Bernhard Bettelmann und Susan Tuchel

"Ich möchte meine Geschichte akkurat erzählen"

Interview mit dem Schauspieler Bernhard Bettelmann


von Dr. Susan Tuchel

Sie wurden als Deutscher in Paris geboren. Was hat es damit auf sich?

Mein Vater schrieb seine Doktorarbeit über Vakuumtechnik an der Sorbonne, eine Art Stipendium. Meine Mutter, damals noch Studentin ohne festen Berufswunsch, begleitete ihn und wollte wohl testen, ob die Beziehung zu diesem noch neuen Mann in ihrem Leben eine Zukunft hat. Gar nicht so viel später erblickte ich dann das Licht der Welt in der französischen Metropole. Mein jüngerer Bruder, der knapp drei Jahre später in Ludwigshafen geboren wurde, ist übrigens bis heute etwas neidisch auf meinen Geburtsort. Insgesamt blieben wir aber nur ein gutes Jahr zu dritt in Paris. Aufgewachsen bin ich ab meinem fünften Lebensjahr in Köln.

Ihre Mutter wurde Oberstudienrätin, Ihr Vater war Physiker. Wie kamen Sie auf die Idee, Schauspieler zu werden?

Eigentlich wollte ich Therapeut werden, weil mich der Sozialkundeunterricht meiner Lehrerin als junger Schüler so faszinierte. Aber dann spielte ich auf dem Gymnasium in der Schauspielgruppe voller Spaß in einem Stück von Jean Anouilh mit. Und als mir dann noch eine Schulfreundin, die Tochter einer Regieassistentin, eine Schnupperwoche im Kölner Schauspielhaus ermöglichte, waren die Würfel gefallen. Ich verliebte mich in diese Arbeitswelt, das Leben auf und hinter der Bühne, in die Theatermenschen. Da war ich 16.

Sie haben bis auf vier Jahre, die Sie mit Ihrer Frau und ihren beiden Söhnen in Berlin und Köln verbrachten, immer in Zürich gelebt. Wo sind Sie denn René Heinersdorff begegnet?

Wir haben uns 1992 auf der Insel Kos bei den Dreharbeiten zu der deutschen Familienserie „Happy Holiday“ kennengelernt. René hatte darin eine Episodenrolle und wenn man in einem Robinsonclub 14 Tage und Nächte miteinander verbringt, kennt man sich am Ende doch schon ganz gut.

Düsseldorfkenner sind Sie auch?

Ja, als Jugendlicher habe ich meinen Vater regelmäßig besucht, der mit seiner zweiten Frau nach Düsseldorf gezogen war. 2004 hatte ich dann ein Engagement für das Musical „Das Mädchen Rosemarie“ im Capitol-Theater. An Düsseldorf beeindruckt mich, wieviel hier für die interessierten Bürger getan wird, was das Freizeit-, Sport- und Kulturangebot angeht. Ich finde es beispielsweise richtig und wichtig, dass Studenten für sechs Euro ins Theater an der Kö können - das ist fair, das ist unter Kinopreis!

Haben Sie Lieblingsplätze in der Stadt?

Ja, sogar einige. Ich bin begeisterter Inliner und fahre nach der Vorstellung durch die Nacht in mein Domizil nach Unterbilk. Auch die Strecke zwischen Fernsehturm und Fleher Brücke ist ideal zum Inlinern. Außerdem mag ich die Rheinwiesen bei Golzheim, den Grafenberger Wald, wie ich überhaupt eher ein Outdoor-Mensch bin, was vielleicht an den vielen Proben in geschlossenen Räumen liegt. Und dann gibt es noch einen ganz wichtigen Spezialisten hier für mich, den Automobiltechniker und Oldtimerspezialisten Roland Heidl in Lierenfeld, der mit viel Leidenschaft meinen alten Porsche gerade wieder ans Laufen bringt. Dieser Mann ist für Oldtimerfans, von denen es hier ja eine ganze Menge gibt, ein echter Geheimtipp.

Wenn man Ihnen die berühmte Pistole an die Brust setzte, wofür würden Sie sich entscheiden, Bühne oder Film?

Dann würde ich mich für die Bühne entscheiden, weil ich da mehr kreative Freiheit habe. Gerade Boulevard-Theater zu spielen, ist eine neue, ungeahnt künstlerische Herausforderung. Eine Gratwanderung, dem Publikum nicht zu nahe zu kommen, also nicht ins Private abzugleiten. Andererseits war keine meiner über 40 Theaterpremieren so angstfrei wie die in Düsseldorf im April. Es fühlte sich alles ganz leicht und beschwingt an, Menschen zum Schmunzeln und Lachen zu bringen. Und wenn man genau hingehört hat, haben die Zuschauer auch gemerkt, was an dem Stück tiefergehend gemeint ist und wo womöglich auch in den eigenen vier Wänden nicht immer alles zum Besten bestellt sein könnte. Jeder Abend auf der Bühne ist anders, fordernd. Ich möchte unsere Geschichte immer akkurat erzählen, aber es läuft nicht jeden Abend gleich. Das ist und bleibt an diesem Beruf kreativ und spannend.

Sprechen Sie dann mit Ihren Schauspielkollegen Mathias Hermann und Jochen Horst darüber?

