4. Dezember 2021In 2021/3

„Wir werden nicht nur Theatergeschichten erzählen“

Interview mit Sascha Förster, Institutsleiter des Theatermuseums Düsseldorf 

von Barbara Schmitz


Dr. Förster, mit Ihnen ist spürbar frischer Wind ins Theatermuseum eingezogen. Wie sieht Ihr neues Konzept aus? 

Nach den Debatten um den Erhalt unseres Museums am Standort Hofgärtnerhaus habe ich mich zusammen mit meinem Team entschieden, das Hofgärtnerhaus in das Zentrum unseres Zukunftskonzepts zu rücken. Deshalb haben wir viele Räume im Hofgärtnerhaus renoviert, so dass sie nun in einem einladenden Weiß erstrahlen. Außerdem haben wir die Abdeckungen von den Fenstern genommen, so dass Sie während des Ausstellungsbesuchs einen herrlichen Blick in den Hofgarten werfen können. Das Gebäude atmet nun wieder vielmehr sein eigenes Leben, was eine große Inspiration für mich ist. 

Für unser Zukunftskonzept haben mein Team und ich uns wegen dieses wundervollen Gebäudes für den Begriff des Treffpunkts entschieden, der die Impulse für unsere Projekte geben wird. Sowohl mit unseren Ausstellungen und den Veranstaltungen als auch mit unseren Angeboten der kulturellen Bildung wollen wir hier im Hofgarten zu Begegnungen einladen: Mit der Kultur- und Theatergeschichte, mit dem Hofgärtnerhaus und mit Menschen, die ebenso die Lust verspüren, Geschichten auszukundschaften. Wegen unserer Lage zwischen Schauspielhaus und Oper, aber auch zwischen Goethe-Museum, Kö-Bogen, Ehrenhof und das alles inmitten dieser wunderbaren historischen Parkanlage wird sich das Theatermuseum zu einem kulturhistorischen Museum weiterentwickeln. Wir werden also nicht nur Theatergeschichten erzählen, sondern Kulturgeschichten aus der Perspektive des Theaters. 

Wie kann man über die Auseinandersetzung mit dem Theater der Vergangenheit auch mehr über die Kultur der damaligen Zeit erfahren? Vielleicht erläutere ich das an einem kurzen Beispiel: Einer meiner eigenen Arbeitsschwerpunkte ist die Auseinandersetzung mit dem Theater in Folge der Novemberrevolution 1918. Auf den Theatern kam es damals nicht nur zu ästhetischen Neuerungen, sondern in der Presse und im Zuschauerraum wurden Debatten geführt über die Neuerungen und Innovationen als Ausdruck einer republikanischen Staatsordnung und einer scheinbaren Abwendung von deutschen Traditionen. Solche größeren Zusammenhänge von Kunst und Gesellschaft werden uns am Theatermuseum interessieren. Daher betrachten wir für längere Zeiträume konkrete Themen – wie beispielsweise aktuell Theatererinnerungen und Krisensituationen –, die wir nicht nur in den Wechselausstellungen beleuchten, sondern denen wir ebenso in unserem Veranstaltungs- und Aufführungsprogramm und vor allem in der kulturellen Bildung nachspüren. 

Die Düsseldorfer sind sehr glücklich darüber, dass das Theatermuseum nun doch im Hofgärtnerhaus bleiben kann. Wer hat dafür gekämpft / wem haben wir das zu verdanken? 

Da ich selbst die Kämpfe lange Zeit nur aus der Kölner Distanz beobachtet und erst seit Juni aktiv mitgestaltet habe, hoffe ich, niemanden zu vergessen. Ganz zentral war natürlich mein Team, allen voran Anne Blankenberg. Sie alle haben den Glauben und die Hoffnung, dass das Theatermuseum im Hofgärtnerhaus erhalten werden kann, nie aufgegeben. Woher sie alle die Energie genommen haben, wird mir ein Rätsel bleiben. Ohne die Kulturpolitik und die Kulturverwaltung hätte wir den diesjährigen Beschluss zum Erhalt des Hofgärtnerhauses nicht erreichen können. Und ich bin sehr dankbar, dass mir alle Politikerinnen und Politiker mit einer großen Offenheit für meine Vorstellungen begegnet sind. Letztlich wäre ohne die Bereitschaft unseres Oberbürgermeisters Dr. Stephan Keller, den ganzen Vorgang überhaupt nochmal neu zu diskutieren, der Beschluss zum Erhalt unseres Standorts nicht denkbar gewesen. 

