6. Juli 2023In 2023/2

„Ein Theater ohne eigenes Haus ist ein Problem“ 

Interview mit Madeleine Niesche, Intendanz und Geschäftsführung Komödie Düsseldorf 

von Dr. Susan Tuchel


Dass die Komödie Düsseldorf zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit ihren Standort gewechselt hat, ist noch ganz neu. Sie spielen seit Juni im Ibach-Saal des Stadtmuseums, was man nicht vermuten würde, wenn man vor dem Stadtmuseum steht. Was hat nicht gepasst an der vorherigen Spielstätte, dem Capitol? 

Es war eigentlich schon im Oktober klar, dass es nicht funktionieren würde. Zum einen war für uns die Saalmiete finanziell nicht tragbar, zum anderen hat sich schnell herausgestellt, dass es akustische Probleme gab bei Parallelveranstaltungen im Großen Saal. Wir mussten handeln und haben gekündigt. Da fing für mich ein regelrechter Stadt- und Verwaltungsmarathon an, um bezahlbare Räume und eine neue Bühne zu finden. Ich habe mich da streckenweise ein bisschen im Stich gelassen gefühlt, weil es in der Stadt eine Zwei-Klassen-Kultur zu geben scheint, nämlich Kultur, die ohne Wenn und Aber gefördert wird, und Kultur, die eben nicht öffentlich gefördert wird. Josef Hinkel hat mich dann irgendwann mit Dr. Susanne Anna, der Direktorin des Stadtmuseums, zusammengebracht, wofür ich sehr dankbar bin. 

Ist der Ibach-Saal eine Interimslösung?

Wir mieten den Saal für die Aufführungsabende. Zu spielen ist immer besser als nicht zu spielen, weil uns sonst die Einnahmen komplett wegbrechen. Wir sind froh, den Saal mieten zu können, aber am Ende des Jahres ist hier definitiv Schluss. Länger genehmigt die Stadt die Nutzung nicht. Ein Theater ohne eigenes Haus ist ein Problem. Dabei brauchen wir nur einen Saal für 200 Leute. Vielleicht müssen wir da einfach auch mehr Richtung Wirtschaft denken, an Konzerne, die ihre Säle abends ja in der Regel nicht nutzen. Wer da eine Idee hat, möge sich bitte bei mir melden. Ich bin für jeden Hinweis dankbar. 

Es ist zwar noch etwas verfrüht, aber wie hat das Publikum auf den Spielplatzwechsel reagiert? 

Bislang durchweg positiv. Wir hatten im Juni Premiere mit „Gretchen 89ff.“. Der Vorteil des Ibach-Saales ist, dass die Zuschauer mehr sehen und näher dran sind als im Capitol. Beim Theaterspielen geht es ja nicht nur um das Stück, sondern auch um das Theater als den Ort der Begegnung. Das haben viele Theaterbesucher im Capitol vermisst, so dass wir zu unserem großen Bedauern Zuschauer verloren haben, denen die Umgebung der Spielstätte nicht zusagte. Wir hoffen natürlich, diese Besucher wieder zurückzuholen mit der zentralen Lage mitten in der Carlstadt. Ein Highlight können wir dem Publikum in diesem Sommer auf jeden Fall bieten: Im Ibach-Saal können wir die Rückseite zum Garten öffnen und bekommen so ein bisschen Open-Air-Atmosphäre. 

Was ist mit dem Team der Komödie Düsseldorf, wie viele Mitarbeiter haben Sie?

Ich bin eine Intendantin mit einer dünnen Personaldecke von fünf Mitarbeitern, auch für´s Marketing habe ich niemanden. Mein Glück ist, dass die Mitarbeiter durch die Bank weg Idealisten sind, die alles (mit)machen. Für die Komödie Düsseldorf zu arbeiten, hat viel mit Ehrenamt zu tun. Ich habe mittlerweile meine ganze Familie eingespannt. Mein Mann übernimmt beim nächsten Stück, das wir spielen, die Regie und meine Tochter hat beim Bücherbummel Werbung für die Komödie gemacht. 

Und wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? 

Der ist im Moment einfach unbeschreiblich. Seit September hatte ich keinen Urlaub und kein freies Wochenende. Ich arbeite von morgens, wenn ich aufstehe, bis abends, wenn ich ins Bett gehe. Andererseits ist es schön, dass ich so viel gestalten kann, auch wenn das Administrative immer wie ein Berg vor einem steht. Hinzu kommt, dass ich in Bonn noch in „Extrawurst“ auf der Bühne stehe. Das ist ein Vor-Corona-Vertrag, den ich erst jetzt antreten konnte. Und für unser nächstes Stück „Offene Zweierbeziehung“ proben wir auch schon. Da spiele ich die Hauptrolle. 

Niesche Tuchel Gras, , „Ein Theater ohne eigenes Haus ist ein Problem“ 
„Ein Theater ohne eigenes Haus ist ein Problem“  4

Wann lernen Sie denn bei dem Arbeitspensum Ihre Rollen?

Das ist wirklich mein größter Vorteil, dass ich unglaublich schnell Texte erfassen und auswendig lernen kann. Das war schon als Kind so. Für diese Begabung bin ich sehr dankbar. Dass ich damit nur Schauspielerin werden konnte, war mir deshalb schon sehr früh klar, auch wenn mein erster Berufswunsch Regisseurin war. 