Das ist nicht ganz leicht, Manöverkritik nach einem solchen Abend zu üben, sich über das gerade Erlebte auszutauschen. Aber es ist schon interessant zu sehen, dass unser Stück ernsthafter aufgenommen wird, wenn weniger Leute im Publikum sitzen. Lachen kann eben ansteckend sein.

Privat sind Sie immer noch im siebten Himmel?

Das ist mit Mimi Fiedler auch nicht schwer. Und ja, über ein Baby würde auch ich mich definitiv freuen. Das dazu.


Kurzvita

Bernhard BettelmannSeine Schauspielausbildung absolvierte Bernhard Bettermann an der Schauspielakademie in Zürich. Bereits als Student wurde er von Regisseur Robert Wilson für das Thalia Theater in Hamburg entdeckt. Es folgten Engagements in München, Bonn und an mehreren Theatern in Zürich. Seine erste Kinorolle bekam Bettermann 1989 in dem Krimidrama „All out“. Seitdem spielte er in zahlreichen Spielfilmen und Fernsehproduktionen im deutschen und Schweizer Fernsehen, unter anderem in „Tatort“, „Stubbe: Von Fall zu Fall“, „Siska“ und „Edel und Starck“. 2002 wurde er als bester Schauspieler für die Rolle des Oberstleutnants Clemens Forell in dem Kinofilm „So weit die Füße tragen“ beim Filmfestival in Mailand ausgezeichnet. Seit 2006 hängen vor allem die weiblichen Zuschauer an seinen Lippen, wenn er als Dr. Martin Stein in der ARD-Fernsehserie „In aller Freundschaft“ als Leitender Oberarzt der Chirurgie in der Sachsenklinik agiert. Bis Mai stand Bettermann sieben Wochen in der französischen Komödie „Unsere Frauen“ auf der Bühne im Theater an der Kö.



Rebecca Gable

„Ich möchte irgendwann einmal einen historischen Krimiroman schreiben"

Interview mit der Autorin Rebecca Gablé


von Evelin Theisen

Sie wurden in einer Kleinstadt am Niederrhein geboren und machten nach dem Abitur zunächst eine Banklehre. War damals schon ein großes Interesse an historischen Themen vorhanden und war das der Anlass, später ein Literaturstudium in Düsseldorf zu beginnen?

Historische Stoffe als Romanthemen habe ich erst während des Studiums für mich entdeckt. Aber ich habe während meiner Schul- und Lehrzeit schon geschrieben, hauptsächlich in den Genres Kriminalroman und Thriller. Es hat dann allerdings noch einige Jahre gedauert, bis mir klar wurde, dass Schreiben für mich mehr als ein Hobby sein könnte. Also gab ich mit Mitte Zwanzig meinen Brotberuf bei der Bank auf und studierte englische und deutsche Literatur. Dabei gehörte die mittelalterliche Literatur zum Pflichtprogramm, und obwohl ich anfangs gar keine Lust dazu hatte, wurde gerade dieser Themenbereich dann meine große Leidenschaft.

Gab es einen Lieblingsautoren für Sie?

Als Schreibanfängerin in den frühen achtziger Jahren habe ich meterweise Sidney Sheldon gelesen, den heute vermutlich kaum noch jemand kennt, der aber ein versierter Spannungsautor war. Aber ich habe immer sehr viel und sehr unterschiedliche Autoren gelesen und halte es heute noch so.

Was war der erste große Erfolg, der den Durchbruch brachte?

’Das Lächeln der Fortuna’, mein erster historischer Roman, der 1997 erschien. Ich hatte zuvor bereits zwei Krimis veröffentlicht, die zwar ganz ordentlich besprochen wurden, sich aber eher übersichtlich verkauften. Mit dem „Lächeln der Fortuna“ änderte sich das: Der Roman erschien im November, und schon in der zweiten Dezemberwoche musste nachgedruckt werden. Mein Verlag und ich rätseln bis heute, wie dieses Buch einer unbekannten Autorin, das keinerlei Werbeetat hatte, im hartumkämpfen Weihnachtsgeschäft solche Aufmerksamkeit erregen konnte. Aber das gehört zur Faszination des Buchmarktes: Selbst Experten können ihn nicht wirklich verstehen, geschweige denn vorhersagen.

Sie haben später selber altenglische Literatur an der Heinrich-Heine-Universität gelehrt. Wie kam es dazu?

Ich hatte die mittelalterliche englische Literatur als meinen Studienschwerpunkt gewählt. Das ist eine eher exotische Wissenschaft, und es gab nur einige wenige Hauptfachstudenten. Die Atmosphäre am Lehrstuhl war sehr persönlich, und ich hatte das Glück, dort schon als Studentin einen Job als Hilfskraft zu bekommen. Als dann ein paar Jahre nach meinem Examen ein Lehrauftrag zu vergeben war, war die Schlange der möglichen Kandidaten vermutlich nicht sehr lang, und mein einstiger Professor hat sich an mich erinnert und ihn mir angeboten.

