Bagdad

In Moskau geboren ... im Irak aufgewachsen ... in Düsseldorf zu Hause

"Ich bin ein Produkt dreier Kulturen"


von Niran Banna

Ich bin ein Produkt dreier Kulturen: In Moskau geboren, in Bagdad aufgewachsen, in Düsseldorf gelandet. Was ich bisher erlebt habe, geht auf meine örtliche Umgebung zurück. Meine Kindheitserinnerungen sind russisch, meine Jugend- und Studium-Eindrücke sind von purer arabischer Natur. Und erwachsen wurde ich in Düsseldorf.

Die Gründe, warum ich so geworden bin, sind mächtig, politisch und spannend. Nicht, dass ich meiner Person gewisse Größe zuspreche. Aber wäre der Irak in den Fünfzigern nicht ein aufstrebendes Land gewesen, hätte mein Vater meine Mutter nie in Moskau kennengelernt. So beginnt meine persönliche Geschichte mit der Entsendung jener irakischen Schüler zum Studium nach Moskau.

Irak, seit 1958 eine frischgebackene Republik, sehnte sich seit den Fünfzigern nach Weiterentwicklung und Fortschritt. Junge, aufstrebende Professionals waren im Land überall gefragt und dringend benötigt. Tausende junge Leute wurden zum Studieren ins Ausland entsandt. Das Zurückkehren wurde vorausgesetzt, um das erworbene Wissen in Taten vor Ort umzusetzen. Die rasche Entwicklung des Landes war nicht zu übersehen. Bagdad, die Hauptstadt, erlebte gerade einen enormen Erweiterungsschritt und die Einwohnerzahl hatte sich inzwischen fast verdoppelt.

Um diese Entwicklung zu bewältigen, wurden neue, moderne Masterpläne für die wachsende Metropole vorgestellt. Von führenden internationalen Planern entworfen, versteht sich. Architektonische Größen wie Le Corbusier, Alvar Aalto und Frank Lloyd Wright haben für Bagdad Gebäude, gar ganze Viertel geplant. Walter Gropius hat sogar für die Universität Bagdad einen Komplex realisiert, in dem ich meine Studienzeit verbracht habe.

1974 sind meine Eltern und ich nach Bagdad gekommen. Meine frühen Kindheitstage und die Schulzeit stellten die entspannte Zeit meines Lebens dar: Glückliche und liebevolle Erinnerungen prägen diese Lebensphase. 

Leider ging ab 1990 für den Irak alles abwärts. Mit dem Kuweit-Überfall, dem darauf folgenden zweiten Golfkrieg und dem Embargo versank das Land immer weiter in innenpolitischen Konflikten. Die Infrastruktur verschlechterte sich, Brain Drain - Abwanderung von Fachkräften - fand statt. So wie viele andere Iraker haben wir auch unser vertrautes Umfeld verlassen müssen. Seitdem besetzt der Irak die negativen Schlagzeilen mit traurigem Erfolg bis heute.

Aber eigentlich müsste es aufwärts gehen, für ein Land, das so reich und geographisch strategisch so gut gelegen ist.

Seit 1997 lebe ich in Düsseldorf. Unsere Kinder sind hier geboren. Für mich war es eine Herausforderung, in eine andere Welt zu kommen und doch gleichzeitig der Anfang einer neuen Lebensphase. Das familiäre und berufliche Leben verläuft im „deutschen“ Rahmen, alles andere ist schwer vorstellbar für mich. Allerdings habe ich die Verbindung zu meiner „örtlichen“ Vergangenheit aufrecht erhalten – auch beruflich, was mich sehr freut. Unser Büro arbeitet an Masterplänen für irakische Städte. Es wäre nur schön, wenn mehr Zusammenarbeit stattfinden würde. Ich glaube fest daran, dass eine gemeinsame Sache viel Spannung und Interessantes bringen würde, und zwar für beide Seiten.


Kurzvita

Niran BannaNiran Banna (43) ist Architektin und lebt mit ihrer Familie seit 1997 in Deutschland. 
Sie mag mesopotamische Kultur, ihre Katzen und hofft vom Nahen Osten bald gute Nachrichten zu hören. 
Ansonsten findet sie Auseinandersetzung der Kulturen sehr spannend. 



Thomas Geisel und Siegmar Rothstein

Düsseldorfs Interesse ist es, mit der Region gut zusammen zu arbeiten

Interview mit Thomas Geisel, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf


von Dr. Siegmar Rothstein

Ihre Wahl zum Oberbürgermeister mit nahezu 60 Prozent Zustimmung ist von vielen als sensationell empfunden worden. Auch vom DJournal herzlichen Glückwunsch! Sicher ist dieses Ergebnis vor allem auf Ihr großes Engagement zurück zu führen, mit zwölf Stunden täglichem Einsatz und 2.500 Terminen im Jahr. Finden Sie es daher unfair, wenn gelegentlich gesagt wird, nicht Sie und die SPD hätten die Wahl gewonnen, vielmehr hätte die CDU und vor allem Elbers die Wahl verloren?

Es gibt wie immer im Leben nicht nur eine Ursache für ein Ergebnis. Ich stehe in der Tat für eine hohe Schlagzahl, und ich hatte und habe ein hochmotiviertes Team. Ich glaube, der politische Gegner und der Amtsinhaber haben Fehler gemacht, vor allem als sie Düsseldorf und die Düsseldorfer immer wieder in ihren Klischees zeigten. Diese Klischees sind nicht nur bei Düsseldorfs Nachbarn unbeliebt, sondern die meisten Düsseldorfer sind ihrer überdrüssig. Sie erkennen sich nicht wieder, es entspricht nicht ihrem Lebensgefühl. Dagegen teilten viele Wählerinnen und Wähler wichtige politische Ziele meines Wahlkampfes, wie wir im Frühjahr durch die einzige repräsentative Umfrage bestätigt bekommen haben: vor allem bezahlbares Wohnen, eine zeitgemäße Verkehrspolitik, mehr Fokus auf die Stadtteile und nicht nur auf Luxusprojekte in der City. Das alles waren auch Ziele, auf die sich die SPD in großer Einigkeit verständigt hatte. Hinzu kam dann in den Wochen vor der Stichwahl, dass weite bürgerliche wie auch alternative Kreise in mir eine echte Alternative zum Amtsinhaber entdeckt haben. Die Oberbürgermeister-Wahl war am Ende eine reine Persönlichkeitswahl. Überraschend war für mich allerdings die Höhe von 59,2 Prozent.

In diesen Wochen wird Ihnen sehr viel Sympathie entgegen gebracht, Sie haben es offenbar durch Ihr Auftreten geschafft, Vertrauen zu gewinnen. Gleichzeitig stehen Sie vor einer gewaltigen Aufgabe, die Landeshauptstadt Düsseldorf überzeugend zu führen. Haben Sie gelegentlich Herzklopfen, wenn Sie an die Bewältigung dieser Aufgabe denken, oder sehen Sie Ihrer Arbeit ganz gelassen entgegen, weil Sie schließlich in Ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit Organisationen kennen gelernt haben und keinen großen Unterschied zum Führen einer Stadtverwaltung sehen?

Ich habe immer gesagt, ich habe einen gehörigen Respekt vor der komplexen Aufgabe eines Oberbürgermeisters. Die Erfahrungen aus der Wirtschaft und aus der Welt werden mir helfen, aber die Gesamtaufgabe, erster Diener der Bürgerschaft in einer wachsenden Großstadt zu sein, bedeutet viel mehr.

Sie wollen starke neue Akzente setzen. So sind günstiger Wohnungsbau und bezahlbare Mieten in Düsseldorf ein großes Thema. Sie haben gesagt, dass es nicht sein kann, dass nur "Betuchte" es sich leisten können, in Düsseldorf zu wohnen. Mit dieser Ansicht sind Sie auf große Zustimmung gestoßen. Sie haben die bisherige Politik kritisiert. Was aber möchten Sie ändern, wie wollen Sie Ihr Ziel erreichen?

