2. September 2015In 2015/3

Portrait: Das „Görres“

Die Schule im Herzen der Stadt


von Dr. Antonietta Zeoli

Im Herzen einer kosmopolitischen, interkulturellen, hochmodernen und ausgesprochen liebenswerten Stadt hat das humanistische Görres Gymnasium seit vielen Jahrhunderten seinen Platz gefunden. Unsere Zeiten sind schnelllebig, mobile Kommunikation und grenzenloser Zugang zum Cybernetz lassen uns geradezu als Exot der heutigen Bildungsdebatten erscheinen.  Und darauf sind wir sehr stolz!

Während in Düsseldorf um 1545 unsere damals Schüler im Lambertus-Stift unterrichtet wurden, mit dem Pferd zum Unterricht anreisten und alle Unterkünfte rund um das „illustre Gymnasium“ Wochen im Voraus ausgebucht waren, sieht unser heutiger Schulalltag doch anders aus. Zwischen 1510 und ca. 1600 war das Kollegium gespalten zwischen Protestantismus und Katholizismus. Die antike Turmbibliothek kann so manche Geschichte darüber erzählen.

Neben den zweifelsohne zahlreichen Unterschieden zwischen 1545 und heute haben Schülerinnen und Schüler vergangener Epochen vieles gemein. 1580 beobachtete die Jugend, wie die eine neue Citadellanlage entstand. Das Rathaus, wie wir es heute kennen, wurde 1570 fertig gestellt. Heute beobachten unsere Schülerinnen und Schüler geradezu täglich auf dem Weg zur Schule, wie unsere Stadt sich architektonisch und planerisch weiterentwickelt. Die vielen Baustellen machen es so manchem unserer Fahrschüler aus dem ganzen Stadtgebiet nicht immer leicht zu uns in die Innenstadt zu reisen. Aber sie scheuen keine Mühen, um pünktlich zum Unterricht zu erscheinen. Und wenn sie auch nicht mehr zu Pferde kommen, Platz für den Drahtesel ist allemal vorhanden.

Das Gymnasium im Wandel der Zeit.

Heute sind unsere Schülerinnen und Schüler an der Kö umgeben von Werbung, Luxusartikeln und Banktempeln. Zweifel, Zukunftsangst oder Orientierungslosigkeit haben da keinen Raum. So fehlen auch zentrale Themen wie die Liebe zur eigenen Familie oder die Frage nach dem richtigen, gerechten und guten Handeln. Das Görres-Gymnasium stellt sich der Komplexität der Gegenwart und ist zentraler Ort der Auseinandersetzung zwischen der Vergangenheit und dem Heute. Eben in diesem Prozess hilft der Bezug auf universelle Werte, geformt von unserem humanistischen Weltbild und weiterentwickelt durch die Aufklärung. Nicht zu vergessen, woher wir eigentlich kommen, hilft uns zu verstehen, wohin wir gehen.

Vergangenheit und Gegenwart verbinden sich auch in unserer Schülerschaft. Neben jungen Menschen aus allen Teilen der Welt besuchen auch viele, viele Kinder aus alteingesessenen Düsseldorfer Familien das Görres. Viele der Eltern waren hier schon selbst Schüler und engagieren sich heute ehrenamtlich im „Verein der Ehemaligen“, den es seit 1926 gibt. Gelegentlich werden Anekdoten ausgetauscht, die den Schülern zeigen, was für Rabauken ihre Eltern dazumal waren, oder wie hippiemäßig der nun gesetzte Kollege W. in den frühen Siebzigern unterwegs war.