Leider wird ja heute auf den Geschichtsunterricht in den Schulen viel zu wenig Wert gelegt. Gleichzeitig haben historische Themen großes Interesse gefunden. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Ich höre sehr häufig von Leserinnen und Lesern, dass sie entweder gar keinen Geschichtsunterricht in der Schule hatten oder aber dass er grauenhaft langweilig war oder gefühlte zwanzig Mal die Zeit des Nationalsozialismus‘ behandelt hat, aber nicht viel anderes. Nach meiner Erfahrung haben diejenigen, die jetzt Vierzig oder jünger sind, in der Schule nicht einmal einen rudimentären überblick über die Menschheitsgeschichte vermittelt bekommen. Viele Betroffene empfinden das als Mangel und versuchen nachzuholen, was die Schule versäumt hat. Das kann man zum Beispiel auch mit zuverlässig recherchierten historischen Romanen tun, die eben nicht nur unterhalten, sondern auch Wissen über die Vergangenheit vermitteln. Ich glaube, das ist einer der Gründe für den anhaltenden Erfolg dieses Genres.

Was ist für Sie das Wichtigste an einem historischen Roman? Der Leser geht ja von einem gewissen geschichtlichen Wahrheitsgehalt aus, anders als in den bekannten fiktiven Serien, wie „Game of Thrones“, die sich irgendwie historischer Vorlagen bedienen aber frei erfunden sind.

Ein historischer Roman muss eine fesselnde Story erzählen, aber die historischen Personen, Ereignisse, Lebensgewohnheiten etc., die darin geschildert werden, müssen korrekt und zuverlässig sein. Ich habe kein Problem mit „Game of Thrones“, denn das ist Fantasy im historischen Kostüm und gibt nicht vor, etwas anderes zu sein. Aber ich ärgere mich manchmal schon ein wenig über Romane oder Fernsehproduktionen wie „Die Tudors“, die angeblich von Heinrich VIII. und seinen sechs Frauen erzählt, aber ständig die historisch belegten Fakten verdreht, weil es den Autoren vielleicht besser ins Drehbuch passte. Das finde ich unseriös.

Interessieren Sie sich auch für andere Stoffe, zum Beispiel Kriminalfälle?

Ich lese nach wie gerne Krimis und möchte irgendwann einmal einen historischen Kriminalroman schreiben. Es gibt in der englischen und auch in der deutschen Geschichte jede Menge ungelöster Kriminalfälle, die es wert wären, sie einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Wieviel Zeit brauchen Sie inklusive Recherche bis zur Fertigstellung eines Buches?

Meistens etwa zwei Jahre. Die ersten drei, vier Monate verbringe ich nur mit Recherche. Dann plane ich meine Handlung und die Hauptfiguren und beginne zu schreiben, recherchiere aber eigentlich bis zum letzten Tag parallel weiter, weil ich oft erst während des Schreibprozesse erkenne, wo ich noch ein bisschen tiefer einsteigen muss.

Wie muss man sich den Alltag eines Schriftstellers vorstellen?

Die Tage sind sehr unterschiedlich, je nachdem, ob Recherche oder Schreiben im Vordergrund steht. Mal verbringe ich einen ganzen Tag in der Bibliothek. Das Sahnehäubchen jeder Recherche ist immer die Reise zu den Schauplätzen des Romans, soweit noch vorhanden. Aber die meiste Zeit sitze ich natürlich am heimischen Schreibtisch. Die Kunst besteht darin, ihn morgens möglichst zeitig aufzusuchen, statt tausend Ausflüchte zu erfinden, um nicht mit dem Schreiben beginnen zu müssen. Das ist die wohl häufigste Schriftstellerkrankheit.

Sehen Sie das Internet als gefährliche Konkurrenz zum gedruckten Buch? Könnten Sie sich vorstellen, Bücher zum „Herunterladen“ zu produzieren?

Nein, ich bin da ganz unbesorgt. Das Radio, das Kino, das Fernsehen, die CD-ROM – sie alle wurden in der Vergangenheit bezichtigt, dem gedruckten Buch den Todesstoß zu versetzen. Jetzt eben das Internet. Aber das Buch erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit. Natürlich ist die Konkurrenz durch andere Medien größer geworden. Das heißt, wir Schriftsteller müssen uns vielleicht mehr anstrengen als in den Zeiten, da wir das Unterhaltungs- und Informationsmonopol hatten. Aber wir profitieren andererseits ja auch vom Internet, indem wir dort unsere Bücher als E-Books oder als Hörbücher zum Herunterladen vermarkten. Das Internet verändert den Buchmarkt, keine Frage. Manche Buchhändler, Verlage und Autoren sind schon auf der Strecke geblieben. Und dieser Veränderungsprozess wird anhalten, weil das eben die Natur des Internet ist. Aber das Buch bleibt.

Wann kann der interessierte Leser mit einer Neuerscheinung aus Ihrer Feder rechnen?

Wenn alles planmäßig klappt wird im Sommer 2017 mein nächster Roman erscheinen, der wieder einmal ins deutsche Mittelalter führt - zu Otto dem Großen und seiner streitlustigen Familie.


Kurzvita

Rebecca Gablé wurde geboren 1964. Studierte Literaturwissenschaft, Sprachgeschichte und Mediävistik in Düsseldorf, wo sie anschließend als Dozentin für mittelalterliche englische Literatur tätig war. Heute arbeitet sie als freie Autorin. Ihre historischen Romane und ihr Buch zur Geschichte des englischen Mittelalters wurden allesamt Bestseller und in viele Sprachen übersetzt. Sie lebt mit ihrem Mann am Niederrhein und auf Mallorca.