Die meisten Erwartungen, die mit meinem Amtsantritt verbunden werden, beziehen sich wohl auf das Thema bezahlbares Wohnen. Hier müssen wir sanft umsteuern in möglichst vielen Stadtteilen und einen Mix erreichen, der die Vielfalt der Stadt und ihrer Bürger abbildet. Konkret: Grundstücke dürfen nicht nur an Investoren vergeben werden, die eine möglichst hohe Rendite erzielen und sich dann herausziehen wollen. Wir können mit Auflagen arbeiten, die, wenn sie klar kommuniziert sind, von Investoren auch akzeptiert werden. Wir erhöhen die Vielfalt der Player auf dem Wohnungsmarkt, wir stärken die Genossenschaften, die städtische Wohnungsgesellschaft und alternative Bauformen. Wir nehmen dazu ab 2015 einige Millionen Euro mehr in die Hand, und wir nehmen endlich auch die bislang verschmähten Fördermittel des Landes NRW für öffentlich geförderten Wohnungsbau in vollem Umfang in Anspruch. Freilich ist das Thema ein Projekt, in dem in meiner gesamten Amtszeit immer neue Impulse gesetzt werden müssen.

Auch die Verkehrspolitik liegt Ihnen offenbar sehr am Herzen. Sie wollen den Autoverkehr weitgehend und den Durchgangsverkehr vollständig an der Innenstadt vorbeiziehen lassen und den Fahrrad- und den öffentlichen Nahverkehr mehr fördern. Dem wird entgegen gehalten, dass auch der Individualverkehr die Innenstadt erreichen muss, da die Geschäftswelt auf den Besuch von Kunden angewiesen ist.

Wir verbannen ja nicht das Auto aus der Innenstadt. Aber die allermeisten Düsseldorfer würden ihr Auto gern stehenlassen, wenn sie in die Innenstadt fahren. Dazu brauchen wir eine besser getaktete Rheinbahn auf etlichen Linien. Als erstes habe ich in Auftrag gegeben, die Zeitfresser zu analysieren. Und wir haben die Mittel für den Radwegebau auf zwei Millionen Euro aufgestockt.

Sie haben sich noch mehr vorgenommen, wie etwa die Förderung der Randgebiete Düsseldorfs. Die Durchführung Ihrer Pläne wird nicht unerhebliche Geldmittel erfordern. Werden Sie versuchen politisch durchzusetzen, dass gegebenenfalls auch neue Kredite aufgenommen werden, weil schließlich mit den neuen Krediten auch neue Werte geschaffen werden?

Der Kernhaushalt der Stadt bleibt schuldenfrei. Aber es steht außer Frage, dass manche Stadtteile große Anstrengungen rechtfertigen, um sie attraktiver zu machen. Garath zum Beispiel wurde für doppelt so viele Menschen geschaffen, als jetzt dort wohnen. Viele älter gewordene Bürger leben in zu groß gewordenen Wohnungen. Sie brauchen kleinere aber barrierefreie Wohnungen. Noch mehr gilt es, für nachwachsende Generationen attraktive und vor allem bezahlbare Alternativen zu schaffen oder zu fördern. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, nicht nur eine für eine Handvoll Stadtplaner. Und weil das so ist, ist es sinnvoll und richtig, zu investieren. Dabei werden die Stadt, das Land und private Investoren helfen. Ähnliches gilt für den notwendigen Schulbau. Kinder in Containern zu unterrichten, darf nicht Schule machen!

Sie wollen eine neue Führungskultur schaffen, geprägt von Offenheit, Vertrauen, Wertschätzung und Kollegialität. Hierzu gehört wohl auch, dass Sie die Beziehung zu unseren Nachbarn und das Verhältnis zur Landesregierung verbessern wollen. Befürchten Sie aber nicht, dass dann möglicherweise gelegentlich die Interessen Düsseldorfs in den Hintergrund treten müssen?

Düsseldorfs Interesse ist es, mit der Region gut zusammen zu arbeiten. Etwa in der Verkehrspolitik: Hier gilt es, gemeinsam ein leistungsfähiges System von Bus und Bahn zu entwickeln, um den allmorgendlichen Stau der vielen Einpendler nach Düsseldorf zu entschärfen. Auch im Bereich der Energieversorgung kann ich mir eine Zusammenarbeit sehr gut vorstellen. Ich habe keine Sorge, dass Düsseldorf als große Metropole am Rhein darunter leiden wird. Im Gegenteil: Wir profitieren alle davon.

Sie wollen ferner eine neue politische Kultur erreichen. Vorschläge zur Kommunalpolitik sollen, wie Sie gesagt haben, nach der inhaltlichen Güte und nicht nach dem Absender beurteilt werden. Stets soll also das Gemeinwohl maßgebend sein, nicht etwa parteipolitische Interessen. Dem wird wohl kaum widersprochen werden. Aber auch in Zukunft wird unterschiedlich gesehen werden, was dem Gemeinwohl dient, so dass auch demnächst "parteiisch" argumentiert wird.

Natürlich gibt es keine Patentrezepte, was dem "Gemeinwohl" dient. Wichtig ist mir aber, dass diese Diskussion transparent und unter breiter Teilhabe möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger erfolgt. Dabei sollten die einzelnen Belange sorgfältig abgewogen werden, so dass am Ende eine Entscheidung steht, die auf möglichst breite Akzeptanz stößt.

Wahrscheinlich wird es zur Ampelkoalition kommen. Hier schließen sich Parteien zusammen, die sich bisher als politische Gegner gegenüber standen und die gegensätzliche Positionen vertraten. Offenbar wird gegenwärtig versucht, sich über die gesamte politische Agenda zu einigen, damit es nicht bei ersten wichtigen Entscheidungen zum Krach kommt. Führt der gefundene Kompromiss aber nicht gelegentlich dazu, dass man seine eigene Position kaum noch erkennt und wird es dann nicht sehr schwierig, den gefundenen Kompromiss in praktische Politik umzusetzen.

Aus den Sondierungsgesprächen habe ich den Eindruck gewonnen, dass es jedenfalls keine grundlegend unterschiedlichen Positionen in den wesentlichen Zukunftsfragen der Stadt gibt. Aber der Teufel steckt natürlich wie immer im Detail. Ich vertraue aber darauf, dass alle Partner soviel Verantwortungsgefühl haben, dass die eigene zugespitzte Profilierung auch einmal zurückstehen kann. Ich sehe nicht, dass Kompromisse, die im Rahmen dieser Verhandlungen gefunden werden, mit der Identität eines der Partner vollständig unvereinbar sein könnten.

Sie erwecken den Eindruck, dass Düsseldorf einen starken Oberbürgermeister hat. Sie wollen nicht, wie Sie gesagt haben, die Marionette irgendwelcher Parteifunktionäre sein. Darf man das dahingehend verstehen, dass Sie sich über Parteibeschlüsse hinwegsetzen, wenn Sie es im Interesse Düsseldorfs für geboten halten so wie seinerzeit Helmut Schmidt es getan hat, wenn er es für notwendig erachtet hat?

Es gilt der Grundsatz: Erst die Stadt, dann die Partei! Der Oberbürgermeister ist den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet. Meine Replik zu den Parteifunktionären bezog sich darauf, dass ich in den Verhandlungen zu einer Ampel-Kooperation letztlich den absoluten Fokus auf das Gemeinwohl haben muss. Im Übrigen gilt das, glaube ich, auch für die Beschlusslagen der lokalen Parteien.

Sie sind sehr sportlich. Ihr perfekter Radschlag im Karneval und Ihr Marathon in der Vorwahlzeit sind in bester Erinnerung. Wird Ihnen noch Zeit bleiben für den Sport und die anderen Hobbys? 

Da bin ich mir sicher, auch wenn ich in diesem Jahr nur den einen Düsseldorf-Marathon gelaufen bin und den Berlin-Marathon jetzt absagen musste. Aber ich jogge regelmäßig mit meiner Frau am Rhein und brauche den Sport. Auch Musizieren steht weiter auf dem Programm, bei mir ebenso wie bei meinen Kindern. Hobbys zu haben, Sport zu treiben, sich im Ehrenamt zu engagieren und in ganz normale Alltagswelten einzutauchen, bleibt auch für einen Oberbürgermeister ein Stück Normalität und Lebensqualität. Wichtiger als Sport, Ehrenämter und Hobbys ist mir, dass mein Familienleben nicht unter die Räder kommt.


Kurzvita

Thomas GeiselThomas Geisel wurde 1963 in Ellwangen/Ostalbkreis geboren. Studium der Rechts- und Politikwissenschaften in Freiburg, Genf und den USA, Bachelor of Arts, Georgetown University Washington, Master in Public und Administration Harvard University.
Thomas Geisel bekleidete führende Positionen in diversen Unternehmen, bei der Treuhand Nachfolgerin BVS, dem Energieunternehmen ENRON in London und bei der Ruhrgas AG, später E.ON, in Essen. Eintritt in die SPD am Tag des Abiturs 1983. Politisch war Thomas Geisel unter anderem persönlicher Referent des SPD-Bundesgeschäftsführers Blessing. Ehrenamtlich ist er engagiert als Mitglied der Arbeiterwohlfahrt und in der evangelischen Düsseldorfer Kreuzkirchengemeinde. Thomas Geisel ist verheiratet und hat fünf Töchter. Seit 2003 lebt er in Düsseldorf.