Sie sind an der Müritz geboren und aufgewachsen. Welche Sprachen sprechen Sie und wie verbringen Sie Ihre freie Zeit? 

Vor Englisch und Französisch war Russisch zu lernen in der DDR natürlich Pflicht. Meine Mutter war Russisch- und Englischlehrerin. Mein Vater hat am Gymnasium Mathematik und Physik unterrichtet und ist nach der Wende Gymnasialdirektor geworden. Meine Eltern hatten ein Motorboot, das gehört an der Mecklenburgischen Seenplatte einfach dazu. Ich bin dann mit 16 Jahren mit einer Freundin mit einem Puck-Faltboot losgepaddelt. Das war meine große Freiheit. Noch heute bin ich im Sommer so oft es geht an der Müritz, aber ich liebe auch Fernreisen. Nach den Dreharbeiten von „Rote Rosen“ habe ich meine Tochter in Neuseeland besucht. Ich würde gerne noch mehr von der Welt sehen. 

Sie sind auch noch mit einem „Stück“ DDR-Geschichte verheiratet. Ihr Mann Werner Tritzschler (Jahrgang 1956) ist Regisseur und Schauspieler und hatte in den frühen 80er-Jahren den Wehrdienst bei der Volksarmee verweigert und einen Ausreiseantrag gestellt. Er wurde inhaftiert. Damit gehören Sie zum Kreis der Frauen, deren Männer hinter schwedischen Gardinen gesessen haben, mit dem erheblichen Unterschied, dass sich Ihr Mann nichts hat zuschulden kommen lassen.

Das ist richtig. Mein Mann war ein Jahr in Haft, hatte aber das Glück, von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft zu werden. Er war von 1989 bis 1994 hier in Düsseldorf am Schauspielhaus. Als er Regisseur am Theater der Stadt Koblenz war, haben wir uns bei gemeinsamen Proben kennengelernt. Wir haben viel zusammengearbeitet und tun es immer noch. Aktuell inszeniert er den Komödienklassiker „Offene Zweierbeziehung“ von Franca Rame und Dario Fo. 

Wie sieht Ihr Spielplan aus, wen möchten Sie mit Ihren Stücken erreichen?

Ich möchte Geschichten erzählen, in denen sich viele Menschen wiederfinden. Deshalb suche ich nach unterschiedlichen Stücken, denen etwas Herausragendes anhaftet. Komödien können beides: Sie können unterhalten, aber auch den Fokus auf Menschliches richten. Ich mag klassische Komödie und möchte gerne Uraufführungen in Angriff nehmen. 

Ursprünglich war „Schneider Wibbel“ für diesen Herbst geplant.

Das stimmt, aber das ist ein personenreiches Stück und daher teuer. Wir müssen jetzt erst einmal mit den aktuellen Gegebenheiten klarkommen. Aber „Schneider Wibbel“ ist ebenso wenig vom Tisch wie die Mutter-Ey-Revue. 

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, was würden Sie sich von den Kulturpolitikern der Stadt Düsseldorf wünschen? 

Erstens, dass ihnen bewusst wird, dass kleine Theater ohne festes Haus und ohne Förderung keine Chance haben. Zweitens, dass vielleicht doch nach einer Lösung gesucht wird, an den Standort Steinstraße zurückzukehren. Drittens, dass die Stadt alle Kulturstätten und Spielpläne auf städtischen Flächen plakatiert, damit die Komödie mit ihrem Spielplan besser wahrgenommen wird. 


Kurzvita 

Madeleine Niesche Portrait, , „Ein Theater ohne eigenes Haus ist ein Problem“ Madeleine Niesche wurde 1971 in Röbel an der Müritz geboren, damals noch Neubrandenburg (DDR), heute Mecklenburg-Vorpommern. Nach dem Abitur fing sie als Regieassistentin am Theater Bremen an. Niesche nahm Privatunterricht bei der Regisseurin Annegret Ritzel und besuchte einen Kameraworkshop bei Hermine Huntgeburth an der ifs Köln. Es folgten feste Engagements an Staats- und Stadttheatern in Bremen, Wiesbaden, Weimar und Koblenz, wo sie u.a. Hedda Gabler, Maria Stuart, die Wedekind´sche Lulu, Medea und Mutter Courage spielte. Neben ihrer Schauspielkarriere war sie am Stadttheater Koblenz als stellvertretende Intendantin tätig, übernahm die Geschäftsführung des Lahn-Festivals „Gegen den Strom“. Seit 2009 arbeitet sie als freiberufliche Schauspielerin, u.a. in Frankfurt, Köln, Düsseldorf, Essen, Karlsruhe, Hamburg, Berlin, Stuttgart, und Aachen. Sie spielte in der ZDF-Serie Soko Köln und war Hauptdarstellerin der 15. Staffel der ARD-Fernsehserie Rote Rosen. Seit September 2022 ist sie Intendantin der Komödie Düsseldorf. Niesche lebt mit Mann und Tochter in Köln. 


© Porträtfoto: Guido Karp

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