Dorothee Achenbach und Susanne Altweger

„Meine Wäsche kennt jetzt jeder“

Interview mit Dorothee Achenbach, Kunsthistorikerin und Buchautorin


von Dr. Susanne Altweger

Frau Achenbach, Sie haben mit spitzer Feder und hintergründigem Humor ein Buch über das bisher schlimmste Jahr Ihres Lebens geschrieben. Haben Sie gedacht, dass es ein solcher Erfolg wird?   

Nein, in dieser Form nicht. Zuerst war es ein Stück Therapie für mich, um das Ganze zu verarbeiten. Dann sagte meine Tochter, sie hätte beim Lesen der ersten Seiten so viel gelacht und da sollte man ein Buch draus machen. Das Schreiben fiel mir leicht, hat mich erfüllt und mich im meist überaus anstrengenden Alltag abgelenkt. Als Literaturwissenschaftlerin fiel es mir nicht schwer, dem Ganzen eine Form zu geben. Der Rahmen waren zwölf Monate von Juni 2014 bis Juni 2015. Jedem Monat habe ich eine Auswahl von authentischen Schlagzeilen vorangestellt. Die waren oft ungeheuerlich, und es wurde so viel aus der Außensicht geschrieben, dass ich es wichtig fand, die Innensicht darzustellen. Kaum einer hat sich Gedankengemacht, was diese Situation für uns als Familie bedeutet. Es war viel Vorverurteilung und Häme spürbar.

Ja, das kann ich bestätigen. Die Presse war oft mitleids- bis verantwortungslos. Der tiefe Fall Ihres Mannes, der sicherviele Neider hatte, hat auch Ihr Leben total aus den Angeln gehoben. Sie wurden gezwungen, über lange Zeit in einem permanenten Ausnahmezustand zu leben und haben richtige Surviver-Fähigkeit bewiesen. Kannten Sie diese Kraft in sich?  

Nein, vorher brauchte ich sie nicht. Aber wenn Sie mich so fragen, ich glaube, das liegt in meiner Kindheit. Ich habe früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Außerdem bin ich Sternzeichen Stier, ich packe Dinge an den Hörnern. Und auch in privilegierten Zeiten bin ich bodenständig geblieben. Was mir aber am meisten geholfen hat, waren meine wirklich guten Freunde, in der Mehrzahl Freundinnen, die unerschütterlich zu mir gestanden haben. Auch als ich jetzt umgezogen bin, sagten selbst die Möbelpacker, sowas hätten sie noch nie erlebt. Zwölf Frauen teilten sich in Gruppen in die Zimmer auf und packten die Umzugskisten. Und als wir in der neuen Wohnung ankamen, waren die ersten schon wieder da und halfen mir, alles auszupacken. Diese aktive Hilfe und Zuwendung hat meinen Abschiedsschmerz vom langjährigen Zuhause gemildert. Das war eine wirklich gute Erfahrung. Wichtig ist für mich auch die Tatsache, dass ich mit meinem Buch anderen helfen konnte. Ich bekomme viele Zuschriften mit Zuspruch, und ich konnte erfahren, dass andere Menschen Vergleichbares und noch Schlimmeres durchlitten haben, da sie über kein Netzwerk von Freunden verfügten und sich - zu Unrecht - schämen. Viele gratulieren mir zu meinem Mut.

Zurück zu Ihrem Schreibstil: Was mir besonders gefallen hat, ist Ihre Art mit wenigen pointierten Worten Personen oder Situationen zu beschreiben. Konnten Sie diese Fähigkeit früher schon anwenden?  

Ja, in meinen Kunstbesprechungen für Zeitungen habe ich versucht, prägnant zu charakterisieren. Ich verfüge über lange Schreiberfahrung und wohl eine gewisse Gabe, das Leben mit Humor und Ironie zu betrachten. Letztere brauchte ich auch, um unerträgliche Situationen, wie zum Beispiel die mit den Gerichtsvollziehern, zu überleben. Da gab es Szenen, die hätten in ein Komödiendrehbuch gepasst.

Wie sehen unter den derzeitigen Umständen Ihre Zukunftspläne aus?  

Ich habe mit einem neuen Buch angefangen, denn ich muss einfach schreiben. Leider hatten sich Auftraggeber, für die ich Beiträge geschrieben hatte, nach dem Skandal zurückgezogen, da der Name zu belastet sei. Aber ich bin in der Kunstszene gut vernetzt und würde gerne wieder einsteigen.

Meiner Ansicht nach ist es Ihnen mit diesem Buch gelungen, aus einer „beschädigten Marke“ für Ihre Person wieder einen guten Namen zu machen. Das ist eine große Leistung und sie müsste Früchte tragen.  

Ja, ich hoffe schon.

Außerdem haben Sie sich ihre Rolle in der Gesellschaft nicht wegnehmen lassen. Sie treten selbstbewusst auf, verstecken sich nicht und haben Haltung gezeigt.  