Danzig

Von Düsseldorf nach Pommern - Unser Leben in Polen

In Danzig, Gdynia und auf dem Gut Jawory


von Malgorzata und Gregorz Bartosiewicz

Wir leben dort, wo andere Urlaub machen: an der Ostsee und auf einem ehemaligen Rittergut auf dem Land. Die Luft hier ist sauber und gut und die Böden sind unbelastet von Düngemitteln und Pestiziden – richtige Ökoqualität.

Geboren in Danzig wollte ich nach dem Abitur eine Ausbildung im Ausland machen und ging nach London. Dort lernte ich meine Frau Maggie – ebenfalls in Danzig geboren - kennen, die damals in Düsseldorf als Erzieherin arbeitete. Nach einigem Hin und Her zog ich ebenfalls nach Düsseldorf. Wir heirateten und ich machte mich nach einer weiteren Ausbildung mit einem Stuckateur-Betrieb selbständig. Hier wurde auch unser Sohn Jimmy geboren und wir hatten gut zu tun.

1989 erfolgte der politische Umbruch durch den Sturz des Kommunismus in Polen. Das Land musste total neu aufgebaut werden. Ein großes Problem war, dass in all den Jahren sehr viele gut ausgebildete Menschen Polen verlassen hatten. Die anderen kannten jahrzehntelang nur die kommunistische Wirtschaft. Maggie und ich fühlten eine Art Herausforderung und auch Verpflichtung, sich jetzt für die Heimat einzusetzen. Unsere Eltern lebten noch dort und fragten „Wollt ihr nicht zurück kommen?“

Info: Pommern

Pommern-Wappen
 

Region im Nordosten Deutschlands und im Nordwesten Polens, die von der Ostseeküste und deren vorgelagerten Inseln von knapp 50 Kilometer bis zu fast 200 Kilometer weit ins Binnenland reicht. Der Name Pommern ist die eingedeutschte Form von „Pomorje“ und ist slawischer Herkunft: „po more“ – „am Meer“.
Pommern hat eine wechselvolle Geschichte. 1990 erfolgte mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag die endgültige vertragliche Anerkennung der deutsch-polnischen Oder-Neiße-Grenze und somit auch die Zugehörigkeit Hinterpommerns zu Polen.

Wir fuhren also durch das schöne Land Pommern im Norden von Polen und sahen die Möglichkeiten, die sich auftaten. Mit unseren Erfahrungen und dem Wissen aus Deutschland konnten wir etwas bewegen. In Gesprächen mit Freunden und Bekannten bekamen wir viele Hinweise. So entschlossen wir uns 2001 zum Umzug.

Das Haus in Düsseldorf konnten wir gut verkaufen und bauten für uns zuerst ein neues Heim in Gdynia (Gdingen), der Hafenstadt an der Danziger Bucht. Während des Zweiten Weltkriegs war das damals Gotenhafen genannte Gdingen bedeutender Stützpunkt der deutschen Kriegsmarine und wurde durch britische und US-amerikanische Luftangriffe erheblich zerstört. Heute bildet es mit der bekannten Hansestadt Gdańsk (Danzig) und dem berühmten alten Seebad Sopot (Zoppot) eine aufstrebende Wirtschaftsregion. Gdynia ist eine moderne Stadt, die internationalen Anschluss gefunden hat.

Danzig wurde nach dem Krieg mit großem Aufwand vorbildlich wieder aufgebaut und ist Ziel vieler Touristen und Kreuzfahrtschiffe. Berühmte Sehenswürdigkeiten laden zur Besichtigung ein, wie beispielsweise die St. Marienkirche, eine der größten Backsteinkirchen der Welt, das berühmte Krantor, das früher mit menschlicher Kraft im Laufrad angetrieben wurde (bekanntestes Wahrzeichen der Stadt), das Bernsteinmuseum mit außergewöhnlichen Objekten und seit der Fußball-EM 2012 die Arena (im Volksmund Bernstein genannt) sowie die Frauengasse mit ihren schmalen und reich geschmückten Bürgerhäusern. Auch der Kurort Zoppot glänzt wieder mit seinem Grandhotel, dem Casino und internationalen Sportveranstaltungen.

Unser Interesse galt aber dem Land. Hier gibt es noch viele der alten Güter, die während der kommunistischen Herrschaft nicht mehr richtig bewirtschaftet wurden. Durch Bekannte wurden wir auf Jawory aufmerksam: 375 Hektar groß mit Landwirtschaftsflächen, Wiesen, Wald und Seen sowie einem sehr großen alten Herrenhaus von 1880.

Die landwirtschaftlichen Böden wurden so gut wie nicht genutzt und waren frei von chemischen Hilfsmitteln – also hervorragend für ökologischen Anbau von Bio-Produkten. Das Haus war ebenfalls jahrzehntelang nicht gepflegt oder renoviert worden. Es wurde damals zur Unterbringung von Übersiedlern aus Ostpolen genutzt, weil diese Gebiete nach dem Krieg an Russland fielen. Entsprechend war sein Zustand und bei einer Größe von rund 1.250 Quadratmetern Wohnfläche mit zwei Treppenhäusern eine kostenintensive Baustelle.

Trotzdem entschieden wir uns 2002 für Jawory, zu dem ein kleines Dorf mit 139 Einwohnern gehört. Zunächst waren wir Pächter und hofften auf einen schnellen Kaufvertrag, denn der polnische Staat musste die verstaatlichten Immobilien wieder privatisieren. Aber die Bürokratie ließ sich unendlich viel Zeit und die Preise stiegen unaufhörlich weiter. Das Paradoxe der Situation war, dass alle unsere eigenen Investitionen zur Verteuerung der Immobilie beitrugen.

Seit zwei Jahren sind wir nun Eigentümer und haben viel über die moderne Landwirtschaft gelernt. Der Beitritt zur EU hat uns sehr geholfen. Leider sind Arbeitskräfte auch hier Mangelware und das Wetter kann uns schnell einen Strich durch die Planung machen. Auch über die sehr ernsten Probleme in der Ukraine machen wir uns große Sorgen. Wenn es wieder mal bedrückend wird, hilft eine kleine Reise zu Freunden nach Düsseldorf – besonders Maggie liebt es sehr!

Neben dem Anbau von Dinkel und anderen Bio-Produkten ist auch die Tierhaltung interessant. Nach vielen Erfahrungen mit Schafen, Hühnern und Gänsen haben wir uns jetzt auf die Rinderzucht (Limousin-Rinder) spezialisiert. Bestes Futter, saubere Luft und ruhige Umgebung sorgen für erfolgreiche artgerechte Haltung der Tiere und damit für 1A-Qualität des Fleisches.

Daneben besitzen wir auch Pferde, denn so kann ich am besten alle Bereiche des Anwesens erreichen und nach dem Rechten sehen. Auch unser inzwischen 21 Jahre alter Sohn Jimmy verbringt seine Ferien hier, unterstützt mich tatkräftig und hat viel Freude daran. Während der Schulzeit und jetzt beim Studium an der Königlichen Technischen Hochschule Danzig muss er in Gdynia bleiben, wo er von den Großeltern betreut wird. Es sind zwar nur 100 Kilometer, aber keine Autobahnen, sondern alte Landchausseen mit herrlichem Baumbestand – das braucht seine Zeit. Er macht inzwischen seine eigenen Experimente und braut selbst ein gutes Bier! Nebenbei. Natürlich vermarktet er es auch für seine Zwecke.

Das große Herrenhaus aber wartet noch auf bessere Zeiten. Wir bewohnen nur einen Teil davon. Hier in Pommern gibt es viele solcher Güter mit wunderbaren alten Gebäuden. Manche haben zahlungskräftige Investoren gefunden und wurden zu romantischen Hotels mit traumhaftem Wellness-Angebot. Interessant sind auch die vielen Möglichkeiten hier zu wandern, Rad zu fahren oder in Seen zu baden. Fantastisch ist der Wildbestand - alle Wildarten und unzählige Vogelarten können beobachtet werden. Im Winter sind Skiwandern und Eislaufen möglich. Insgesamt wird die Erschließung der Region aber noch länger dauern.

