{"id":1568,"date":"2019-08-22T19:39:38","date_gmt":"2019-08-22T17:39:38","guid":{"rendered":"https:\/\/djournal.de\/?p=1568"},"modified":"2019-09-11T16:59:29","modified_gmt":"2019-09-11T14:59:29","slug":"2019-bernd-desinger","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.djournal.de\/2019-bernd-desinger","title":{"rendered":"„Lange Zeit war mein eigentlicher Plan eine Karriere als Rockmusiker“"},"content":{"rendered":"\n

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Interview mit Bernd Desinger, Leiter des Filmmuseums D\u00fcsseldorf, Autor<\/h2>\n\n\n\n
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von Barbara Schmitz<\/p>\n\n\n\n

Nach dem Studium hattest du beruflich die Chance, deinen Neigungen bei den Goethe-Instituten (internationale kulturelle Zusammenarbeit, F\u00f6rderung der deutschen Sprache und Vermittlung eines aktuellen Deutschlandbildes) nachzugehen. Du warst weltweit aktiv. War das damals dein Wunschberuf?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Beim Goethe-Institut haben sich die verschiedenen Dinge, die ich bis dahin gemacht hatte und die mich sehr interessierten, wunderbar zusammengef\u00fcgt. Tats\u00e4chlich war bis dahin aber lange Zeit mein eigentlicher Plan eine Karriere als Rockmusiker.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Welche Erfahrungen aus der Zeit sind dir besonders wichtig?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Wenn man in anderen L\u00e4ndern lebt und arbeitet, zumal auf anderen Kontinenten, erschlie\u00dfen sich einem im wahrsten Sinne des Wortes v\u00f6llig neue Welten. Ich habe viele interessante Menschen kennengelernt, deren Gedanken und Arbeit ich sehr wertsch\u00e4tze, und spannende gemeinsame Projekte mit ihnen durchgef\u00fchrt. Der berufliche Umgang mit anderen Kulturen ist dazu auch eine hohe Schule der Diplomatie. Bei aktivem Engagement ist es durchaus m\u00f6glich, Schwerpunkte in seiner T\u00e4tigkeit zu setzen bzw. verfolgen. Das hat mir sehr gut gefallen.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Was hat dich bewogen, dich anschlie\u00dfend auf den Film und das Schreiben von B\u00fcchern zu konzentrieren?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Dies geschah nicht anschlie\u00dfend, sondern fand bereits vorher und auch parallel statt. Ich hatte schon vor und w\u00e4hrend des Studiums geschrieben und neben Sachb\u00fcchern dann zur Goethe-Zeit zwei literarische B\u00fccher ver\u00f6ffentlicht. Was den Film angeht, machte ich w\u00e4hrend des Studiums unter anderem eine Kameraausbildung und arbeitete als Kino-Vorf\u00fchrer. Meine Examensarbeit schrieb ich \u00fcber Literaturverfilmung. Von 2000 an bis zu meinem Umzug nach Los Angeles war ich in der Zentrale des Goethe-Instituts f\u00fcr die Bereiche Film und Audiovisuelle Medien t\u00e4tig. In der Welthauptstadt des Films war das nat\u00fcrlich ein gro\u00dfer Schwerpunkt. Unter den vielen Programmen und Projekten habe ich das heute noch existierende deutsche Filmfest \u201eGerman Currents\u201c begr\u00fcndet und eine erfolgreiche Film-Talkshow moderiert. Der Wechsel nach D\u00fcsseldorf zum Filmmuseum war insofern ein passender Anschluss an diese Zeit. Und das Schreiben ging nat\u00fcrlich weiter, nahm aber noch mehr an Fahrt auf.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Als Leiter des Filmmuseums bist du offensichtlich fasziniert von bewegten Bildern. Um Romane zu schreiben, ben\u00f6tigst du ja die F\u00e4higkeit, in bildhaften Szenen zu denken. Was war zuerst da, die Liebe zum Film oder die Faszination f\u00fcr Geschichten?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Schon als Kind und Jugendlicher habe ich Geschichten geliebt, wahnsinnig viel gelesen und auch den einen oder anderen Gedanken selbst zu Papier gebracht. Den ersten Kontakt mit Film gab es allerdings auch bereits in der Grundschule. Ich freute mich \u00fcber die gelegentlich gezeigten Kurzfilme und schaute mir ab, wie die Projektoren funktionierten. Im vierten Schuljahr wurde ich regelm\u00e4\u00dfig ausgerufen, um in anderen Klassen Filme vorzuf\u00fchren. Mit etwa 15 erbte ich einen alten Schwarzwei\u00df-Fernseher und sah fast jede Nacht irgendeinen Spielfilm aus aller Welt. Die Begeisterung f\u00fcr beide Medien hat indes einen gemeinsamen Kern. Denn was ist ein guter Spielfilm anderes, als eine in tollen Bildern erz\u00e4hlte Geschichte?<\/em><\/p>\n\n\n\n

Als Autor hast du ja schon mehrere Sachb\u00fccher herausgegeben. Gab es ein ausl\u00f6sendes Element, warum du dich dann dem Schreiben von Romanen zugewandt hast?  <\/strong><\/p>\n\n\n\n