Das ist eine Frage der Disziplin. Außerdem habe ich nichts getan. Die meisten Menschen unterscheiden zwischen mir und meinem Mann. Durch das Buch konnte ich auch meine Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass die Feder stärker ist als das Schwert, obwohl Vieles noch ungesagt geblieben ist. Weglaufen oder Wegducken ist für mich keine Option, auch wenn in meinen Augen versucht wurde und wird, mich psychisch mürbe zu machen. Doch zu etwas Positivem: Ich finde es  schön, dass ich meine langjährigen Ehrenämter behalten konnte: Die bei der Stiftung Sterntaler und der Stiftung für Kultur und Bildung, oder die Rolle als Schirmherrin bei der Kunstauktion der Aidshilfe und bei „Kunstgegen Sucht“. Diese Tätigkeiten geben zusätzlichen Halt und Sinn in meinem Leben. Ich möchte für meine Kinder ein gutes Vorbild sein. Sie haben es in dieser Situation wirklich sehr schwer. Dennoch darf man jene nie vergessen, die noch viel mehr zutragen haben.

Als erfolgreiche Buchautorin wurden Sie zu etlichen Talkshows eingeladen. Unter anderem zur „Fuck up night“, wo es um das Thema „Scheitern“ geht. Was raten Sie als unfreiwillige Expertin, wie mit Scheitern umzugehen ist?

Das Wichtigste zur Bewältigung von Krisen sind eine intakte Familie und gute Freunde - also sollte man ein Leben lang Freundschaften pflegen. Zweitens muss man lernen, nichtjedem zu vertrauen und keine voreiligen Entscheidungen zu treffen – lieber erst ruhig nachdenken. Da habe ich große Fehler gemacht. Last but not least: Niemals aufgeben. Irgendwann geht es wieder aufwärts.


Kurzvita

Dorothee Achenbach wurde in Trier geboren, studierte Kunstgeschichte, Politik- und Literaturwissenschaften in ihrer Heimatstadt, München und Paris. Seit 1996 ist sie mit Helge Achenbach verheiratet, mit dem sie zwei Kinder hat. Tätigkeiten bei verschiedenen TV Sendern, seit 20 Jahren in der Kunstberatung tätig. Moderatorin und freie Journalistin.



Bjoern Merse und Maike Kühl

„Ich mag die Offenheit der Rheinländer“

Interview mit Maike Kühl, Kabarettistin und Schauspielerin


von Björn Merse

Wie fühlt sich eine gebürtige Münchnerin im Rheinland?

Pudelwohl! Landschaftlich ist man als Münchnerin natürlich verwöhnt. Da bin ich schon das eine oder andere Mal sehr erschrocken, welch hässliche Orte es im Rheinland gibt. Aber die Menschen hier machen das definitiv wieder wett. Ich mag die Offenheit der Rheinländer. Und die Feierfreudigkeit. Man kommt hier ja aus dem Feiern gar nicht mehr raus. Da wird der Wein gefeiert, Frankreich wird gefeiert, Japan auch, der Fisch wird gefeiert, der Jazz, die Museen, der Glühwein und dann natürlich der Karneval. Und dann geht’s schon wieder von vorne los. Gibt Schlimmeres!

Erfüllt es sie mit Stolz, Mitglied des mittlerweile berühmten Kom(m)ödchen-Ensembles zu sein?

Klar! Es ist schön zu merken, dass der Zuschauer das Haus inzwischen ganz stark mit unserem Ensemble verbindet und wir mit unseren Autoren etwas ganz Besonderes und Eigenes kreiert haben.

Christian Ehring war bei seinem Interview mit uns voll des Lobes über Sie und Ihren Kollegen Heiko Seidel. Jetzt können Sie sich gerne revanchieren.

Nichts leichter als das! Es ist ein so großes Vergnügen, mit Christian auf der Bühne zu stehen. Und nach nun 10 Jahren gehen wir uns immer noch nicht auf den Keks. Das ist in den meisten Ehen anders! Ich bewundere seine Genauigkeit und Disziplin und natürlich seine großartigen Texte. Christian gönne ich seinen Erfolg von Herzen, weil er so verdient ist. Und man kann mit ihm wunderbar albern sein!

Ist es nicht manchmal schwer, gegen eine „Rampensau“ wie Heiko Seidel anzuspielen und – wie können sie bei „The Sun of Meerbusch“ überhaupt noch ernst bleiben?

Ich versuche nicht, gegen Heiko anzuspielen. Das hätte gar keinen Sinn! Es gibt nichts Schlimmeres, als ein 'Battle der Rampensäue.' Das mit dem Ernstbleiben ist tatsächlich nicht immer leicht. In den Proben zu Couch gab es die Szene zwischen dem beigen Paar Klaus und Manu. Die haben wir bis kurz vor der Premiere nicht ein einziges Mal ohne Lachen hinbekommen. Unser Regisseur war der Verzweiflung nahe. Besonders, weil er selbst jedes Mal mit lachen musste. Aber genau das ist das Besondere zwischen uns. Nach so vielen Vorstellungen entdeckt man immer wieder neu die Komik einer Szene oder Figur und muss dann eben auch mal lachen.

Wie verträgt sich Ihr „Mutter sein“ mit ständigen Proben und abendlichen Auftritten?