Eine neue Möglichkeit der Beherbergung ist auch entstanden: Es gibt Alten- und Pflegeheime, wo den Patienten viel mehr Zeit gewidmet werden kann, weil es genug Personal gibt. Polnische Pflegekräfte haben einen sehr guten Ruf erworben und mancher Angehörige nimmt für den Besuch eine preiswerte Flugstunde nach Danzig gerne in Kauf, wenn eine liebevolle Pflege gesichert ist. Bei Demenzerkrankungen zum Beispiel wissen die Patienten sowieso nicht, wo sie sich genau befinden und das Wichtigste sind Ansprache (deutsch) und Zuwendung.

Soweit also das Abenteuer Heimat, auf das wir uns eingelassen haben. Die Reise war nicht weit – nur circa 1.000 Kilometer – aber es war eine andere Welt. Seitdem verschmelzen diese Welten immer mehr und die Gäste, die zu uns kommen, suchen das Besondere, Ursprüngliche. So kamen eines Tages auch Leute mit Kameras vom SWR- und MDR-Fernsehen, um authentische Berichte über das Land Pommern zu drehen und Zeugen der Vergangenheit zu suchen. Sie melden sich von Zeit zu Zeit wieder bei uns, weil sie die Entwicklung dokumentieren wollen. Vielleicht sehen Sie uns ja einmal im Fernsehen?



Susanne Altweger und Annemarie Lütkes

Die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ist sowohl eine Aufgabe der Verwaltung als auch der Gesellschaft. Sie liegt mir besonders am Herzen

Interview mit Annemarie Lütkes, Regierungspräsidentin im Bezirk Düsseldorf und Vizepräsidentin von UNICEF Deutschland


von Dr. Susanne Altweger

Frau Lütkes, meine erste Frage gilt nicht der Regierungspräsidentin, sondern der Frau im Ehrenamt. Sie sind Schatzmeisterin und Vizepräsidentin von UNICEF Deutschland und setzen sich somit für die Rechte von Kindern ein. Wie kam es zu diesem Engagement?

Ich bin in meinem ehemaligen Hauptberuf Rechtsanwältin für Familienrecht und als solche Frauen- und Kinderrechtlerin. Durch eine Schicksalsfügung war ich von 2000 bis 2005 Ministerin für Justiz, Frauen, Jugend- und Familie und stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Schleswig Holstein. In diesem Zusammenhang ergab sich die Beschäftigung mit Kinderrechten sowohl in der familienrechtlichen Auseinandersetzung als auch einer gesellschaftlichen Aufgabe. In diesem Amt entstand der Kontakt zu UNICEF und ich war als Komitee-Mitglied repräsentativ unterwegs. Für das Kinderhilfswerk war es wichtig, dass wir uns grundsätzlich mit den Rechten der Kinder auseinander gesetzt haben. Kinder müssen als eigenständige Persönlichkeiten von der Gesellschaft akzeptiert werden. Das ist einfach gesagt, aber im persönlichen Leben der Menschen oft schwer umzusetzen. Wir sind beispielsweise  mit dem Kinderschutzbund vor Ort der Frage nachgegangen, wie man Gewalterfahrung von Kindern herausfinden kann. Kinderärzte und andere Fachleute müssen in die Lage versetzt werden, Spuren von Gewalt zu erkennen. Wir haben Leitlinien entwickelt, Kinderrechte so umzusetzen, dass sie den Kindern wirklich zu Gute kommen. Der rote Faden von der Theorie zur Praxis sollte immer durchgezogen werden.  Denken sie an die Frage der Kindertagesstätte am Flughafen Düsseldorf.

Bekanntlich sollte die Kindertagesstätte in einer Lärmzone entstehen. Wir hatten zu prüfen, ob das Versorgungsinteresse einerseits, sowie die geforderten ruhigen Lebensumstände anderseits, in Einklang zu bringen sind. Dies war nicht der Fall und somit haben wir den Antrag abgelehnt.

Sie sehen das Thema der Kinderrechte hat mich seit Schleswig Holstein nicht mehr losgelassen und als ich ins Rheinland kam, habe ich die Arbeit für UNICEF wieder verstärkt aufgenommen. Nach der UNICEF Krise 2008 wurde ich in den Vorstand gewählt.

Eine Frage an die Juristin, die gelernt hat, Sachverhalte analytisch zu prüfen: Der Begriff „Kindeswohl“ hat oft einen fragwürdigen Beigeschmack. Wie sehen Sie das?

Wir machen es uns in der Debatte um die Kinderrechte einfach, indem wir den englischen Begriff der UN-Kinderrechtskonventionen „best interest“ verwenden. Das nützt zwar dem deutschen Rechtssystem nicht, der Begriff „Kindeswohl“ ist bei uns etabliert auch wenn es keine konkrete Übersetzung bedeutet. Jeder Sachverhalt muss einzeln geprüft werden, Tatsache, Schlussfolgerungen und Perfektiven für das betreffende Kind.

Sie haben sich tief in die Materie eingearbeitet. Wie erklären Sie sich, dass ein Land wie die USA - neben Somalia und Süd-Sudan - die UN-Kinderrechtskonvention nicht ratifiziert haben?

Es geht um die eindeutige Akzeptanz des Kindes als Rechtsperson. Das ist wohl der Zielkonflikt.
Das ist auch in der BRD noch nicht ausgestanden. Das Bundesverfassungsgericht in Deutschland hat eindeutig festgelegt, dass das Kind ein eigenständiger Träger von Grundrechten ist. Die Ausformung im gesellschaftlichen Leben aber auch im Rechtsystem ist auch bei uns noch nicht gelebter Alltag. Das Aktionsbündnis „Kinderrechte ins Grundgesetz“ bereitet eine neue Offensive vor. Wir hoffen auf viel prominente Unterstützung. Im November feiern wir 25 Jahre Kinderrechtkonvention, das ist ein guter Anlass. Wir dürfen nicht nachlassen, kleine Menschen als eigenständige Menschen zu respektieren. Mir ist jedoch wichtig, dass kein falscher Umkehrschluss gezogen wird. Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten, aber sie sollten keine kleinen Erwachsenen werden müssen. Die Rechtslage und eine gelebte Kindheit schließen sich gegenseitig nicht aus. Sie können ihr Leben nicht organisieren, als seien sie bereits mündig. „Protection“, also beschützen, ist ein Leitmotiv! Bei einer Aktion haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass die vielzitierte kleine Ohrfeige auch eine ungeeignete Erziehungsmaßnahme darstellt. Wir haben „Backpfeifen“ gebacken, wie kleine Weckmänner. Ein gutes Symbol erzählt oft mehr, als gesprochene Theorie.

Sie haben bei den „Düsseldorfer Jonges“ einen vielbeachtlichen Vortrag gehalten und dabei erwähnt, dass Deutschland für die mangelhafte Umsetzung der UN-Kinderrechtkonvention gerügt wurde. Das wundert mich bei einem Land, dem der vorauseilende Gehorsam zugeschrieben wird und das sich gerne als Europas Musterschüler darstellt?

Ja, wir haben ein ganz klares Defizit. Innerstaatliches Recht muss eingehalten werden. Leider gelingt dies nicht immer. Deutschland hat zugestimmt, über die Umsetzung regelmäßig zu berichten. Deutschland bezieht eine Haltung des „Mitlaufen-Lassens“ der Kinderrechtskonvention, anstatt sie auf die Prioritätenliste zu setzen. Nehmen sie jeden Anspruch eines jeden Kindes auf Schutz: Sofort entsteht die Frage, was ein Jugendamt leisten kann. Es besteht die Verpflichtung, dem Kind angemessene Lebensumstände zu garantieren. Wir sind keine Fantasten, aber wir leben in einem hochentwickelten Staat und können nicht nachweisen, dass Flüchtlingskinder ihren Anspruch auf Bildung wahrnehmen können. Das ist peinlich! Wir hätten ein griffiges Hilfsinstrument, das heißt „Schule aus der Kiste“. Darin ist das nötigste Material zum Lernen. Es kann in jedes Flüchtlingslager gebracht werden. Kommen unsere Flüchtlingskinder in Duisburg in diesen Genuss? Dahinter steht leider noch ein Fragezeichen.

In Ihrer Position sitzen Sie an einer Schaltstelle, wo Sie etwas bewirken können.

Wenn man Regierungspräsidentin ist, muss man akzeptieren, in einer Mittelbehörde zu sein. Wir sind Dienstleister, aber wir sind auch Aufsicht für die Gesellschaft. In diesem Spannungsverhältnis können wir Weichen stellen. Es macht Freude, für Düsseldorf und den ganzen Bezirk zu arbeiten. Es ist eine anspruchsvolle Tätigkeit, die mich erfüllt.


