{"id":131322,"date":"2023-12-14T12:11:43","date_gmt":"2023-12-14T11:11:43","guid":{"rendered":"https:\/\/www.djournal.de\/michael-becker-intendant-duesseldorfer-symphoniker"},"modified":"2024-01-29T10:45:15","modified_gmt":"2024-01-29T09:45:15","slug":"michael-becker-intendant-duesseldorfer-symphoniker","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.djournal.de\/michael-becker-intendant-duesseldorfer-symphoniker","title":{"rendered":"Interview: Michael Becker Intendant D\u00fcsseldorfer Symphoniker"},"content":{"rendered":"

Das Interview mit Michael Becker, Intendant der D\u00fcsseldorfer Symphoniker und der Tonhalle D\u00fcsseldorf sowie Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer der Tonhalle D\u00fcsseldorf gGmbH<\/i><\/p>\n

\u201eMUSIKER ZU SEIN HILFT SEHR, DAS ORCHESTER ZU VERSTEHEN.\u201d <\/strong><\/p>\n

Das Publikum der Tonhalle kennt Sie als den smarten Moderator, der die Musiker und das Publikum bei jeder Auff\u00fchrung pers\u00f6nlich begr\u00fc\u00dft. Sie k\u00f6nnten selber im Orchester sitzen und Viola spielen oder \u00fcber das Konzert schreiben. Denn Sie sind Musiker und Journalist. Wie kamen Sie von der Bratsche zum Journalismus und dann zur Intendanz?<\/strong><\/em>
\nDer Wechsel hat stattgefunden, als ich neben dem Studium der Viola bei J\u00fcrgen Kussmaul in D\u00fcsseldorf Artikel f\u00fcr die Rheinische Post geschrieben habe. F\u00fcr diese Zeit habe ich sogar ein Zeugnis, das von Wolfram Goertz unterschrieben worden ist. Da habe ich gemerkt, dass ich sehr gerne \u00fcber Musik spreche und schreibe. Also musste ich mich entscheiden: M\u00f6chtest du die n\u00e4chsten 40 Jahre ins Orchester gehen oder vielleicht doch etwas anderes machen. Ich habe dann f\u00fcr verschiedene Zeitungen und Rundfunkanstalten gearbeitet und war 12 Jahre Intendant der Nieders\u00e4chsischen Musiktage. F\u00fcr mich ist mein Berufsweg sehr stimmig, denn die Ausbildung als Musiker und das Musikersein hilft mir sehr, das Orchester zu verstehen.<\/p>\n

Haben Sie Lieblingsepochen oder Lieblingskomponisten?<\/strong><\/em>
\nNein, ich liebe sie alle. Es ist nat\u00fcrlich zum einen stimmungsabh\u00e4ngig, aber ich versuche auch Musik immer aus der Situation heraus zu verstehen, in der sie entstanden ist. Ein kleines Barockwerk \u201ekracht\u201d nicht so wie ein gro\u00dfer Romantiker. Man sollte es kompensatorisch h\u00f6ren. Dann ist es genauso \u201elaut\u201d und ergreifend wie eine Symphonie. Und da ich vier Kinder habe, komme ich mit sehr vielen Musikrichtungen in Kontakt, auch mit elektronischer Musik.<\/p>\n

Spielen Sie noch Viola und singen Sie unter der Dusche?<\/em><\/strong>
\nJa, Viola spiele ich noch immer und nein, ich singe nicht, aber daf\u00fcr pfeife ich den ganzen Tag. Ich merke das gar nicht mehr, aber jeder wei\u00df schon vorher, dass ich um die Ecke komme.<\/p>\n

Ihre Frau Sara Koch ist Pianistin. Sind Hauskonzerte bei Ihnen so normal wie im Hause des Ex-Oberb\u00fcrgermeisters Thomas Geisel?<\/strong><\/em>
\nWir musizieren viel zusammen. Unsere dritte Tochter spielt auch Bratsche, gelegentlich auch mit mir. Unsere Kinder haben alle ein Instrument gelernt. Die \u00c4lteste spielt Kontrabass, die zweite Tochter spielt Cello, die dritte Bratsche und der Kleine Posaune. Wir haben auch Freunde, mit denen wir Kammermusik machen.<\/p>\n