Ich finde es immer wieder interessant, dass meinen Kollegen, die auch alle Kinder haben, diese Frage nie gestellt wird. Anscheinend ist unser Familienmodell noch immer nicht selbstverständlich. Mein Mann und ich versuchen uns eben gegenseitig den Rücken freizuhalten, so dass jeder die ihm wichtigen Projekte wahrnehmen kann. Ist das anstrengend? Und wie! Oft brüten mein Mann und ich stundenlang über unseren Kalendern, um die nächsten Wochen zu planen. Aber am Ende des Tages bin ich sehr dankbar, dass ich Kinder und Karriere vereinbaren darf und kann. Es ist ganz wunderbar, nach einer Tour oder Dreharbeiten nach Hause zu kommen und die Kinder zu knuddeln. Es ist aber auch ganz wunderbar, nach einem Tag voller Haushalt und Kindergequengel sagen zu können: 'Und tschüss! Mami darf jetzt arbeiten gehen.'

Sie spielen jetzt im zehnten Jahr am Kom(m)ödchen. Was ist das Besondere an diesem Haus?

Chef, Kollegen auf der Bühne, Kollegen hinter der Bühne. Kurz gesagt: die Menschen! Wir sind ein kleines, zusammengeschweißtes Team und fühlen alle eine große Verbundenheit zu diesem Haus. Alle hier arbeiten miteinander und nie gegeneinander. Diese Atmosphäre zu schaffen ist eine so große Leistung von Kay Lorentz. Wir nennen es auch gerne die 'Arschlochfreie Zone'.

Seit letztem Jahr gehörte mit Ihrem Engagement in der ARD-Show „3. Stock links“ auch Fernsehen wieder zu Ihren Aufgaben. Brauchten Sie den Ausgleich? Und waren sie froh, auch mal eine Szene wiederholen zu können?

Den Ausgleich habe ich nicht gesucht. Aber natürlich tun neue Impulse immer gut. Ich habe das große Glück, in Sebastian Pufpaff und Hannes Ringlstetter trotz ihrer Solokarrieren großartige Teamplayer gefunden zu haben. Und wie toll, dass wir gleich mit einer Grimme-Preis-Nominierung belohnt wurden!
Klar kann man Szenen wiederholen. Dafür bekommt man Texte viel knapper und hat eine wesentlich kürzere Probenzeit.

Wie geht es mit dem Projekt weiter? Sind schon weitere Folgen in Planung?

Wir arbeiten bereits an Staffel 2. Diese wird bald schon gedreht, allerdings erst gegen Ende des Jahres ausgestrahlt. Dafür dann aber wöchentlich.

Während Ihrer Babypause wurden Sie in den Programmen von Melanie Haupt ersetzt. Was war das für ein Gefühl und wie hat sie ihre Sache gemacht?

Ich war froh, dass ich eine so tolle Vertretung hatte, sowohl in Melanie als auch in Andrea Frohn, die mich in „Freaks“ vertreten hat. So konnte ich die eigenen Produktionen auch mal im Zuschauerraum genießen und endlich ungebremst darüber lachen!

Welche Kabarettisten sehen Sie gerne?

Jochen Malmsheimer, Josef Hader, Andreas Rebers, Tina Teubner, Rainald Grebe. Und ich war immer schon ein Riesenfan von Gerhard Polt.

Sie leben in Düsseldorf . Wie würden Sie einem Fremden Ihre Stadt in ein paar Sätzen beschreiben?

Die Stadt ist besser als ihr Ruf. Aber ist das nicht eigentlich bei allen Städten so? Düsseldorf kann schick sein und bescheiden. Arrogant und herzlich. Beschwipst und nüchtern. Es kommt also ganz darauf an, was du daraus machst. Und Gelegenheiten, sich die Stadt schön zu trinken, gibt es hier ja schließlich genug!


Kurzvita

Maike KühlMaike Kühl ist eine deutsche Kabarettistin und Schauspielerin. Am 01.05.1976 in München geboren und aufgewachsen; hat dort die Otto-Falckenberg-Schauspielschule besucht. Es folgten Engagements in München, St. Gallen und Köln. Seit 2006 gehört sie zum festen Ensemble im Düsseldorfer Kom(m)ödchen und spielt in „Couch“, „Sushi“, „Freaks“ und „Deutschland gucken“. Seit 2015 spielt sie u.a. neben Sebastian Pufpaff in der ARD-Show „3. Stock links“ mit, die gerade für den Grimme-Preis nominiert wurde. Sie wohnt mit Mann (Mitglied im Ensemble des Düsseldorfer Schauspielhauses) und ihren beiden Töchtern in Gerresheim.


Björn Merse und Christian Ehring

„Auf das Auftreten als Kabarettist könnte ich nicht verzichten. Das ist direkt, unmittelbar, euphorisierend“

Interview mit Christian Ehring, Kabarettist, Autor und Musiker


von Björn Merse

Sie sind gebürtiger Duisburger aber leben in Düsseldorf. Welches Herz schlägt in Ihrer Brust – MSV oder Fortuna?

Weder noch. Mir sind religiöse Gefühle vollkommen wesensfremd. Insofern kann ich auch mit der Verehrung eines Sportvereins nicht viel anfangen. Ich hab von Fußball gerade eben so viel Ahnung, dass es reicht für einen kurzen Smalltalk mit den Kumpels. Im tiefsten Innern ist mir das ziemlich egal.

Sie sind Komponist, Kabarettist, Autor. Wenn Sie sich für eine Disziplin entscheiden müssten, welche wäre das und warum?