Kurzvita

Annemarie LütkesAnnemarie Lütkes wurde 1948 in Bergisch Gladbach geboren. Studium der Rechtswissenschaft in Köln. 1977 Zulassung als Rechtsanwältin. Seit 1990 Mitglied Bündnis 90/DIE GRÜNEN. 2000 bis 2005 Ministerin für Justiz Frauen Jugend und Familie des Landes Schleswig-Holstein und stellvertretende Ministerpräsidentin in einer rot-grünen Koalition. Seit 2002 Vorsitzende des Kuratorium des Deutschen Kinderhilfswerks e.V. Seit 2008 Schatzmeisterin, seit 2009 Vizepräsidentin UNICEF. Seit 2010 Regierungspräsidentin in Düsseldorf.



Pina Coluccia und Heiner Kamps

Ich halte sehr viel von Selbstverantwortung und Eigeninitiative

Interview mit dem Unternehmer Heiner Kamps


von Pina Coluccia

Wenn ich Deine Karriere verfolge, dann kommt mir das so vor, dass Du einen typisch amerikanischen Traum verwirklichst hast – vom Tellerwäscher zum Millionär. Immerhin hast Du als kleiner Bäcker angefangen. Aber dabei bist Du nicht stehengeblieben, sondern Du hast die ganze Branche in Deutschland aufgewirbelt. Du hast seinerzeit erkannt, dass sehr viele Kleinbäckereien in wirtschaftlichen Problemen standen - vor allen Dingen auch, weil ihnen der Nachwuchs fehlte. Deine erste Backstube hast Du zwar in Düsseldorf eröffnet, aber von da aus hast Du ganz Deutschland mit Filialen überzogen.
Doch dabei bist Du nicht stehengeblieben, erzähle einmal ...

Die Geschichte der Kamps AG ist hinlänglich bekannt. Nach dem Verkauf durch Barilla war mir immer klar, dass ich weiterhin als Unternehmer aktiv sein möchte. Ich habe verschiedene Investitionsmöglichkeiten überprüft und im Jahre 2004 Bastian’s hier in Düsseldorf gegründet, 2005 Nordsee erworben, 2007 folgte Homann und 2009 Nadler. Diese Unternehmen wurden unter der Holding HK Food geführt mit circa 1 Milliarde Umsatz.
2010 erfolgte die Integration der HK Food in die Müller Gruppe. Seit 2011 bin ich CEO der Unternehmensgruppe Theo Müller und damit verantwortlich für ein Umsatzvolumen von 5,2 Milliarden Euro und 21.000 Mitarbeiter. Dies zu meiner beruflichen Tätigkeit. Außerdem habe ich im Jahre 2001 meine Stiftung „Brot gegen Not“ gegründet.

Kurzum, welcher geniale Gedanke hat Dich zu einem erfolgreichen Unternehmer gemacht, Wie hältst Du es mit dem Kapitalismus und wie hast Du Dich am Anfang finanziert?

Wie Du schon sagst bin ich Unternehmer und daher ist der Kapitalismus die Gesellschaftsform, die mir die Basis für mein unternehmerisches Handeln bietet. Ich halte sehr viel von Selbstverantwortung und Eigeninitiative. Damals habe ich die Zeichen der Zeit erkannt und reagiert. Das Anfangskapital dafür waren ersparte 50.000 Euro, und mit dem Erfolg kamen dann auch die Banken.

Dass Du ein nachdenklicher und nachhaltiger Mensch bist, sieht man daran, dass Du die Hilfsorganisation 'Brot gegen Not' gegründet hast, die in den Entwicklungsländern tätig ist, insbesondere unter dem lobenswerten Vorsatz: „Hilfe zur Selbsthilfe“, die einzige Möglichkeit, sinnvolle Entwicklung zu treiben. Es geht Dir nicht nur um Verteilung von Almosen, die teilweise ganze Volkswirtschaften ruinieren.

Wir möchten mit 'Brot gegen Not' die Menschen nicht bevormunden. Unser Ziel ist es, ihnen die Möglichkeit zu geben, für sich selbst sorgen zu können. Durch die Ausbildung zum Bäcker schaffen wir die Grundlage für ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben.

Gestatte mir noch eine private Frage: Du warst in Deiner Jugend sportlich sehr aktiv und spieltest Wasserball sogar in der Bundesliga. Ist das einer der Gründe, dass Du Deine Durchsetzungsfähigkeit gelernt hast. Gibt es noch andere Sportarten, die Dich interessieren?
Was Deine Familie anbelangt, hast Du ja Dein Soll erfüllt. Deine Kinder sind alle etwas geworden und hast jetzt sogar noch Zwillinge bekommen. Herzlichen Glückwunsch!

Vielen Dank. Aber das ist bei meinen erwachsenen Kindern hauptsächlich der Verdienst ihrer Mutter. Die Zwillinge sind noch Babys.
Zurück zu Deiner Frage: Am Wasserball hängt mein Herz, aber im weitesten Sinne bin ich für alle Wassersportarten zu haben.

Du bist international sowohl beruflich als auch privat sehr viel unterwegs. Was bedeutet Dir Freundschaft und hast Du überhaupt Zeit, die zu pflegen?

Ein stabiles Umfeld ist mir sehr wichtig. Die Menschen in meiner Nähe begleiten mich schon sehr lange – sowohl privat als auch beruflich. Da spielen Entfernungen keine Rolle.

Ist Düsseldorf immer noch Deine Mutterstadt und wie bist Du ihr verbunden?

Düsseldorf ist zwar nicht meine Mutterstadt, denn wie Du weißt, komme ich aus Bocholt. Aber ich würde Düsseldorf als meine Heimat bezeichnen. Ich bin vor einigen Wochen in die Altstadt gezogen – das spricht doch Bände.


Kurzvita

Heiner KampsHeiner Kamps, Jahrgang 1955, wächst als Sohn eines Bäckers auf einem Bauernhof in der Nähe von Bocholt (westliches Münsterland) auf. Er erlernt das Bäckerhandwerk von der Pike auf und absolviert anschließend ein Betriebswirtschaftsstudium.
1981 gründete er in Düsseldorf seine erste eigene Bäckerei und formte innerhalb von knapp 20 Jahren Europas größten produzierenden Backkonzern mit über 1.000 Filialen und einem Umsatz von 1,8 Milliarden Euro, mit Heiner Kamps als CEO. Seit 2011 ist Kamps CEO der Unternehmensgruppe Theo Müller, einem international agierenden Konzern der Lebensmittelindustrie mit rund 21.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr als 5,2 Milliarden Euro.



Blaue Mosche in Mazar-e-Sharif

In Afghanistan geboren ... in Düsseldorf zu Hause

„Meine Heimat ist Afghanistan und heute auch Deutschland und Düsseldorf, wo ich jetzt lebe“


von Nooria Hudalla

Ich wurde als zweitjüngstes von sieben Kindern geboren - fünf Mädchen und zwei Jungen. Leider sind meine Eltern gestorben. Ich habe sie als sehr liebevolle Menschen in Erinnerung und in meinem Herzen.

Mein Vater war ein sehr kluger, weiser und liberaler Mensch und man kann ihn als Schriftsteller und auch als Journalisten bezeichnen. Er schrieb unter anderem jeden Tag eine Kolumne in einer Kabuler Zeitung, die jeden Morgen auch dem damaligen König vorgelegt wurde.

Info: Afghanistan

Afghanistan-Flagge

Binnenstaat Südasiens zwischen Süd- und Zentralasien mit Grenzen zu Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, China und Pakistan, rund 30 Millionen Einwohner. Hauptstadt ist Kabul. Drei Viertel des Landes bestehen aus schwer zugänglichen Gebirgsregionen. Nach dem Einmarsch der Sowjetunion 1979 und den folgenden Kriegsjahren Sieg der von den USA und Saudi-Arabien finanzierten Mudschaheddin. Danach kamen die fundamentalistisch islamischen Taliban-Milizen an die Macht, eine radikale Interpretation des Islam. Sie setzten insbesondere die Scharia mit aller Härte durch. Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 wurde das Taliban-Regime gestürzt. Seither bestimmt der Krieg in Afghanistan das Geschehen. Das Land ist seit 2004 eine Islamische Republik und verfügt mit Hamid Karzai über einen gewählten Präsidenten, der am 2. November 2009 für eine zweite Amtszeit bestätigt wurde.