Ich kann mir jetzt gar nichts anderes vorstellen, als dass Sie Ihre Frau auch \u00fcber die Musik kennengelernt haben \u2026<\/strong><\/em>
\nDa liegen Sie v\u00f6llig richtig. Ich habe meine Frau bei einem Klavierabend meines Bruders kennengelernt. Er ist Professor f\u00fcr Klavier und Kammermusik an der Hochschule f\u00fcr Musik, Theater und Medien Hannover. Sara hat damals bei ihm studiert.<\/p>\n

Zu Ihren zahlreichen T\u00e4tigkeiten sind Sie auch noch Schirmherr des Kinderschutzbundes D\u00fcsseldorf e.V. und Botschafter der \u201eDu bist wertvoll\u201d-Stiftung. Auf wie viele Arbeitsstunden kommen Sie in der Woche?<\/strong><\/em>
\nDa gucke ich nicht drauf. Ich habe ausreichend Freizeit, aber die besteht auch aus dem Konzert, das ich besuche. Die \u00dcberg\u00e4nge sind f\u00fcr mich flie\u00dfend. Auch dieses Interview z\u00e4hle ich nicht unter Arbeit. Ich rede gerne mit Leuten und das mache ich zuf\u00e4llig gerade in meinem B\u00fcro.<\/p>\n

\u2013\u2013<\/p>\n

Michael Becker
\nKurzvita<\/strong><\/p>\n

Michael Becker, geboren 1966 in Osnabr\u00fcck und aufgewachsen in Hannover, stammt aus einer Musikerfamilie. Der Vater war Pr\u00e4sident der Hannoverschen Musikhochschule, seine Mutter unterrichtete Musik an einer Grundschule. Becker war Mitglied im Knabenchor der Stadt und studierte Viola in D\u00fcsseldorf. Er war Mitglied im K\u00f6lner Kammerorchester, in der Jungen Deutschen Philharmonie, im European Community Youth Orchestra und im Orchester der St\u00e4dtischen B\u00fchnen Krefeld\/M\u00f6nchengladbach. Nach einem Studium am Institut f\u00fcr Journalistik und Kommunikationsforschung in Hannover arbeitete er f\u00fcr die Hannoversche Allgemeine Zeitung, den Rheinischen Merkur sowie den Mitteldeutschen und den Norddeutschen Rundfunk. 1994 bis 2006 war Michael Becker Intendant der Nieders\u00e4chsischen Musiktage, unterrichtete an der Leuphana Universit\u00e4t L\u00fcneburg, an der Robert-Schumann-Hochschule D\u00fcsseldorf und h\u00e4lt regelm\u00e4\u00dfig Vortr\u00e4ge. Seit 2007 ist Michael Becker Intendant der D\u00fcsseldorfer Symphoniker und der Tonhalle D\u00fcsseldorf, seit 2018 zudem Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer der neu gegr\u00fcndeten Tonhalle D\u00fcsseldorf gGmbH. Becker ist u. a. Intendant des Schumannfests D\u00fcsseldorf, Vorstand der Orchesterakademie der D\u00fcsseldorfer Symphoniker und des Freundeskreises der Tonhalle D\u00fcsseldorf, der mittlerweile 550 Mitglieder z\u00e4hlt. Becker lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern in D\u00fcsseldorf-Derendorf. Sein Sternzeichen: Steinbock.<\/p>\n

\u2013\u2013<\/p>\n

Ich versuche Musik immer aus der Situation heraus zu verstehen, in der sie entstanden ist.\u201d<\/strong><\/em><\/p>\n

Mit Ihnen als Intendant hat die Tonhalle ein neues Image bekommen. Sie haben das Konzept \u201eTonhalle 0 bis 100\u201d erschaffen. F\u00e4ngt das tats\u00e4chlich bei 0 an?<\/strong><\/em>
\nWir sind tats\u00e4chlich das erste Konzerthaus Deutschlands, das Musik f\u00fcr jede denkbare Altersgruppe \u2013 vom ungeborenen Baby in der Reihe \u201eUltraschall\u201d \u00fcber die jugendliche Generation in der Reihe \u201e#IGNITION\u201d bis zur Reihe \u201eSchroeder\/Boning\/Schafroth geht ins Konzert\u201d f\u00fcr Klassik-R\u00fcckkehrer anbietet. Die j\u00fcngsten Tonhallenbesucher sind drei Monate alt.<\/p>\n