Ich hoffe, dass ich mich nicht entscheiden muss, denn die Mehrfelderwirtschaft macht ja gerade so viel Spaß. Sollte ich mich partout entscheiden müssen, dann: Kabarettist. Auf alles andere könnte ich wohl schweren Herzens verzichten. Auf das Auftreten nicht. Das ist direkt, unmittelbar, euphorisierend. Sich im Stadtteilzentrum mit eigenen Texten vor 21 zahlenden Zuschauern auf die Bühne stellen - so hab ich mit der ganzen Sache angefangen. Und so werde ich auch wieder damit aufhören.

Wie kann man sich immer wieder motivieren, Couch, Sushi oder Freaks zu spielen, als wäre es das erste Mal?

Wir haben da für uns eine Mischung aus Disziplin und Spaß kultiviert. Es ist uns einfach nie egal, wie ein Abend läuft. Wir schämen uns sehr, wenn wir mal einen schlechten Tag haben, jeder von uns. In neun Jahren hat’s zwar häufiger mal den Satz gegeben: „Ich hab 40 Grad Fieber und versuch’s irgendwie.“ Aber noch nie: „Ich hab heute keine Lust.“ Wenn wir uns zur Vorstellung treffen, haben wir gute Laune. Wir haben offenbar alle das Gefühl, dass sich das so gehört. Und das Tolle ist: Dann hat man auch wirklich Spaß. Das menschliche Gehirn ist ja ein bisschen doof. Man kann dem sagen: Hab Spaß, und das Gehirn denkt: Jo, geht klar.

Sie spielen seit 1998 im Düsseldorfer Kom(m)ödchen, seit 2006 als Ensemblemitglied. Was ist das Besondere an diesem Haus?

Es ist ein guter Ort. Ich hab das schon gemerkt, als ich mit Anfang 20 dort das erste Mal als Zuschauer war. Es ist heiß, es ist nah, es ist eng. Wenn es gut läuft, brennt in dem Laden richtig die Luft. Dann spielt sicher auch die ganze Tradition des Hauses eine Rolle. 1947 in den Trümmern gegründet: die ganze Geschichte der Bundesrepublik ist da präsent. Und dann auch wieder nicht so erdrückend, dass sich nichts Neues mehr entfalten könnte. Das Kom(m)ödchen ist ja in Deutschland eine der ganz wenigen Bühnen mit einer noch lebendigen Ensemble-Kabarett-Tradition. Allein das ist schon etwas Besonderes.

Christian Ehring schaut zu Lore Lorentz auf

Als Autor haben Sie unter anderem für Dieter Hallervorden, die Kölner Stunksitzung und Käpt’n Blaubär gearbeitet. Für welche Person Ihrer Wahl, für die Sie noch nicht geschrieben haben, würden Sie gerne mal als Autor arbeiten?

Das Schreiben war für mich lange Zeit existenziell notwendig, weil ich vom Auftreten allein nicht leben konnte. Seit ich es mir leisten kann, behalte ich meine Ideen lieber für mich. Eine Ausnahme machen würde ich zum Beispiel für Anke Engelke. Die fand ich schon immer hinreißend.

Sie haben mit Maike Kühl und Heiko Seidel zwei grandiose und talentierte Partner auf der Bühne an Ihrer Seite. Mit welchem weiteren Kollegen würden Sie gerne auch mal arbeiten?

Auch hier würde ich Anke Engelke nennen. Neben meinen persönlichen Hausgöttern John Cleese, Louis CK, Woody Allen und Ricky Gervais. An Maike Kühl und Heiko Seidel kämen natürlich alle nicht heran.

Die Basis aller Stücke ist die Autorenarbeit. In welchem Umfeld kommen Ihnen die besten Ideen?

Das ist sehr unspektakulär: Am Schreibtisch, beim Arbeiten an einem Text. Denn es braucht ja nie nur die eine große Idee, es braucht immer auch ganz viele kleine Ideen. Die kommen meist nicht, wenn man auf Inspiration wartet, sondern einfach dran bleibt. Was für mich auf jeden Fall wichtig ist: Ein gewisser Termindruck. Und ein ausgeschaltetes Handy.

Welche Konzerte besuchen Sie gerne?

Im weiteren Sinne klassische Konzerte. Jazz, Funk und Soul mag ich auch. Tendenziell eher die Konzerte, in die man geht als die, auf die man geht. Wenn ein Klavier auf dem Podium steht, bin ich sowieso glücklich. Ich will zum Beispiel endlich mal den Pianisten Michael Wollny live erleben.

An welchen neuen Projekten arbeiten Sie gerade?

Ich arbeite an einer noch recht diffusen Idee, aus der für mein Gefühl ein Buch werden sollte. Ich weiß aber nicht, ob mich ein Verlag damit überhaupt haben will. Falls nicht, wird es ein Soloabend. Die entsprechende Datei nenne ich aber einfach mal „Buchprojekt“.

Sie leben in Düsseldorf. Wie würden Sie einem Fremden Ihre Stadt in ein paar Sätzen beschreiben?