Meine Mutter war eine sehr schöne Frau, die ich trotz ihrer sieben Kinder nie ungeschminkt oder nachlässig gekleidet gesehen habe. Außerdem war sie sehr fröhlich und immer guter  Laune, obwohl die Lebensumstände nicht immer Anlass für Heiterkeit gaben. Sie heiterte uns sowie Gäste und Nachbarn immer wieder auf, was eigentlich für eine afghanische Frau untypisch ist.

Die politische Situation war schon in meiner Kindheit sehr turbulent. Wegen seiner unbequemen liberalen und demokratischen Ansichten war mein Vater lange im Gefängnis.

An einem grauen mit Wolken verhangenen Morgen begannen Schießereien und man sagte es wäre Krieg ... Die Russen kamen. Trotz aller Not und großem Elend ging ich weiter zur Schule und besuchte die siebte Klasse, als die Familie mich ungefragt mit vierzehn Jahren verlobte. Natürlich mit einem älteren Man, der recht einflussreich und vermögend war. Mit fünfzehn folgte die Hochzeit und sehr bald auch das erste Kind, meine Tochter Khatera. Welch eine Freude in meinem Leben!

In der folgenden Zeit des Krieges half ich Verwundete zu versorgen, egal von welcher Seite sie waren.

Die politische Situation wurde aggressiver. Das führte dazu, dass meine engagierten Brüder wegen falscher Parteizugehörigkeit ins Gefängnis mussten. Das ist ein schlimmer Zustand in Afghanistan heute wie damals. Ich konnte ihre Not durch frische Nahrung und Kleidung ein wenig lindern.

In der folgenden Zeit schenkte uns der liebe Gott noch vier Jungen. Es waren dann also fünf Kinder! Mein Mann und meine sehr liebevollen Schwiegereltern, die mich wie eine eigene Tochter aufgenommen hatten, ermöglichten mir weiter den Schulbesuch. So konnte ich trotz schwierigster Zeiten mein Abitur machen - für Afghanistan damals absolut selten.

Der Krieg wurde immer heftiger und nahm kein Ende. Nachdem die Russen ein völlig verwüstetes Land hinterlassen hatten, kamen die noch brutaleren Taliban. Uns wurde schlagartig klar: Wir mussten unsere geliebte Heimat verlassen. Sofort, solange es überhaupt noch ging. Ich war 26 Jahre alt, meine fünf Kinder waren 1 bis 9 Jahre alt.

Der Weg führte uns nach Deutschland, weil dort bereits Familienangehörige und Freunde lebten. Was für ein Kulturschock! Von einem Leben als „Prinzessin aus dem Morgenland“ mussten wir uns mit extrem bescheidenen Umständen zurecht finden. Und die wärmenden Sonnenstrahlen fehlten uns jeden Tag.

Viele liebeswerte Menschen haben geholfen, dass wir nach und nach zurecht kamen und uns einleben konnten. Es war Gott sei Dank auch keine Zeit, zu überlegen, was man vermisst. Jeden Tag aufs Neue brauchte ich meine ganze Kraft, um die täglichen Herausforderungen zu meistern.

Mein in Afghanistan sehr angesehener Mann folgte uns nach einem Jahr und kam hier in Deutschland überhaupt nicht mit der neuen Situation klar: Ein Gefühl völliger Wertlosigkeit und Null Respekt machten ihm schwer zu schaffen. Die aus dieser Situation entstandenen, teils sogar gewalttätigen Spannungen in unserer Ehe nahmen so dramatische Folgen an, dass nur noch eine Scheidung als Ausweg blieb. Die allerschlimmste Zeit in meinem Leben. Aber es musste weiter gehen.

Als nunmehr alleinerziehende Mutter von fünf Kindern wollte und musste ich arbeiten, um eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland zu bekommen und um nicht weiter als Asylant tatenlos und ohne Wertgefühlt dahin zu vegetieren. Allen Widerständen zum Trotz machte ich eine Umschulung zur Bürokauffrau und später noch eine Komplett-Ausbildung zur Ganzheits-Kosmetikerin.

Das Leben ging also weiter, die Kinder wuchsen heran und verließen nach und nach die gemeinsame enge kleine Wohnung. Und ich schlug mich in Bonn teilweise mit drei verschieden Jobs parallel durch und kam gar nicht zum Nachdenken, um eventuelle persönliche Wünsche und Ambitionen zu verwirklichen.  

Und dann eines Tages schickte mir mein Meister einen blonden Ritter: meinen Marcellino Hudalla. Eine Belohnung für den langen steinigen Weg? Mehr als ich je zu träumen gewagt hätte! Ich zog schon bald nach Düsseldorf und fühlte mich sofort herzlich willkommen und großartig aufgehoben. 2008 kam dann die unvergessliche Hochzeit. Ich schau mir das wunderschöne 4-Stunden-Video jede Woche an und weine vor Glück.

Glück sollte man teilen, das spürte ich schon früh. Marcellino’s Charity „Pane e Vino e.V.“ ermöglichte mir schon bald, das eigene Glück weiter zu geben: Ich wurde aktive Charity-Botschafterin. Was muss man sich darunter vorstellen?

Ich organisiere Veranstaltungen, auf denen wir für unsere Projekte Geld sammeln. Aber mehr noch: Ich betreue persönlich krebskranke todgeweihte Kinder, helfe deren Müttern, mit dieser schlimmen Situationen klar zu kommen, kümmere mich persönlich um alte Menschen in Not, die so allein nicht mehr ein noch aus wissen.

Es ist für mich ein großer Luxus, dass ich meinem Herzenswunsch folgen kann, ohne dass ich mir für meinen Lebensunterhalt täglich Sorgen machen muss. Ich umarme Dich 1.000 Mal dafür, mein geliebter Marcellino.


Kurzvita

Nooria HudallaNooria Hudalla wurde 1964 in Kabul/Afghanistan geboren. Nach dem Abitur bis 1989 Tätigkeit als Grundschullehrerin. Heirat, 5 Kinder. Dann Übersiedlung nach Deutschland. Hier Erlernen der deutschen Sprache in Wort und Schrift.
Ab 1995 selbstständige Eventmanagerin in Bonn, später Umschulung zur Bürokauffrau in Brühl. Berufliche Tätigkeit in Düsseldorf und weitere Ausbildung an der Berufsfachschule für Ganzheitskosmetik.
Nach Scheidung Eheschließung in Düsseldorf mit dem Herausgeber von Marcellino’s Restaurant & Hotel Report. Ehrenamtliche Tätigkeit als Charity-Botschafterin für Pane e Vino e.V.
Sie lebt mit ihrer Familie in Düsseldorf.



Bangladesch

Mein Leben in Dhaka, Bangladesch

"Abenteuer wollten wir, Abenteuer bekamen wir"


von Jürgen Laske

Bangladesch kennt man aus den deutschen Medien eigentlich nur als Katastrophenland – eines der ärmsten Länder der Welt, überbevölkert und viel zu dicht besiedelt, verdreckt, das Trinkwasser mit Arsen belastet, einstürzende Fabriken, Überschwemmungen, verheerende Brände, Armut, überfüllte Fähren, chaotischer Verkehr, Korruption und politische Willkür. Seit August 2012 nennen wir dieses verrückte Land unsere neue Heimat.

Gut, ganz unbedarft sind wir nicht hierher gekommen. Immerhin leben, arbeiten und reisen wir nun schon seit fast 19 Jahren kreuz und quer durch Asien. Die Abenteuerlust und der Beruf meiner Frau als Bekleidungsingenieurin haben uns schon 1995 aus Deutschland nach Asien geführt. Wir waren fünf Jahre in Indonesien, dann sieben Jahre in Shanghai, für zwei Jahre in Hong Kong und danach für weitere fünf Jahre wieder in Shanghai bevor uns ein neuer Arbeitgeber als sogenannte Expat-Familie mit dem Auftrag, ein Einkaufsbüro für Textilien aufzubauen, nach Dhaka/Bangladesh schickte.

Info: Bangladesch

Bangladesch-Flagge
 

Staat in Südasien. Er grenzt im Süden an den Golf von Bengalen, im Südosten an Myanmar und wird sonst von fünf indischen Bundesstaaten umschlossen. Er nimmt den östlichen Teil der historischen Region Bengalen ein, der 1947 aufgrund der muslimischen Bevölkerungsmehrheit bei der Teilung Britisch-Indiens unter der Bezeichnung „Ostpakistan“ zum östlichen Landesteil Pakistans wurde. 1971 erlangte Ostpakistan infolge des Bangladesch-Krieges unter dem Namen Bangladesch seine Unabhängigkeit. Hauptstadt ist Dhaka – mit schätzungsweise 15 Millionen Einwohnern eine der am schnellsten wachsenden Metropolen der Welt.