Wie sieht es mit den Abonnements aus?<\/strong><\/em>
\nDa haben wir gerade einen Rekord gebrochen mit 5.664 Abonnements. Das ist mehr als in der Vor-Coronazeit und die Anmeldungen laufen aktuell noch.<\/p>\n

Welches ist das beliebteste Format?<\/em><\/strong>
\nDie Sternzeichenkonzerte. Die Idee kam auch nicht von ungef\u00e4hr, denn die Tonhalle, die ehemals Rheinhalle hie\u00df und von dem Architekten Wilhelm Kreis 1926 als Planetarium gebaut wurde, ist eben ein \u201ePlanetarium der Musik\u201d und wegen des \u201eIndoor-Sternenhimmels\u201d beim Publikum sehr beliebt.<\/p>\n

Neu in der Saison 2023\/24 ist der \u201eGreen Monday\u201d. Hier laden Sie die Besucher zu einem emissionsarmen Konzerterlebnis ein. Was habe ich mir darunter vorzustellen?<\/em><\/strong>
\nBei jedem Sternzeichenkonzert wird ein Nachhaltigkeitsthema beleuchtet. Wir wollen dem Publikum zeigen, was wir als Tonhallenbetreiber machen k\u00f6nnen. Wir drehen das Licht oder die Heizung herunter. Wir ver\u00e4ndern jeweils einen Parameter dessen, was man gewohnt ist in einem Konzert und fragen: K\u00f6nnt Ihr damit leben? Oder wir sagen: Wenn Ihr k\u00f6nnt, kommt mit dem \u00d6PNV oder mit dem Fahrrad. Dann k\u00f6nnen wir sagen, die Veranstaltung heute f\u00fchrt zu einer CO2-Reduktion in H\u00f6he von XY. Es ist ein offenes Panel. Andere Sachen sind diskussionsw\u00fcrdig. Wollen wir wirklich alle Programmhefte abschaffen und alles auf Smartphones packen? Bei jedem \u201eGreen Monday\u201d-Konzert wird nur ein Parameter abgefragt und die Konzertbesucher entscheiden mit einer Holzm\u00fcnze, ob sie daf\u00fcr oder dagegen sind. Landet die M\u00fcnze im roten Kasten, sind sie dagegen, im gr\u00fcnen Kasten sammeln sich die Bef\u00fcrworter. Die Beteiligung beim ersten Konzert war sehr gut.<\/p>\n

Gibt es auch Musik zu diesem Thema?<\/strong><\/em>
\nElf Komponistinnen und Komponisten aus der ganzen Welt haben sich auf das Experiment eingelassen und Themen wie \u201eRecycling\u201d, \u201eEnergieeffizienz\u201d oder \u201eDigitalisierung\u201d in Musik verwandelt. Diese wird von den D\u00fcsseldorfer Symphonikern exklusiv als Prolog zum Sternzeichen-Programm gespielt. Dadurch dauern die Montagskonzerte drei bis vier Minuten l\u00e4nger, Sie bekommen also noch mehr f\u00fcrs Geld. Im Anschluss gibt es eine kleine Diskussion auf der B\u00fchne mit der Musikerin und Klimabotschafterin Lea Br\u00fcckner und mir als Sparringspartner.<\/p>\n

Was sind die n\u00e4chsten Themen beim \u201eGreen Monday\u201d?<\/strong><\/em>
\nAm 11. Dezember wird es um W\u00e4rmeeffizienz gehen. Am 15. Januar 2024 steht das Thema Digitalisierung an und am 5. Februar gibt es eine Komposition \u00fcber die Ressource Wasser.<\/p>\n