Von großer Bedeutung war aber vor allem das zivilgesellschaftliche Engagement der Düsseldorfer Öffentlichkeit, die sich an vielen Stellen und über viele Jahre für das Museum stark gemacht hat. Damit meine ich beispielsweise unser Kuratorium, vertreten durch den Ratsherrn Manfred Neuenhaus, und unseren einzigartig kämpferischen Freundeskreis, der sich mit wirklich einfallsreichen Aktionen für das Haus stark gemacht hat. Zwei Personen verdienen es aber einzeln erwähnt zu werden, da ihr Engagement alles Erwartbare überschritten hat: Prof. Dr. Bernd Günter und Landtagsvizepräsident Oliver Keymis. 

Brauchtum und Stadtgesellschaft sollen in Ihrem Hause zukünftig mehr stattfinden. Was planen Sie / auf was dürfen wir uns freuen? 

Zunächst freue ich mich, dass es die Offenheit gibt, dass die verschiedenen Brauchtumstraditionen Düsseldorfs in den Aufgabenbereich meines Hauses fallen können. Denn ganz oft finden dort ja Theatertechniken und Inszenierungen statt. Aktuell bereiten wir uns beispielsweise auf ein Projekt zu den Schützenfesten und der Größten Kirmes am Rhein vor. Während ich bei der Kirmes eine gute Rummelexpertise mitbringe, sind die Schützenfeste auch für mich ein Rechercheabenteuer. Wir sind selbstverständlich sehr gespannt, über solch ein Projekt hoffentlich neue Besucherinnen und Besucher im Theatermuseum begrüßen zu können und ihren Geschichten zu begegnen. 

Mir scheint, Sie haben ein wunderbares Team an Ihrer Seite.

Das habe ich in der Tat! Mein Team hat mich bei meinem Amtsantritt mit viel Neugier begrüßt und eine wunderbare Bereitschaft, meine Ideen mitzutragen. Aber natürlich sind sie auch ein unersetzlicher Wissensschatz: Ihre Kenntnisse der Düsseldorfer Theatergeschichte, unserer großartigen Sammlungsbestände, aber ebenso der städtischen Strukturen erleichtern mir jeden Tag aufs Neue die Orientierung. Und dass sie sich auf das waghalsige Abenteuer eingelassen haben, innerhalb von nur vier Monaten spontan eine neue Ausstellung zu stemmen, war ein riesiges Geschenk. Ohne dieses tolle Team hätten wir Erinnerungsgeister und Hoffnungslichter, unsere aktuelle Ausstellung, nicht Anfang Oktober eröffnen können. Es ist daher nur richtig, dass die nostalgischen Theatererinnerungen des Teams in Formen von Erinnerungsrahmen selbst Teil der Ausstellung geworden sind. Die Ausstellung ist übrigens nur noch bis zum 20. Februar komplett zu sehen, danach wird ein Kabinett bis zum Frühling stehen bleiben. 

Bisher sind 40% der Besucher Kinder und Jugendliche. Sie bieten auch vermehrt Mitmach-Aktionen für Familien. 

Dafür geht der größte Dank an Anne Blankenberg, die unsere kulturelle Bildung und Vermittlung nicht nur leitet, sondern in den letzten Jahren mit viel Leidenschaft überhaupt erst aufgebaut hat. Mit unserer starken Vermittlungsabteilung haben wir den anderen Theatermuseen im deutschsprachigen Raum übrigens einiges voraus, und darauf kann Düsseldorf sehr stolz sein. Anne Blankenberg hat die Metapher vom „Haus der offenen Arme“ als Ausdruck für unsere Vermittlungsarbeit begründet und damit ein wirklich herrliches Bild für diese Projekte gefunden! Bisher sind wir sehr stark in den Schulkooperationen und Ferienangeboten. In den nächsten Jahren wollen wir unser Programm aber so ausbauen, dass die gesamte Familie das Museum besucht. Die aktuelle Ausstellung ist hierfür ein erster Schritt, denn sie ist so konzipiert, dass es eigene Texttafeln gibt, die unseren jungen Besucherinnen und Besuchern zentrale Inhalte der Ausstellung zugänglich aufbereitet. Die Kinder können ihr neues Wissen dann den Eltern mitteilen, denen wir bestimmte Informationen nämlich nicht kommunizieren. Wir hoffen, dass die Familien somit beim Ausstellungsbesuch miteinander ins Gespräch kommen und die Erinnerungsgeister und Hoffnungslichter gemeinsam erkunden. Zudem bieten wir an ausgewählten Sonntagen sogenannte „Open Spaces“ an, wo unser pädagogisches Atelier für alle Interessierten geöffnet ist und kostenfreie Kurse anbietet. Dort kann man beispielsweise eigene Geister als Sockenpuppen bauen oder aus alten Publikationen des Museums Papiergeschenke basteln. Währenddessen können die Eltern die Ausstellung alleine besuchen oder in unserem Café ein Getränk zu sich nehmen und einfach ein bisschen plaudern. 