Die Herausforderungen sind groß: Zwei Teenager auf eine internationale Schule schicken, Umzug samt Hund organisieren, Büro aufbauen, Mitarbeiter einstellen, Freundeskreis aufbauen, sich selbst organisieren und immer wieder selbst motivieren, damit der Frust über die allfälligen Probleme, die ausufernde Bürokratie und die täglichen kleinen Schwierigkeiten nicht überhand nimmt.

Deswegen bin ich – eigentlich studierter Informatiker – schon recht früh einer weiteren Berufung gefolgt und wurde als mitreisender Ehemann nicht nur freiberuflicher IT-Berater, sondern auch Yogalehrer. Und nach dem vierten Umzug und Karriereknick machte ich mich endgültig selbstständig und betreibe nun aus der Ferne einen Webshop für Yogakleidung in Deutschland.

Warum denn nun Bangladesch? Nach vielen Jahren Aufenthalt in China waren wir bereit für einen Wechsel, für neue Herausforderungen und wir wollten auch wieder etwas mehr „Abenteuer“ wagen. Bangladesch hat momentan ein gewaltiges Wachstumspotential. Es herrscht eine interessante „Goldgräber-Stimmung“. Die Menschen sind begierig auf Wachstum und Entwicklung. Mit unserer Vita und Erfahrung sind wir durchaus gerüstet, in diesem extremen Land bestehen zu können. Für Berufsanfänger oder absolute Novizen ist es nichts und man braucht schon ein gehörig gerütteltes Maß Kraft an Seele, Körper und Geist, um mit den Umständen zurecht zu kommen.

Abenteuer wollten wir, Abenteuer bekamen wir: Schon mal Wasser aus der Steckdose kommen sehen? Schon mal drei Stunden im Dauerstau für zwölf Kilometer gestanden und das als „normal“ empfunden? Sechs Stromausfälle pro Tag als „relativ stabile Stromversorgung“ tituliert?

Recht schnell merkten wir, dass das Schaffen von Oasen der Erholung eine große Notwendigkeit ist. Unser Zuhause ist eine solche Oase. Wir hatten das Glück, ein Haus mit Garten anmieten zu können, eine Seltenheit in der dichtbesiedelten Kapitale. Dank unserer mitgebrachten Möbel haben wir es uns schön eingerichtet und laden auch recht oft Freunde zu uns ein. In den fast 20 Jahren Leben und Arbeiten in Asien haben wir viele schöne Möbelstücke gesammelt – zum Beispiel eine wunderschöne Truhe aus indonesischem Tigerwood, ein Bett aus Teakholz oder einen großen Esstisch aus Mahagoni. Dazu kommen viele Bilder, Statuen, Thangka's, Buddha-Statuen und nicht zu vergessen unsere Fotos.

Da Bangladesh als islamisch-fundamentalistischer Staat den Alkoholkonsum verboten hat, ist es einigermaßen schwierig, abends zum Essen ein Glas Bier oder Wein zu trinken. Restaurants und Kneipen gibt es per se nicht, Alkohol gibt es nur in einigen wenigen und dafür extrem teuren 5-Sterne-Hotels. Und bei Preisen von acht Euro und mehr für eine Dose Bier vergeht einem der Durst schnell.

Einen Ausweg bieten die sogenannten Expat-Clubs. Es gibt in Dhaka rund zehn davon. Diese Oasen der westlichen Lebenskultur werden meist in Zusammenarbeit mit einer Botschaft betrieben und stehen den jeweiligen Mitglieds-Nationalitäten zur Verfügung, wie beispielsweise der American, Canadian, Australian oder auch Britsh Club. Es gibt auch einen Deutschen Club, der allerdings losgelöst von der Deutschen Botschaft auf privater Basis organisiert ist. Da Bedarf an professioneller Führung war, habe ich mich recht stark engagiert und wurde nun schon zum zweiten Mal als Präsident zum Vorstand des Betreibervereins gewählt.

Unsere 30 Mitarbeiter und ein recht starkes Managementteam zaubern hier leckeres Essen, betreiben einen Tennisplatz und Pool und sorgen für ausreichend Nachschub an Bier und Wein für unsere knapp 250 Mitglieder und viele Gäste. Dies ist nebenbei auch meine yogische 'Seva', mein Dienst an der Allgemeinheit, da ich für mein Engagement nicht vergütet werde.

Es ist aber ein unheimlich befriedigendes Gefühl, wenn man sieht, wie sich zum Beispiel unsere Kinder auf eine „westlich-normale“ Freizeit-Oase freuen, lokale Mitarbeiter für ordentliche Arbeitsbedingungen dankbar sind und sich unsere Mitglieder von den Herausforderungen ihres Arbeitslebens bei gutem Essen und einem Bier entspannen können. Unsere neueste Errungenschaft ist ein holzgefeuerter Pizzaofen, ein absolutes Novum und Highlight hier in Dhaka.

Da Bangladesch nicht unbedingt auf dem Radar des Tourismus liegt, ist das Angebot an Hotels und Freizeitmöglichkeiten sehr beschränkt. Das Reisen hier ist noch sehr ursprünglich und teilweise auch beschwerlich. Kürzlich machte ich einen Trip in die Sundarbans, das größte zusammenhängende Mangrovengebiet der Erde, auf der Suche nach den letzten freilebenden Tigern. Weiter ging es mit einem altersschwachen Schaufelraddampfer durch das Mündungsdelta des Ganges und schließlich mit Wanderschuhen in die Chittagong Hill Tracts, das Grenzgebiet zwischen Bangladesch und Myanmar.

Wer Interesse an einer der letzten Grenzen der Erde hat, sollte sich unbedingt Bangladesch anschauen. Das Land hat deutlich mehr zu bieten, als nur negative Schlagzeilen in den deutschen Medien. Wir werden voraussichtlich noch einige Jährchen hier bleiben und uns bemühen, bei der Entwicklung dieses Landes unseren Beitrag zu leisten.


Kurzvita

Jürgen LaskeJürgen Laske wurde 1967 in Sigmaringen geboren, studierter Informatiker, ehemaliger IT-Manager, Romanautor, Hobbyfotograf, begeisterter MTB-, Motorrad- und Allrad-Fahrer, Weltreisender und Kundalini-Yogalehrer. Mit seiner Frau Christin (eine erfolgreiche Bekleidungsingeneurin), zwei Kindern (16 & 14 Jahre) sowie zwei Hunden lebt und arbeitet er seit 1995 in Asien, u.a. in Indonesien, Hong Kong, Shanghai und Bangladesch. Jürgen Laske hat sich 2007 selbstständig gemacht und betreibt einen webshop für Yogakleidung. Daneben ist er als Präsident im Deutschen Club in Dhaka aktiv und schreibt regelmäßig in seinem Blog (http://www.jlaske.de/wp-blog/) über das Leben einer Expat-Familie im Ausland.



Sydney

Mein Leben in Sydney/Australien

"Wir leben dort, wo andere Urlaub machen"


von Daniel Jarosch

Draußen scheint die Sonne und es sind 28° Grad. Wir leben dort, wo andere Urlaub machen: in North Bondi, Australien - oder für die Neue Seefahrer Generation: 33.8879° S, 151.2808° E.

Wir, das sind ich, meine Frau Sibylle und unsere zwei Söhnen Luca (4) und Kiran (2). Wir leben in Sydney nur einen Steinwurf vom Pazifik entfernt. Weil das Wetter bekannter weise ein wenig besser ist als am Rhein spielt sich das Wochenend-Freizeit-Programm draußen in den Parks, in der Natur und am Strand ab. Und das schon ab sehr früher Uhrzeit. Ein Paradies für den gemeinen Frühaufsteher. Jeden Tag zwischen ab 6 Uhr morgens  (egal ob Regen oder Sonnenschein) tummeln sich schon hunderte von Schwimmern, Joggern und Fitnessfreaks am Strand. Das ist natürlich von Vorteil, wenn man früh aufstehende kleine Kinder hat. Hier ist immer etwas los. Und während man in Düsseldorf um 7 Uhr morgens sehr suchen muss, um ein offenes Café zu finden, muss man hier eher schauen, dass man um 7.30 Uhr noch einen Platz bekommt.

Australien ist das flächenmäßig sechstgrößte Land der Welt. Allerdings leben hier gerade einmal 22,8 Millionen Menschen. Also nur ein paar mehr als NRW. Die Bevölkerungsdichte beträgt 2,9 Einwohner pro Quadratkilometer. In Deutschland sind es 229 Einwohner pro Quadratkilometer.