Genaugenommen war die literarische Arbeit zuerst da. Lange vor den Sachb\u00fcchern hatte ich \u00fcber viele Jahre Texte f\u00fcr die St\u00fccke meiner Bands geschrieben. Rocklyrik, wie ich das nenne, und Gedichte. Auch mein erster Roman, der nur eine l\u00e4ngere Ver\u00f6ffentlichungsgeschichte hatte, war im Grunde vor dem ersten Sachbuch fertig.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Steht zu Beginn eines jeden Romans ein klares Script, Konzept? Oder entwickelt sich die Handlung noch beim Schreiben?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Die grunds\u00e4tzlichen Plot Lines, wie man Neudeutsch sagt, und Charakterentwicklungen liegen fr\u00fch fest und sind der Ausgangspunkt. Andererseits gibt es w\u00e4hrend des Schreibprozesses immer wieder Erg\u00e4nzungen und \u00c4nderungen. Wichtig ist mir, glaubhafte Figuren zu schaffen. So \u00fcberlege ich mir f\u00fcr die Haupthelden komplette Biografien, Verwandtschaftsbeziehungen, Freundschaften, Eigenarten, Vorlieben und so weiter.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Liegen neben deinem Bett immer Blatt & Stift?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Meistens ja, denn in der Tat kommt mir nachts schon mal die eine oder andere gute Idee. Andererseits bin ich dann \u00fcberzeugt, dass ich mich nach dem Aufwachen auch so daran erinnern werde. Leider ein Trugschluss, oft habe ich die Idee dann doch vergessen.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Hast du ein Ritual beim Schreiben?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Mein Vorbild sind die Drehbuchautoren im alten Hollywood. Die sa\u00dfen jeden Morgen um 9 Uhr in ihren kleinen Stuben in den Studios und schrieben. Den Luxus, darauf zu warten, dass dich die Muse k\u00fcsst, gibt es nicht. Daf\u00fcr k\u00fcsst einen die Muse viel \u00f6fter beim harten Arbeiten, als man glauben m\u00f6chte.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Wieviel Anteil nimmt die Recherche an jedem Roman ein?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Auf jeden Fall einen erheblichen. Selbst Dinge, die ich zu glauben wei\u00df, sichere ich oft noch mal ab. Zum Gl\u00fcck unerkenntlich f\u00fcr die Leserinnen und Leser k\u00f6nnen manchmal wenige S\u00e4tze genauso viel Zeit in Anspruch nehmen, wie mehrere Seiten.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Machen sich die Figuren Deiner Geschichten auch mal selbstst\u00e4ndig, k\u00f6nnen sie dich auch mal \u00fcberraschen?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Ja, das geschieht immer wieder und geh\u00f6rt zu den bereichernden Ph\u00e4nomenen beim Schreiben.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Erschaffst du in deinen Romanen auch Personen, die dir zutiefst unsympathisch sind?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Gelegentlich schon, solche Antagonisten sind in vielen Geschichten f\u00fcr die Handlung und die Entwicklung der Hauptcharaktere notwendig. Schwarz-Wei\u00df-Zeichnungen versuche ich allerdings zu vermeiden. Ebenso wie bei mir auch die \u201eGuten\u201c nicht immer moralisch richtig handeln, gibt es auch bei den fragw\u00fcrdigen Charakteren Z\u00fcge, die sie menschlich machen.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Hilft dir das Schreiben beim Verarbeiten eigener Befindlichkeiten?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Obwohl das kein erkl\u00e4rtes Ziel ist, stimmt das vermutlich schon. Beim Schreiben gerade komplexerer Geschichten setzt man sich mit vielem, auch mit sich selbst auseinander.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Deine Doppelweg-Trilogie, soeben erschien deren letzter Teil \u201eDie Runde der Raben\u201c, ist wunderbar vielschichtig und verwoben. Welche Genres bietest du dem Leser an?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Eine interessante Frage, denn in der Tat folgt die Erz\u00e4hlung keinem eindeutigen Genre, sondern vermischt mehrere. Es handelt sich einmal um einen gro\u00dfen Abenteuer- und Reiseroman. Obwohl er in der realen Welt von heute spielt, werden die Helden immer wieder mit fantastischen, surrealen Erlebnissen konfrontiert. Die Suche von Jannifer, Lance, Eric und Falk nach ihrem unter mysteri\u00f6sen Umst\u00e4nden verschwundenen Freund Arthur tritt sehr bald in den Hintergrund. Ohne es am Anfang recht zu bemerken, haben sich alle auf eine gro\u00dfe Suche nach sich selbst begeben. So handelt es sich auch im ganz klassischen Sinne um einen Bildungs- und Entwicklungsroman.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Welche Themen verpackst du hinein, was ist dir besonders wichtig?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Das ganz gro\u00dfe Thema ist die Suche nach sich selbst, beziehungsweise die Selbstfindung. Auf ihren Reisen m\u00fcssen sich die Hauptcharaktere immer wieder gro\u00dfen Herausforderungen stellen, Aufgaben bew\u00e4ltigen und Gefahren meistern. Die Freiheit des einzelnen, \u00fcber sein Geschick zu entscheiden trotz sichtbarer und unsichtbarer Faktoren, die auf unser Leben steuernd einwirken, steht dabei im Vordergrund. Au\u00dferdem ist es mir ein Anliegen, die Augen f\u00fcr die Geschichte hinter der Geschichte zu \u00f6ffnen, auch aufmerksam zu sein f\u00fcr das, was Gesellschaften gef\u00e4hrden kann. Bei allem aber sollen sich Leserinnen und Leser gut unterhalten f\u00fchlen und die B\u00fccher genie\u00dfen.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Stellst du Bez\u00fcge zu historischen, zeitgeschichtlichen und sozialen Zusammenh\u00e4ngen her?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Mit den L\u00e4ndern und Orten, durch die die jungen Erwachsenen reisen, werden auch geschichtliche und gesellschaftliche Themen ber\u00fchrt, die diese selbst und oft die ganze Welt bewegt haben und bewegen. Man kann zum Beispiel \u00fcber die S\u00fcdstaaten der USA nicht reden, ohne die Geschichte der Sklaverei oder den B\u00fcrgerkrieg zu erw\u00e4hnen, \u00fcber S\u00fcdafrika und die Townships nicht, ohne die Apartheid zu thematisieren. Neben historisch tiefgreifenden Einschnitten und Ver\u00e4nderungen wie bei den Indianerv\u00f6lkern Nordamerikas wird andererseits deren Weltvorstellungen und Mythen gro\u00dfes Gewicht verliehen.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Das v\u00f6llig Unglaubliche knallt quasi in das Leben der f\u00fcnf Protagonisten. Was inspirierte dich dazu? <\/strong><\/p>\n\n\n\n