Die D\u00fcsseldorfer Symphoniker, wer sind das und wie viele?<\/strong><\/em>
\nUnsere Symphoniker bestehen aus rund 130 Musikerinnen und Musikern aus 27 Nationen und haben eine sehr alte Tradition. D\u00fcsseldorf war die zweite deutsche Stadt, die im 19. Jahrhundert ein st\u00e4dtisches Orchester gr\u00fcndete. Bei uns spielen Russen, Ukrainer, Israelis und ca. 50 Prozent der Musikerinnen und Musiker stammen nicht aus Deutschland, kommen aus den USA, der T\u00fcrkei, Spanien, Australien, Korea, Japan\u2026<\/p>\n

Wer ist f\u00fcr die Musiker zust\u00e4ndig. Wer sucht sie aus?<\/strong><\/em>
\nDas ist ein basisdemokratischer Prozess. Das gesamte Orchester sitzt im gro\u00dfen Raum. Vorne stehen die Musiker und zeigen uns ihre Kunst. Danach wird lange geredet und man entscheidet sich dann f\u00fcr eine Person und zwar f\u00fcr jedes Instrument. Probespiele sind ein wichtiger Bestandteil des Terminkalenders. Im Moment haben wir rund zehn Stellen zu besetzen. Das liegt daran, dass wir einen Schub von Musikern in den sp\u00e4ten 80-ern bekommen haben, die jetzt alle in Rente gehen. Aber auch in anderen Bereichen gibt es immer wieder Ver\u00e4nderungen. Ernst von Marschall, der das Jugendsinfonieorchester leitet, geht ebenfalls bald in Rente. F\u00fcr ihn eine Nachfolge zu finden, das ist ein Vabanquespiel, denn mit der Neubesetzung entscheidet man, in welche Richtung es dann geht.<\/p>\n

M\u00fcssen die neuen D\u00fcsys denn viel reisen?<\/strong><\/em>
\nDie Frage nach Tourneen stellt sich eher selten. Das Orchester ist hier in der Tonhalle beheimatet, spielt aber zu
\n70 Prozent in der Oper. Alle zwei Jahre steht eine gr\u00f6\u00dfere Tour auf dem Programm. Im M\u00e4rz 2024 gehen wir auf eine Spanien-Tournee. F\u00fcr 2025 sind Konzerte in Japan, China und Korea geplant. Aber wir sind kein Reiseorchester.<\/p>\n

Wie viele Konzerte spielen die D\u00fcsys in der Tonhalle?<\/strong><\/em>
\nHier im Haus finden rund 50 Konzerte mit den D\u00fcsseldorfer Symphonikern statt, davon alleine 36 Sternzeichenkonzerte, dann gibt es noch den Aeolus-Wettbewerb, die beiden Neujahrskonzerte, das Menschenrechtskonzert sowie die Kinder- und Jugendkonzerte.<\/p>\n

Ihr Vertrag l\u00e4uft noch bis zum n\u00e4chsten Sommer und dann?<\/strong><\/em>
\nIch hoffe, dass ich noch l\u00e4nger hier arbeiten darf.<\/p>\n

Falls Sie verl\u00e4ngert werden, wo w\u00fcrden Sie gerne in f\u00fcnf Jahren stehen? Geht da \u00fcberhaupt noch mehr?<\/strong><\/em>
\nAuf jeden Fall. Wir sind erst seit sechs Jahren eine gGmbH, die es uns erlaubt hat, nach au\u00dfen zu denken. Wir haben gerade einen neuen kaufm\u00e4nnischen Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer eingestellt. Ver\u00e4nderung hei\u00dft auch nicht, wir machen noch eine und noch eine Reihe. Wir m\u00fcssen uns vielmehr fragen, an welcher Schraube wir drehen m\u00fcssen. Und dann gibt es noch die Ideen aus den eigenen Reihen: Die Orchestermusiker m\u00f6chten gerne mehr Kammermusik machen. Das ist insofern schwierig, als die Tonhalle jeden Tag voll ist. Aber wir k\u00f6nnten einen Tag der Kammermusik machen. Das w\u00e4re dann wieder spektakul\u00e4r.
\n\u25a0 Dr. Susan Tuchel<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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