20. November 2019In 2019/4

„Ich möchte Menschen für neue Ideen und Konzepte begeistern“

Interview mit Karin-Brigitte Göbel, Vorständin der Stadtsparkasse Düsseldorf

von Dr. Susan Tuchel


„Bochum, ich komm aus dir …“  Im Unterschied zu Herbert Grönemeyer, der in Göttingen zur Welt kam, wurden Sie in Bochum geboren, da, wo laut Grönemeyer „das Herz noch zählt / nicht das große Geld“. Was zählte in Ihrer Familie?

Meine Mutter war die Familienmanagerin, mein Vater Schichtführer bei den Stahlwerken in Bochum. Damit hört aber das Klischee der 60er-Jahre-Familie auch schon auf. Meine Mutter spricht Deutsch, Englisch und Französisch und wir hatten immer viele internationale Gäste bei uns zu Hause. Meine Eltern waren sehr weltoffen, wir waren oft in Europa unterwegs. Ich habe früh erkannt, dass Sprachen Menschen verbinden, Englisch wurde dann auch mein Lieblingsfach auf dem Gymnasium. Noch zum Grönemeyer-Song: In Bochum-Wiemelhausen, wo ich herkomme, gibt es auch eine „Königsallee“ und den „Pulsschlag aus Stahl“ habe ich durch meinen Vater sehr deutlich zu spüren bekommen. Durch den Schichtdienst meines Vaters bin ich von klein auf gewohnt, mich an unterschiedliche Rhythmen anzupassen. Was ich außerdem von meinen Eltern gelernt habe, ist Engagement zu zeigen und mich für meine Ziele einzusetzen.

Eigentlich wollten Sie gar nicht Bankerin werden, sondern Funkoffizierin bei der Handelsmarine. Wie kamen Sie ausgerechnet auf diesen Berufswunsch?

Ein Verwandter unserer Nachbarn war Kapitän zur See. Ich fand die Vorstellung, über die Weltmeere zu fahren, faszinierend. Da mein Vater, der sehr technikbegeistert war, viel mit mir und meiner Schwester in der Werkstatt gearbeitet hat, bin ich auf die Idee gekommen, Technik und Marine zu verbinden. Dabei entstand der Wunsch, Funkoffizierin zu werden. Allerdings war die Voraussetzung hierfür eine abgeschlossene Lehre als Radio- und Elektrotechnikerin. Das haben meine Eltern nicht unterstützt. Sie wünschten, dass ich eine Ausbildung bei einer Bank absolvierte. So führte mich mein Weg zur Deutschen Bank.

Das klingt alles noch nach einer ganz normalen Biografie. Aber nur wenige Azubis schaffen es bis in den Vorstand. Wie gelang Ihnen das?

Es gibt da eine glückliche Fügung, die mein Leben entscheidend prägte. In der Straßenbahn sprach mich auf dem Weg zur Arbeit ein Mann an und empfahl mir ein Studium. Dieser Mann war Prof. Dr. Heinz Becker, der Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und spätere Rektor der Fachhochschule Bochum. Das Studium absolvierte ich in den ersten Semestern parallel zu meiner Arbeit bei der Deutschen Bank. Freizeit und Wochenende gab es nicht, von Work-Life-Balance ganz zu schweigen. Aber es hat mir nie etwas ausgemacht. Ich wollte weiterkommen und lernte gern zusammen mit meinen Kommilitonen. Zu Professor Becker habe ich übrigens immer noch Kontakt.

Sie schlossen Ihr Studium mit Bestnote ab. Wie ging es dann weiter?

Über die Carl-Duisberg-Gesellschaft erhielt ich ein Stipendium, das mir die Möglichkeit gab, drei Tage in der Woche Englisch und Marketing zu studieren und zwei Tage Bankpraxis bei der Midland Bank.

Wie und wo haben Sie denn Ihren Mann kennengelernt bei so wenig Freizeit und Privatleben? 

