich das entwicklungsphysiologisch für nicht geboten und wie Sie an mir sehen können, ist auch ein Einstieg mit 15 Jahren noch gut möglich.

Ihre Karriere als Balletttänzer war kometenhaft. Im Basler Ballett von Heinz Spoerli waren Sie Erster Solist, also das Pendant zur Primaballerina. Sie tanzten in Kanada, in New York und Paris. Wie kamen Sie zur Choreographie?

Dazu kam ich mehr oder weniger automatisch, als ich 1994 Ballettdirektor am Stadttheater Bern wurde. In dieser Funktion muss man einfach Spielzeiten programmieren. Beseelt war ich von der Idee, den Spitzentanz weiterzuentwickeln und ihn neu in der neoklassischen Tanzkunst zu positionieren.

Ihnen ist schon jetzt ein Platz auf dem Olymp der zeitgenössischen Choreografen gesichert. Andererseits heißt es, dass Sie sich als künstlerisch heimatlos empfinden und nach wie vor auf der Suche nach einer Ästhetik für das 21. Jahrhundert sind.

Heimatlos würde ich nicht sagen. Als Künstler ist man per se ein ruheloses Wesen und muss unruhig bleiben. Deshalb kann man einfach nie angekommen sein, sondern ist immer auf der Suche – in meinem Fall auf der Suche nach neuen tänzerischen Ausdrucksformen, nach neuen Formen des Umgangs mit der klassischen Musik, die immer noch 60 Prozent meiner Inszenierungen ausmacht. Dazu lese ich alles, was ich über die Zeit der Komponisten in Erfahrung bringen kann. Denn ich muss etwas mit Mozart oder Brahms tun, dafür muss ich mich in den Geist der Epoche einfühlen.

Aktuell wird in Düsseldorf das Programm b.23 gespielt, Premiere war im März. Sie eröffneten das Programm mit Ihrer Choreographie zu Mozarts g-Moll-Sinfonie KV 550. Es folgten eine Uraufführung mit dem Musikensemble Flamencos en route und Brahms‘ Violinkonzert Rättika in der Choreographie von Mats Ek. Die Ballettinszenierungen mit dem kleinen b und einer fortlaufenden Zahl sind Ihr Markenzeichen und zugleich Publikumsmagnet. Bei den Düsseldorfern sind Sie also in jeder Hinsicht angekommen. 2013 lehnten Sie ein Angebot des Berliner Staatsballetts ab und 2014 wurden Sie von center-tv in der Rubrik „Kultur“ zum „Düsseldorfer des Jahres“ gekürt. Sind Sie schon Wahl-Düsseldorfer?

Ich habe fast immer am Rhein gewohnt, in Basel und in Mainz. Der Rhein ist für mich ebenso Heimat wie die Schweizer Berge. Ich fühle mich in Düsseldorf auf jeden Fall schon viel heimischer. Ich mag den Hafen und bin gerne zu Hause in meinem Garten, das ist mein persönlicher Schutzraum. Die Entscheidung, in Düsseldorf zu bleiben, war auch mit dem Neubau des Balletthauses am Steinberg verbunden, das im August fertig werden soll. Dort haben wir dann fünf statt der bisherigen drei Ballettstudios und Ruheräume für die Tänzer.

Wie sieht die Kompanie aktuell aus, mit der Sie umziehen?

Wie schon in den Tanzschulen, haben auch wir einen Frauenüberschuss. Insgesamt besteht unsere Kompanie aus 46 Tänzerinnen und Tänzern, die zwischen 21 und 46 Jahre alt sind.

Was bedeutet der Tanz für Ihr Leben?

Er ist für mich die conditio humana. Tanz ist für mich das, was wir teilen können, um das Leben auszuhalten. Der Tanz gibt Freude und Energie und kann viel auslösen, wenn man den Kopf ausschaltet. Das gilt sowohl für die Tänzer als auch für das Publikum.