Turmbibliothek des Görres-Gymnasiums
Turm-Bibliothek des Görres-Gymnasiums

Noch weiter als eine Generation greift die Transkribier-AG von Studiendirektor Herbert Gromig zurück: Gemeinsam mit Primanern entziffert er alte Abiturarbeiten aus unserem Schularchiv: dabei werden hundert Jahre alte vergilbte Klausurbögen, die eng mit Sütterlinschrift beschrieben sind, mühevoll ausgelesen und abgetippt. Schon die Themenstellung lässt einen den Eishauch der Geschichte spüren: Auf diese Weise lernen unsere Schülerinnen und Schüler der Oberstufe den Umgang mit historischem Quellenmaterial. Eine Chance, die in der Regel, Studierenden an Universitäten vorbehalten ist. Die Transskribier-AG hat uns vieles über die Biographien ehemaliger Schüler gelehrt. Nicht wenige sind direkt nach dem Notabitur in Kriegszeiten an der Front gefallen. Andere wiederum erzählen in ihren Aufsätzen von den Fronterlebnissen, die sie letztlich ein Leben lang nicht mehr losgelassen haben.

Die Vergangenheit hütet auch unsere Turmbibliothek. Unter dem im Jahre 2006 durch den Denkmalschutz wiederhergestellten Turmhelm lagern 20.000 kostbare Bände, die die Schule seit ihrer Gründung im Jahre 1545 durch die sich wandelnden Zeiten als Lehrerbibliothek begleitet haben. Bibliophile Schätze von hohem Wert und großer Seltenheit sind das Unterpfand unserer langen Schultradition. Viele von ihnen sind verfasst in Latein oder Griechisch.

Und so werden am Görres in alter Tradition immer noch Latein und Griechisch unterrichtet, was es nur noch ganz selten gibt in Deutschland. Alt ist dabei jedoch nur die Tradition. Alles andere ist modern: denn wir stellen den ersten Schriftstellern Europas unsere Fragen. Wir hören ihre Antworten, versichern uns so unseres Herkommens und gewinnen zugleich einen neuen Blick auf die Probleme unserer Zeit. Abiturzeugnisse, die sowohl ein Graecum als auch ein Latinum ausweisen, reichen nicht mehr viele Schüler an Universitäten zur Bewerbung ein. Darüber hinaus stehen in guter humanistischer Tradition an unserem humanistischen Gymnasium die sprachliche Ausbildung, der mathematisch-naturwissenschaftliche und der künstlerische Bereich gleichwertig nebeneinander.

Der Schulchor des Görres, der einst auch  Chor der Andreas Kirchengemeinde war, ist mit Konzertreisen in alle Welt  weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt geworden. Vierzig Jahre lang wurde er von dem im Jahre 2013 verstorbenen Ulrich Brall geleitet. Herr  Mathias Staut leitet heute unseren Görres Kinder- und Jungendchor. Er ermöglicht musikalische Begegnungen, die für unsere Schulgemeinde prägend sind. Die jungen Kooperationsprojekte mit der Tonhalle und der Heinrich Heine Universität, die nach einem unserer berühmtesten Ehemaligen benannt ist, sind zweifelsohne gelungene Vorhaben, die wir auch in Zukunft wiederholen möchten.

Das Görres-Gymnasium

1545 gründete Wilhelm V. (1516–1592), Herzog von Jülich-Kleve-Berg am Düsseldorfer Stiftsplatz ein „seminarium rei publicae“, die „Herzogliche Landesschule“. Erster Rektor wurde Johannes Monheim (1509–1564), Schüler des Humanisten Erasmus von Rotterdam (1465–1536). Das „Gymnasium Dusselopolitanum“ hatte von Anfang an ein anspruchsvolles Leistungsprofil und wurde deshalb auch „gymnasium illustre“ genannt. Dem humanistischen Bildungsauftrag entsprechend bildeten die klassischen Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch die zentralen Unterrichtsfächer. Den mehr als 1000 Schülern – manche Chronisten sprechen sogar von 2000 – standen die 3000 Einwohner der Stadt gegenüber.