Nichts bringt einen so sehr dazu, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, wie wenn man mit einer au\u00dfergew\u00f6hnlichen, einer unerh\u00f6rten Situation konfrontiert wird und diese bew\u00e4ltigen muss. Beim Schreiben macht es aber auch gro\u00dfen Spa\u00df, die Heldinnen und Helden – teilweise v\u00f6llig arglos – in eine Paralleldimension, in eine andere Zeit oder in eine m\u00e4rchenhafte Welt gleiten zu lassen.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Du sch\u00f6pfst die volle Bandbreite der erz\u00e4hlerischen Elemente aus und spielst sogar mit M\u00e4rchenmotiven und Zeitspr\u00fcngen, so auch in Band 3 der Trilogie \u201eDie Runde der Raben\u201c. Von deinen Charakteren, die weltweit unterwegs sind, um ihre Abenteuer zu meistern, landet einer zum Rosenmontag im heimischen D\u00fcsseldorf und streift die Zeit, als Robert und Clara Schumann auf der Bilker Stra\u00dfe wohnten.<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Das stimmt. Zur Karnevalszeit schl\u00e4gt Falk buchst\u00e4blich im heutigen D\u00fcsseldorf auf. Nachts ver\u00e4ndert sich die Szenerie auf mysteri\u00f6se Weise \u2026<\/em><\/p>\n\n\n\n

Du bist bekennender Liebhaber der Original D\u00fcsseldorfer Gaslaternen. Darf ich hier verraten, dass auch sie im 3. Band kurz auftauchen?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Das ist in Ordnung, das konnte ich mir nicht nehmen lassen!<\/em><\/p>\n\n\n\n

Dein Schreibstil umfasst dialoggetriebene Teile und epische Landschafts- und Ortsbeschreibungen. Wie kommt das bei deiner Leserschaft an, erh\u00e4ltst du da Feedbacks?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Gerade dieser Wechsel ist wahrscheinlich einer der Faktoren, die Kritik und Leserschaft als \u201efilmisches Schreiben\u201c wahrnehmen. Erfreulicherweise sind die Reaktionen darauf sehr positiv. Leserinnen und Leser erw\u00e4hnen immer wieder, dass sie die beschriebenen Orte und Gegenden so intensiv erleben, als seien sie gleichsam selbst dort.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Deine Trilogie ist eine m\u00e4rchenhaft reale Hommage an das Leben und hat dir 13 Jahre intensive Recherche und Arbeit abverlangt. Willst du so weiter powern?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Es gibt noch verschiedene Vorhaben, die ich mittelfristig umsetzen m\u00f6chte. Ein derartiges Gro\u00dfprojekt ist allerdings derzeit nicht darunter.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Ganz herzlichen Gl\u00fcckwunsch zu deinem pers\u00f6nlichen Jubil\u00e4um. Du bist seit dem 1. August 2009, seit nunmehr 10 Jahren, der Leiter des Filmmuseums hier in D\u00fcsseldorf. D\u00fcrfen wir uns auf weitere Jahre mit spannenden Ausstellungen & Events rund um das Thema Film mit dir freuen?<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Das hoffe ich doch sehr!<\/em><\/p>\n\n\n\n


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Kurzvita<\/h2>\n\n\n\n

\"Bernd


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