Auch wieder so ein Zufall. Da das Stipendium in England nur auf sechs Monate angelegt war, wohnte ich nicht auf dem Campus, sondern im International House der Quäker. Dort lernte ich meinen Mann kennen. Er kommt aus Malaysia, studierte Chemieingenieurwesen und absolvierte ein Industriepraktikum. Alles fing ganz freundschaftlich an. Mehr wurde daraus, als er für mich eines Abends indisch kochte. Während er weiter in England studierte, musste ich für meine Diplomarbeit zurück nach Deutschland. Nach den Abschlussprüfungen führte mich mein Weg wieder zurück nach England, dieses Mal über ein Trainee-Programm der Chase Bank. Diese nahm damals ausschließlich Universitätsabsolventen, in der Regel von namhaften Hochschulen wie Oxford oder Cambridge. In einem Telefonat konnte ich bei dem Gespräch direkt ins Englische überleiten und wurde daher zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Danach erhielt ich das Trainee-Programm. Diese Zeit mit den internationalen Kollegen hat mich sehr geprägt. Es war ein intensives Lernpensum rund um die Uhr zu absolvieren mit wöchentlichen Prüfungen. Mein Mann musste nach dem Abschluss seines Studiums als Chemieingenieur wieder zurück nach Malaysia. Also führten wir sieben Jahre lang eine Fernbeziehung mit gelegentlichen Besuchen in Kuala Lumpur. 1989

Ihr Mann, der den Doppelnamen Thamotharampillai-Göbel trägt, kam also der Liebe wegen nach Deutschland und hält Ihnen seitdem den Rücken frei? 

(Lacht) Ersteres stimmt sicher. Zweites brauche ich nicht, ich bin mehr für ein partnerschaftliches Miteinander. Als mein Mann nach Deutschland kam, war das für ihn ein kompletter Neubeginn. Sprache, Kultur und Lebensgewohnheiten musste er kennenlernen, rasch gewann er eine Position als Internationaler Trainer für verschiedene Konzerne der Automobilindustrie. Rund 45 Länder hat er auf diese Weise beruflich kennengelernt. Heute ist er mit einem eigenen Büro selbständig.

Ihre Karriere ging auf jeden Fall nur in eine Richtung, nämlich steil nach oben. Mit 30 Jahren waren Sie bereits Stellvertretende Direktorin bei der Chase Bank in Frankfurt, bei der Frankfurter BfG-Bank übernahmen Sie unter anderem die Leitung des Auslandmarketings, bei der Bankgesellschaft Berlin wurden Sie Leiterin des Geschäftsbereichs Firmenkunden. Wie kam es zum Wechsel in die Welt der Sparkassen?

Ich erhielt im Jahr 2002 das Angebot, Mitglied des Vorstands der Taunus-Sparkasse in Bad Homburg zu werden. An diesem Angebot hat mich gereizt, näher an den Kunden und mit den Menschen in der Region zu arbeiten. Dann erfolgte 2009 die Berufung nach Düsseldorf. Düsseldorf hat mich immer schon gereizt. Als Jugendliche haben wir oft in der Altstadt gefeiert und die rheinische Fröhlichkeit kommt meinem Naturell sehr entgegen.

Sie wurden also zur Wahl-Düsseldorferin?

Unbedingt, ich fühle mich als Teil der Stadt, ihrer Menschen, ihrer Geschäftswelt, ihrer Kultur und ihres Brauchtums. 

Ich bin Mitglied in der Karnevalsgesellschaft Blau-Weiß und war 2018 ein Jahr lang Gästekönigin der St. Sebastianus Schützen. Mein Mann und ich leben im Zooviertel, lieben die Einkaufsstraßen der Stadtteile, die Brehmstraße, die Nordstraße und ganz besonders die Lorettostraße.

Ehrenamtlich kontrollieren Sie die Finanzen der Freunde und Förderer der Tonhalle Düsseldorf und sind Schirmherrin der Deutschen Multiple Sklerose-Gesellschaft Düsseldorf. Sie ermöglichen zwei Kindern in Indien in die Schule zu gehen, statt in der Ziegelindustrie zu arbeiten und unterstützen ein indisches Kinderheim. Gibt es noch mehr ehrenamtliches Engagement?

Ja, ich unterstütze die Bürgerstiftung Düsseldorf e.V. und bin außerdem im Vorstand des Freundeskreises der Tonhalle.

Sie sind eine bekannte Netzwerkerin, vielleicht auch für viele Frauen ein Vorbild?

Ich hoffe doch, dass mein Lebensweg für viele Frauen eine Motivation ist, ebenfalls in Führungspositionen zu gehen. Netzwerken ist da ganz wichtig. Ich habe die Frauennetzwerke „Denkpause“ und „Twin“ (Top Women in NRW) mitgegründet. Dieses Engagement zieht auch im eigenen Haus Kreise. In der Stadtsparkasse haben sich Frauen gemeldet, die in einer privaten Initiative den Nachwuchs auf Führungsaufgaben vorbereiten. Womöglich bin ich für diese Frauen ein Vorbild, worauf ich sehr stolz bin.