Später durch Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg (1578–1653) wurde die Schule 1620 als Jesuitenkolleg auf den Jesuitenorden übertragen und bezog 1625 ein neues Schulgebäude an der Andreaskirche. Der Unterricht beinhaltete täglich bis zu zwölf Stunden Lernen und Beten.
Nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 veranlasste Karl Philipp Theodor von Pfalz-Sulzbach anstelle der Schließung des Düsseldorfer Jesuitenkollegs dessen Änderung in ein „Kurfürstliches Gymnasium“.

Heinrich HeineIm Zuge der französischen Besetzung wiederum wurde das „Kurfürstliche Gymnasium“ 1803 aufgelöst und als „Lyzeum“ fortgeführt. Schulgebäude wurde das ehemalige Franziskanerkloster an der Citadellstraße, die Antoniuskirche erhielt den Namen Maxkirche. Einer der berühmtesten Schüler des Lyzeums war Heinrich Heine (1797–1856; s. Abbildung).

Nach der Eingliederung Düsseldorfs in das Königreich Preußen wurde das Lyzeum 1815 in das „Königliche Katholische Gymnasium“ umgewandelt. 1830 zog die Schule, die nunmehr „Königlich Preußisches Gymnasium“ hieß, in ein neues Schulgebäude (der „Alte Kasten“) an der Alleestraße, heute Heinrich-Heine-Allee. 1906 erfolgte dann der letzte Umzug in das von Johannes Radke (1853–1938) entworfene Gebäude an der Bastionstraße / Königsallee.

Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Schule in „Staatliches Hohenzollern-Gymnasium“ umbenannt und während des Dritten Reiches in „Staatliches von-Reichenau-Gymnasium“, um einer Umbenennung in „Staatliches Adolf-Hitler-Gymnasium“ auszuweichen.
Nach Ende des Krieges wurde der Name „Staatliches Hohenzollern-Gymnasium“ wieder angenommen und 1947 erhielt die Schule den neuen Namen „Görres-Gymnasium“ nach dem Hochschullehrer und katholischen Publizisten Joseph Görres (1776–1848).

Ebenso legen wir ergänzend zur fachlichen Ausbildung besonderen Wert auf die charakterliche Entfaltung der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen hin zu verantwortungsbewussten, selbstständigen und kreativen Bürgern. Ehrenamtliches Engagement wird bei uns groß geschrieben. So bieten wir z. B. allen Schülerinnen und Schülern der Klassen 9 mit der „Woche des Ehrenamtes“ an, sich in diesem Sinne zu engagieren. Ehrenamt macht Spaß und weckt neue Fähigkeiten und erweitert den Horizont. So entdecken unsere Obertertianer eine Woche lang, was es bedeutet, sich für jene einzusetzen, die fern der glamourösen Innenstadt leben. Und das meint nicht die geographische Entfernung.

Das Görres Gymnasium ist im Vergleich zu anderen Gymnasien im Stadtgebiet eine kleine Schule, so dass nicht nur die Lehrer alle Schüler, sondern die Schülerinnen und Schüler sich auch untereinander gut kennen und Freundschaften nicht nur innerhalb der Jahrgangsstufen, sondern auch darüber hinaus entstehen. Eben dies fördert die Gemeinschaft der Kinder untereinander. Viele treffen sich später im Verein der Freunde und Förderer des Görres Gymnasiums wieder. Auch die gute Zusammenarbeit mit den Eltern zeigt sich nicht nur bei Gelegenheiten wie dem Sommerfest und dem Weihnachtsbasar.

Einen anderen Schwerpunkt setzt die Synthese von Musik und Medien, bei der Vertonung selbstgedrehter Filme sowie der Produktion eigener Hörspiele. Gemeinsame regelmäßige Projekte sind das Weihnachtskonzert und das von Schülerinnen und Schülern selbstständig organisierte Varieté. Wer sich für die Ergebnisse des Kunstunterrichts, vor allem auch der seit 20 Jahren regelmäßig stattfindenden Leistungskurse, interessiert, möge sich auf www.goerres.de begeistern lassen.