Australien ist eines der beliebtesten Fernreiseziele der Deutschen. Das ist nicht überraschend, bietet Australien eine einzigartige Natur, wunderschöne Strände, hervorragende westliche touristische Infrastruktur oder auch Ortsnamen, die schon auf der 24-stündigen Anreise für mächtig Unterhaltung sorgen können: Humpybong, Woolloomooloo, No Where Else, End Of The World und Ozenkadnook; was soviel wie “sehr fettes Känguru” bedeutet.

Sydney ist eine wunderschön am Pazifik gelegene Großstadt mit 4,6 Millionen Einwohnern. Hier ist die größte - ohnehin meist übertriebene - Gefahr nicht das „Killer Wildlife“, sondern dass jeder Vorname bei der Einreise sofort auf eine Silbe abgekürzt wird und mit „i“ oder „o“ endet (ein lokales Zeichen der Sympathie, dass man jemanden mag), dass man gerne Rote Beete auf einen schmackhaften Hamburger legt oder dass Anschnallgurt und Lenkrad im Sommer schnell mal zum Brandeisen werden.

Die Stadt Sydney ist auf Fels gebaut - was für lokalen Haus- und Kellerbau oft eine Herausforderung darstellt. Es liegt um den wunderschönen Hafen, eine sehr große Bucht, an der auch das bekannte Sydney Opera House und die Harbour Bridge liegt. Das weitere Umland ist geprägt von Nationalparks, Eukalyptuswäldern und natürlich Stränden.

Sydney erhält regelmäßig Auszeichnungen für seine hohe Lebensqualität. Das Klima ist angenehm, die Nähe zum Pazifik ein Traum und die Infrastruktur (Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Shopping etc) hervorragend. Allerdings ist Sydney auch eine der weltweit teuersten Städte. Die Zeitschrift Economist hat sie vor kurzem als die drittteuerste Stadt der Welt nach Tokyo und Osaka und vor Zürich oder Paris bestimmt. Das heißt, entgegen hartnäckiger Gerüchte muss man auch in Australien arbeiten und die Woche unterscheidet sich nicht sehr von einem Arbeitsalltag sonst wo. Erwähnenswert ist vielleicht die englische Dinner-Kultur. Das gemeinsame Familienessen ist abends um 19 Uhr. Das hat zur Folge, dass viele Mitarbeiter gegen 18 nach Hause gehen, um mit der Familie zu Abend zu essen. Nach ein paar Stunden sieht man sie wieder auf Skype arbeiten.

Wenn man als Düsseldorfer in Australien lebt, ist es natürlich, das alltägliche Leben mit dem in Deutschland zu vergleichen. Wie schon erwähnt, der Lebensstandard ist in den meisten Aspekten vergleichbar mit dem in Deutschland. Natürlich gibt es einige Abweichungen, welche aber dem Gesamtbild und der hohen Lebensqualität keinen Abbruch tun.

Unterhaltsam ist es, die kleinen Dinge zu bemerken, die Australien so anders machen und einen manchmal zum Schmunzeln bringen:
Wenn die Busfahrer streiken, dann fahren sie trotz Streiks munter weiter Bus und befördern die Wartenden. Sie nehmen dann allerdings alle Fahrgäste umsonst mit. So bestrafen sie den, den es wirklich betrifft (die Stadt) und die Gäste lieben Ihre Busfahrer.

In Australien ist das Wählen Pflicht und so liegt die Wahlbeteiligung nie unter 94 Prozent während sie in Deutschland oft unter 75 Prozent liegt.  

An Feiertagen - den Tagen mit den statistisch meisten Verkehrstoten - werden einfach die Verkehrsstrafen verdoppelt. Und die sind ohnehin schon saftig: Falschparken normal: 70 Euro, 10 km/h zu schnell fahren: 250 Euro, Handy am Steuer: 360 Euro. Ob das nun der richtige oder falsche Weg ist, überlasse ich anderen zu beurteilen. Als Folge davon hält man sich sehr schnell an die Verkehrsregeln.

Kulturell hat Sydney, man mag es aufgrund der Lage im aktiven globalen Abseits kaum glauben, auch viel zu bieten. Aber gerade die geographische Lage hat zur Folge, dass man sich für die Welt hinter dem eigenen Tellerrand interessiert. Multikulti wird in Australien gelebt. Immerhin sind 25 Prozent der Australier nicht in Australien geboren. Ausstellungen aus der Met oder Moma kommen regelmäßig nach Sydney. Das Sydney Opernhaus ist vielleicht nicht in der Champions-League internationaler Opernhäuser, dennoch ist es immer ausgebucht und bemüht sich um ein abwechslungsreiches Programm, das breite Bevölkerungsschichten anspricht.

Australien Wappen
 Wappen

Australien

Abgeleitet von „terra australis“‚ heißt südliches Land und liegt auf der Südhalbkugel nordwestlich von Neuseeland und südlich von Indonesien. Die Einwohnerzahl liegt bei circa 23 Millionen. Hauptstadt ist Canberra. Rund 92 Prozent der Bevölkerung sind europäischer, 7 Prozent asiatischer Abstammung. Aborigines sind die Ureinwohner Australiens.
Hier ist die Heimat des Great Barrier Reef, des längsten Korallenriffs der Erde, dem Ayers Rock und vor allem von 35.000 Kilometer Küste. Dieses Land verfügt über eine Tierwelt, die sich stark vom Rest der Welt unterscheidet. Etwa 90 Prozent aller australischen Tiere gibt es nur auf diesem Kontinent. So die bekannten Verdächtigen: Känguru, Koala, Wombat, Platypus aber auch die weniger beliebten King Brown Snake, Inland Taipan oder Tiger Snake - denn die giftigsten Schlangen der Welt sind alle in Australien heimisch. 85 Prozent aller Australier wohnen in den Städten Sydney, Melbourne, Brisbane, Perth und Adelaide.

Kinder werden hier schon in sehr frühem Alter an das Meer gewöhnt. So strömen jedes Wochenende tausende sogenannter „Nippers“ (das sind Kinder im Vorschul- und Schulalter) an den Strand und machen Sport und Spiele im Sand und in den Wellen. So lernen sie alles über die Wellen, die Strömungen und auch das Surfen. Das geht natürlich bei uns älteren zugezogenen Exil-Düsseldorfern nicht mehr so schnell. Wir surfen doch lieber dann, wenn die Welle nicht so groß ist, dass ein Doppeldeckerbus hineinpassen würde. Das überlassen wir den Pros.

Ich selber spiele immer noch Feldhockey. Ich habe 20 Jahre beim Düsseldorfer HC gespielt und bin noch sehr mit dem Club und dem Sport verbunden. Leider gibt es hier nicht so einen tollen Hockey Club. Darum fahre ich ein bis zweimal die Woche nach Homebush (ein Sportpark, der extra für die Olympischen Spiele im Jahr 2000 gebaut wurde) und spiele dort mit Gleichaltrigen in der Veteranen Liga. Meine zwei Jungs spielen gerne Fußball, der bei den Jungen in den Parks sehr populär ist und dem Rugby inzwischen den Rang abläuft.


Kurzvita

Daniel JaroschDaniel Jarosch ist deutscher und australischer Staatsbürger und studierte Betriebswirtschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Systems Dynamics am MIT, Boston/USA, und der TU Dresden.
Daniel ist Unternehmer und Geschäftsführer von mehreren Internet Unternehmen (u.a. brandsExclusive.com.au, spreets.com.au oder styletread.com.au. Er wurde für den "Entrepreneur des Jahres" 2012 von Ernest Young nominiert und erhielt 2013 den Pearcey Australien Anerkennungspreis für seine Unternehmerischen Erfolge.brandsExclusive ist eines der führenden australischen E-Commerce-Unternehmen und wurde von ihm und Rolf Weber im Jahr 2008 gegründet. 
brandsExclusive hat 180 Mitarbeiter, 3 Millionen Mitglieder und arbeitet mit ca. 1.000 Marken. Im Jahr 2012 gewann brandsExclusive  den Deloitte Tech Fast 50 Preis für das am schnellsten wachsende Unternehmen in Australien und Platz 31 in Asien.  2013 gewann brandsExclusive den BRW 100 Fast Starter Preis. brandsExclusive wurde Ende 2012 an APN verkauft. Vor brandsExclusive hat Daniel mit führenden Internetfirmen (eBay, Gameduell.de und myHammer) sowie mit PwC und Deutsche Bank in Management Positionen gearbeitet.
Daniel ist ein aktiver Business Angel und investiert in junge Start-ups.