In Ihrer Eigenschaft als Vorsitzende des Vorstands der Stadtsparkasse Düsseldorf sind Sie nicht nur für private Kunden, den Mittelstand und die Konzerne ein wichtiger Partner. Als Vorständin der Stadtsparkasse tun Sie auch viel für die Stadt. Von welchen Summen reden wir da?

Seitdem ich im Amt bin, reden wir von mehr als 10 Millionen Euro. Wir unterstützen im Jahr rund 1.000 Projekte, die alle einzeln geprüft werden. Das fängt an bei kleinen Projekten für KITAS, die wir bei ihren St. Martins-Zügen unterstützen und geht bis zum Sponsoring von Ausstellungen wie der Cranach-Ausstellung im Lutherjahr oder der Unterstützung der Heinrich-Heine-Universität. Kein Engagement ist da zu klein oder zu „dumm“. Aber ich muss auch wissen, dass die Gelder richtig verwandt werden. Das bedeutet sorgfältige Recherche. Die Leute vertrauen mir als Person und qua Amt. Das ist eine große Verantwortung, aber man bewirkt viel, wenn man Menschen für neue Ideen und Konzepte begeistert. Und am Ende ist es immer ein Geben und Nehmen. Wenn ich etwas gebe, bekomme ich oft ein Vielfaches zurück.

Noch eine Frage zu den Kunden Ihres Unternehmens. Wohin wird die Reise gehen bei Null-Zins-Politik, volatilen Märkten und müssen wir uns auf noch mehr mobile Filialen einstellen?

Wir werden die persönliche Beratung nie aufgeben. Unsere Aufgabe ist es, einen Multi-Channel-Zugang für alle Kundenwünsche bereitzustellen, also digitale Dienstleistungen da anzubieten, wo sie gewünscht sind und persönlich zu beraten, wo der Kunde den Bedarf hat. Die Digitalisierung entwickeln wir zum Teil mit unseren Mittelständlern zusammen, die uns wichtiges Feedback geben. Wir bleiben unabhängig von der Wahl des Vertriebskanals das wichtigste Kreditinstitut in Düsseldorf.

Wie lautet, liebe Frau Göbel, Ihr Credo?

Mir scheinen drei Aspekte sehr wichtig: Spaß an der Arbeit, die Fähigkeit, in einem Team mitzuarbeiten und mitzugestalten und gemeinsam etwas für die Region und die Menschen zu bewegen.


Kurzvita

Karin-Brigitte-Goebel

Karin-Brigitte Göbel (Jahrgang 1958) startete ihre berufliche Karriere nach dem Abitur als Bankkauffrau bei der Deutschen Bank. Parallel dazu absolvierte sie ein BWL-Studium an der FHBochum, das sie mit Bestnoten abschloss. Ein Stipendium ermöglichte ihr einen Studienaufenthalt in England. Danach war Göbel Trainee bei der Chase Bank in London, wo sie innerhalb von fünf Jahren zur stellvertretenden Direktorin aufstieg. Bei der Frankfurter BfG Bank übernahm sie 1990 unter anderem die Leitung des Auslandmarketings.
Sechs Jahre später wurde sie von der Bankgesellschaft Berlin abgeworben. Im Jahr 2002 wurde sie in den Vorstand der Taunus-Sparkasse in Bad Homburg berufen. Dort verantwortete sie das Firmenkundengeschäft, das Geschäft mit gewerblichen Immobilienkunden und das Treasury. Die gebürtige Bochumerin wurde 2009 vom Verwaltungsrat der Stadtsparkasse Düsseldorf in dessen Vorstand gewählt. Seit dem 1. Januar 2017 steht sie an der Spitze des Vorstandes. Noch im selben Jahr ernannte die Bankenvereinigung Düsseldorf, der Zusammenschluss aller Kreditinstitute am Düsseldorfer Bankenplatz, sie zu ihrer Präsidentin. Göbel ist die erste Frau in diesem Amt. 
Hinzu kommen Aufsichtsratsmandate bei der EDD (ehemals Börse Düsseldorf) sowie bei weiteren Unternehmen; außerdem nimmt sie verschiedene Beiratsmandate wahr, unter anderem bei der Deutschen Bundesbank und der Digitalen Stadt Düsseldorf.


© Foto: Alexander Vejnovic, Das Fotostudio Düsseldorf

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