Zu den kreativen Ausdrucksmöglichkeiten gehört auch das darstellende Spiel. Das Görres Gymnasium hat im Kollegium  ein hohes Maß an Expertise . So realisiert die „Gruppe aus 6“  ambitionierte und höchst erfolgreiche Projekte, die sie einer breiten Öffentlichkeit im Rahmen der Maskerade am Goethe Gymnasium und der Schultheatertage im FFT Düsseldorf vorstellt. Nicht wenige unserer Görres Schüler entscheiden sich aufgrund ihrer besonderen Theatererfahrung eben diese zu ihrem Beruf zu machen.

Im Sinne einer ganzheitlichen Bildung wird natürlich auch Sport am Görres durchgehend unterrichtet. Neben dem traditionellen Schulsport stehen eine Skifreizeit und die erfolgreiche Teilnahme an Schulwettkämpfen, aber auch die Kooperation mit dem Düsseldorfer Hockeyclub (DHC) im Mittelpunkt.

Schulhof des Görres-Gymnasiums
Schulhof des Görres-Gymnasiums

Unser Gebäude steht an der Kö. Dort bieten wir den größten Luxus auf der ganzen Luxusmeile feil: Bildung. Der Haupteingang geht nach Absicht des Architekten jedoch auf die Bastionsstraße. Dort wacht über der Eingangspforte auch die Eule, die unser Wahrzeichen ist. Ein früherer Direktor konnte sich mit dieser Adresse aber nicht abfinden und hat den Trick mit dem verlegten Eingang wohl als erster praktiziert, der jetzt an allen Kö-Anrainergrundstücken gang und gäbe ist: nun ist der „Haupteingang“ der ehemalige Hintereingang, nicht sehr präsentabel, aber eben an der Kö. Das aus dem Jahre 1906 stammende Gebäude steht unter Denkmalschutz und wurde 2004-2006 grundlegend restauriert. Das war eine aufregende Zeit für Schüler und Lehrer. Die Kollegen erinnern sich, welch einen Sport die Schüler sich daraus machten, aus den Fenstern der Container, die behelfsmäßig für den Unterricht entlang der Kö aufgestellt worden waren, Papierbällchen in cruisende Cabriolets zu werfen. Und Wolfgang Niersbach, der 1970 bei uns Abitur gemacht hat, weiß noch, wie er die Möwen aus dem Klassenzimmerfenster mit Kreide gefüttert hat.

So geht es bei uns oft lustig zu, manchmal ernst, aber wir empfinden uns immer als eine ganz besondere Gemeinschaft an einem ganz besonderen Ort: unserem Görres.

Kontakt

Kommissarische Schulleiterin: Dr. Antonietta P. Zeoli
Pressearbeit: OStR Riccarda Schreiber
Webseite: www.goerres.de

Görres-Gymnasium-Logo


Kurzvita

Antonietta ZeoliAntonietta P. Zeoli ist verheiratet, hat drei Kinder und wohnt in Düsseldorf, wo sie als kommissarische Schulleiterin am Görres-Gymnasium arbeitet. Sie unterrichtet die Fächer Englisch, Deutsch, Philosophie und praktische Philosophie. Zunächst in Haan als Gymnasiallehrerin beschäftigt, leitete sie nach 6 Jahren im Schuldienst im Auftra des Schul- und Integrationsministeriums NRW Projekte rund um bildungspolitische Themen zum Diversity Management im öffentlichen Dienst. Am Görres Gymnasium ist sie seit 2012 Mitglied der Schulleitung. Ihre Publikationen behandeln neben philosophisch didaktischen Aufsätzen Untersuchungen rund um die Integrationsdebatte der letzten 20 Jahre. Ihr Habilitationsvorhaben an der Universität Bremen ist eng verzahnt mit Management-Aufgaben im Schulleitungsbe reich. Seit 2014 ist Frau Dr. Zeoli Mitglied im Vorstand der Heinrich Böll Stiftung NRW.


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