Sie nutzen die malerische Lage des Theatermuseums, um Menschen zum Verweilen einzuladen. Man kann sich bei Ihnen also auch einfach nur gemütlich im Café Louise verabreden? 

Sehr richtig. Als Treffpunkt ist das Theatermuseum im Hofgärtnerhaus nicht nur Ausstellungsund Veranstaltungsort, sondern auch ein Ort, der die Düsseldorferinnen und Düsseldorfer einlädt, sich eine Pause vom Alltag und dem Treiben in der Innenstadt zu gönnen. Dafür haben wir das Café im Sommer umgestaltet und zu Café Louise umbenannt. Sie sitzen nun umgeben von Requisiten aus dem Fundus des Düsseldorfer Schauspielhauses und sind somit schon beim Kaffee umgeben von Objekten der Theatergeschichte. Die Preise sind dabei so günstig wie immer, damit sich wirklich alle Düsseldorferinnen und Düsseldorfer diese Pause leisten können. 

Im nächsten Jahr feiert das Dumont-Lindemann-Archiv sein 75. Jubiläum. Was planen Sie?

Wir sind sehr froh, dass wir dieses Jubiläum unseres Kernbestandes – Louise Dumont und Gustav Lindemann hatten 1905 das Schauspielhaus Düsseldorf als Reformprojekt eröffnet – in einer Zeit feiern können, wo in ganz Deutschland aufgrund der Jubiläen der Goldenen Zwanziger Jahre die Moderne stark im Fokus des öffentlichen Interesses steht. Wir nutzen das Jubiläum, um uns auf die Suche nach ungehobenen Schätzen zu machen. Erst letzte Woche ist uns ein ganz herausragendes Album der Tänzerin Ria Thiele in die Hände gefallen, das ihr Leben über Fotos, Theaterzettel und Zeitungsausschnitte erzählt. Nächstes Jahr wollen wir unserem Publikum solche besonderen Einzelobjekten näherbringen. Dafür werden wir uns in öffentliche und digitale Räume begeben, um auf vielfältige Weise zur Begegnung mit dem Dumont-Lindemann-Archiv einzuladen. 


Kurzvita 

Sascha Foerster, , „Wir werden nicht nur Theatergeschichten erzählen“Dr. Sascha Förster ist seit dem 1. Juni 2021 Institutsleiter des Theatermuseums und Dumont-Lindemann-Archivs der Landeshauptstadt Düsseldorf. Seit seinem Studium war er in Theatersammlungen beschäftigt: Zunächst während des Theaterwissenschaftsstudiums an der Freien Universität Berlin (2005–2011) mit den dortigen Theaterhistorischen Sammlungen. Danach war er von 2012 bis 2021 über seine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität zu Köln mit der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität verbunden. An der Universität zu Köln schrieb er zudem seine Doktorarbeit Zeitgeist und die Szenen der Imagination. Stadtund Theaterräume der Moderne in Berlin und London (1918–2011), die im kommenden Jahr im Metzler-Verlag erscheinen wird. Während der Kölner Zeit zeichnete er verantwortlich für die Projektleitung und Mitkuration der Ausstellungen Raum-Maschine Theater (2012) und A Party for Will! Eine Reise in das Shakespeare-Universum (2014) am Museum für Angewandte Kunst Köln. 


© Fotos: Barbara Schmitz

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