Kurzvita

Martin SchläpferSein Talent als Tänzer wurde entdeckt, als Martin Schläpfer 15 Jahre alt war. Eine Frau holte ihn an ihre Ballettschule in St. Gallen. Ein Studium an der Royal Ballet School in London folgte. Mit 18 Jahren gewann Martin Schläpfer beim Prix de Lausanne seine erste Auszeichnung. Heinz Spoerli engagierte ihn am Basler Ballett. Eine Spielzeit tanzte Schläpfer beim Royal Winnipeg Ballet in Kanada. 1994 wurde er Direktor des Berner Balletts. Von 1999 bis 2009 leitete er das ballettmainz. Seit der Spielzeit 2009/10 ist Schläpfer Direktor und Chefchoreograph des Balletts am Rhein Düsseldorf Duisburg. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Kunstpreis des Landes Rheinland-Pfalz (2002), den Tanzpreis der Spoerli Foundation (2003), den Prix Benois de la Danse (2006), zwei Mal den Theaterpreis Faust in der Kategorie Choreografie: 2009 für das Ballett Sinfonien zur Musik von Wilhelm Killmayer und 2012 für das Ballett „Ein Deutsches Requiem“ zur Musik von Johannes Brahms, außerdem den Schweizer Tanzpreis (2013) und den „Taglioni“ – European Ballet Award in der Kategorie „Best Director“ (2014).



Spohr Dr Affekat em Zuppejröns

Buchtipp: Heinrich Spohr: „Dr Affekat em Zuppejröns“

Begriffe der Düsseldorfer Mundart - Bedeutung und Herkunft


Jede Sprache lebt durch ihre Begriffe und aus ihren Sprachbildern, die in typische Wendungen einfließen. Das macht ihren unverwechselbaren Charakter aus.

Die Mundart des Düsseldorfer Rheinisch weist eine Fülle von Sprachbildern und bedeutungsintensiven Begriffen auf, die in die Hochsprache eingeflossen und dort gebräuchlich geworden sind - mit denen die Mundart die Hochsprache also bereichert hat. Zu den wohl bekanntesten Ausdrücke gehören Jedöns, Fisternölles, Visematente, Röggelches oder Zuppejröns.

Doch was bedeuten diese Begriffe? Woher stammen sie? Welches ist ihr Sinngehalt? In welchem Zusammenhang werden sie angewendet?

Langwierige Recherchen, zahlreiche Gespräche in den Düsseldorfer Ortsteilen und Städten um Düsseldorf und viele Anregungen aus der Leserschaft des Autors haben die Herkunft und den Sinngehalt der Begriffe aufgehellt.

In der Sammlung „Dr Affekat em Zuppejröns“ finden sich diese Begriffe und Ausdrücke. Aber sie stehen in dieser Sammlung nicht losgelöst, sind vielmehr eingebettet in ihre sprachliche Anwendung und eingeordnet in den eigenen Sinnzusammenhang.

Mit Charme und Witz hat der Autor den Bedeutungs- und Herkunftsrahmen bekannter Wörter und Ausdrücke der Düsseldorfer Mundart unter die Lupe genommen und dabei Verbindungen aufgezeigt, die selbst alteingesessene Düsseldorfer zum Staunen bringen.

Der weite Bogen der Bedeutung reicht vom Althochdeutschen, Altfranzösischen, Jiddischen, Niederdeutschen bis ins Heute. Die sprachlichen Zusammenhänge werden an der Etymologie der Begriffe evident. Das macht die Mundart so interessant und lebendig - zeigt, dass Mundart keine 'platte' Sprache ist.

Für jeden Bewohner Düsseldorfs - ob hier gebürtig oder hier sesshaft geworden - für jeden, der die Düsseldorfer Mundart und damit die Düsseldorfer verstehen will, ist dieses einzigartige Werk eine Fundgrube zum Nachschlagen, Stöbern, Entdecken und Erlernen des Düsseldorfer Rheinisch. Es ist eine Ergänzung des Ende 2013 erschienenen „Großen Wörterbuchs der Düsseldorfer Mundart“, das ein reines Sprachwörterbuch ist und daher die Etymologie weitgehend aussparen musste.

Foto: Grupello Verlag



Venedig

Lyrik und Musik im Palazzo Albrizzi


von Konstanze Petersmann

Der schönste Salon der Welt“ rief Napoleon 1797 aus, als er den Markusplatz der tausendjährigen Seerepublik Venedig betrat.

Architektonisch bietet Venedig eine märchenhafte Kulisse. Prächtige Barockfassaden wechseln mit venezianischer Spätgotik, die in filigrane Frührenaissance übergeht, mitunter im byzantinischen Goldglanz erstrahlt und diese sinnbetörende Pracht mit überaus viel Wasser umschließt.

Man flaniert durch verwirrende Gassen, über unzählige Brücken und Treppen oder auf gewundenen Wasserwegen. Dabei gerät das Gemüt ständig in Bewegung. Wasser ist nicht nur der Ursprung des Lebens, Wasser ist ein altes Symbol der Auflösung, Entgrenzung und Verschmelzung. Wasser vermittelt in und um Venedig ein Bild des Unendlichen, umspielt die Träume in Raum und Zeit und erinnert Konstanze Petersmann besonders mit dieser Thematik an eigene Gedichte.

Die Museen und Kirchen zeigen reiche Kunstwerke von unschätzbarem Wert. In der berühmten Galleria dell’Accademia befinden sich die weltbedeutendsten Sammlungen venezianischer Malerei von den Anfängen bis zum 18. Jahrhundert. Im Saal XXI ist der neunteilige Ursulazyklus (1495) zu sehen - berühmt ist „Der Traum der Heiligen Ursula“ -  von Vittore Carpaccio.

Cordula Steinhoff (Sängerin), Francesca Vidal (Pianistin), Konstanze Petersmann (Lyrikerin), Maria Pia Colonnello (Schauspielerin),  Prof. Nevia Pizzul-Capello (Gastgeberin) (v.l.)

Diese Gemälde verbindet Konstanze Petersmann vom Namen her mit der Edition „Virgines“ in Düsseldorf, in der ihr Gedichtband „In den Gärten der Plejaden“ vom Verleger Georg Aehling 2014 veröffentlicht wurde.

Hieraus las sie nun im Palazzo Albrizzi ihre Gedichte in deutscher Sprache. Die Literatur- und Sprachwissenschaftlerin Prof. Nevia Pizzul-Capello übersetzte sie und so wurden sie dann sehr lebendig von der Film- und Fernsehschauspielerin Maria Pia Colonnello in italienischer Sprache vorgetragen.

Nach Venedig eingeladen hatten die Präsidentin der Deutsch-Italienischen Kulturgesellschaft (ACIT) und für das Goethe-Institut Professorin Pizzul-Capello zur Lyrik- und Musikveranstaltung „Primavera Letterario-Musicale a Palazzo Albrizzi“. Zahlreiche interessierte Zuhörer von der Universität, dem Goethe-Institut sowie weitere Gäste waren anwesend.

Die zweisprachige Lyriklesung der Poetessa Konstanze Petersmann wurde umrahmt von einem wunderbar gelungenen klassischen Musikkonzert der Künstlerin und Sängerin Cordula Steinhoff aus Düsseldorf, am Flügel perfekt begleitet von der jungen Pianistin Francesca Vidal. Es war wirklich ein Genuss für alle Sinne.

Eine direkte Beziehung zur Poesie war an diesem Ort bereits gegeben, denn in der Zeit des 18. Jahrhunderts lebte und wirkte im Palazzo Albrizzi die Gräfin Isabella Albrizzi-Teotochi als Salonnière und Schriftstellerin. Zu ihren Gästen zählten seinerzeit Lord Byron, der Bildhauer Antonio Canova, Madame de Staël, Alexander von Humboldt und viele andere. Ebenso verbunden mit dem Palazzo Albrizzi und ihrer Ahnin in der Linie ‚Capello’, die einen Albrizzi heiratete, war auch die Gastgeberin, Professorin Nevia Pizzul-Capello.

Hier schließt sich der Kreis. Konstanze Petersmann konnte unzählige Eindrücke und Anregungen insbesondere als Salonnière für ihren eigenen Salon ‚Kunstsinn’ in Düsseldorf mit nach Hause nehmen.