Düsseldorf ist ein bisschen langweilig. Großprojekte werden oft pünktlich fertig, bleiben im Kostenrahmen und sind manchmal sogar einigermaßen durchdacht. Düsseldorf ist hier und da richtig schön. Und zwei Straßen weiter von zermürbender Hässlichkeit. Düsseldorf ist eine der wenigen Städte der Welt, in denen Slipper und vor der Brust verknotete Pullover als modisch durchgehen. Das ist sehr eigenartig. Dafür kann man in der Kneipe mit dem Satz „Was seid ihr denn für Vögel?“ mit wildfremden Menschen ins Gespräch kommen. Das ist sehr erfrischend. Kurz gesagt: Eine Stadt zum Verlieben. Vielleicht nicht auf den ersten Blick. Vielleicht eher auf den zweiten oder dritten. Ein paar Dioptrien schaden auch nicht. Aber dann...


Kurzvita

Christian EhringChristian Ehring wurde geboren 1972 in Duisburg, aufgewachsen in Krefeld. 1990 gründete er mit Volker Diefes das Kabarett „Die Scheinheiligen“, das sich diverse Kleinkunstpreise erspielte. 1998 wechselte er zusammen mit Diefes zum Ensemble des Düsseldorfer Kom(m)ödchens. 1998 bis 2002 war Ehring in den Kom(m)ödchen-Produktionen „Die letzten Tage von Erkrath“, „Amok und Big News“ zu sehen, an denen er auch als Autor und Komponist beteiligt war. 2002 bis 2006 trat er überwiegend als Solokünstler auf. 2006 kehrte Ehring ans Kom(m)ödchen zurück, diesmal als Ensemblemitglied, Autor, Komponist und künstlerischer Leiter. Zusammen mit Maike Kühl und Heiko Seidel ist er dort in den Stücken „Couch. Ein Heimatabend“, „Sushi. Ein Requiem“ und „Freaks. Eine Abrechnung“ zu sehen. Seit Mai 2009 gehört er zum Team der ZDF-heute-show. Im Juli 2011 übernahm er die Moderation von Extra 3. Ehring lebt in Düsseldorf und hat zwei Töchter.

Fotos: Stefan Doemelt
Portraitfoto: Harald Hoffmann



Bert Gerresheim und Siegmar Rothstein

„Das einzige Anliegen meiner Arbeit ist, dem irren Mysterium der Lebenswirklichkeit durch bildnerische oder figürliche Beschwörung näher zu kommen“

Interview mit Bert Gerresheim, Bildhauer, Grafiker und Pädagoge


von Dr. Siegmar Rothstein

Im Oktober diesen Jahres haben Sie das achtzigste Lebensjahr vollendet. Sie blicken auf ein beeindruckendes und erfolgreiches künstlerisches Schaffen zurück, Sie wirken gesund, vital und sind immer noch tätig. Mit Düsseldorf sind Sie zeitlebens verbunden und werden als Glücksfall für diese Stadt bezeichnet. Schließlich ruhen Sie als Mitglied des weltlichen Franziskaner Ordens in christlicher Überzeugung. Sie müssen ein glücklicher Mensch sein.

Geburtstage? Jeder Tag ist ein Geburtstag und wenn man die Familie seit 1388 am Flusslauf der Düssel weiß, hört man auf, Geburtstage zu zählen, dann gehört Vater Rhein zur Familie und die Loreley ist eine extravagante Tante. Einen „ruhenden“ Franziskaner gibt es nicht. Franziskaner sind auf den Spuren des Franz von Assisi in einer Narrenweltwirklichkeit unterwegs. Was ein glücklicher Mensch ist, weiß ich nicht, die Lebenswirklichkeit bewegt sich im Spannungsfeld von Verwundung und Sehnsucht.

Wollten Sie immer schon Künstler werden oder kam auch ein anderer Beruf für Sie in Betracht? Ihr Vater führte eine Spedition, eigentlich sollten Sie in seine Fußstapfen treten. Wurden Sie in Ihrem Berufswunsch unterstützt oder gab es familiäre „Diskussionen“?

Wenn man von frühauf keine Wahl hatte und nur kritzeln, zeichnen und Figuren machen konnte, hatten eine herzwache rheinische Mutter und ein verständnisvoller Vater das Einsehen: „Lass ihn nur machen, etwas Vernünftiges kommt sowieso nicht heraus und nachher kann er zur Kunstakademie gehen“.

Sie haben sich künstlerisch von ihrem verehrten Lehrer Otto Pankok entfernt und surrealistisch gearbeitet. Sie wollten also nicht nur das darstellen, was wir sehen und kennen, sondern auch Träume, Visionen, Unwirkliches und Phantastisches. Lag das an Ihrer stillen Liebe zur Mystik?

Von meinem Lehrer Otto Pankok habe ich gelernt, dass Gesehenes, Geschautes oder Visionäres der Objektivierung durch Formgestaltung bedarf. Auch Visionäres hat in der Bildkunst Erscheinungsqualität zu erhalten. Was mir aber ebenso wesentlich erschien, war Pankoks künstlerische und moralische Integrität. Als ich durch die Erfahrung surrealistischer Kunstauffassung Bretons und durch die Begegnung mit Max Ernst und Hans Arp 1961 in Richtung Traum, Vision und Phantastik abdriftete und mir das Vexieren als Aussageform entsprechend erschien, um ein Bild von der Welt zu versuchen, war eine gewisse Distanzierung von der Welt Otto Pankoks vorprogrammiert. Aber seine menschliche Wahrhaftigkeit blieb mir immer verpflichtend und aus seinen 10 Künstlergeboten ist das eine ganz wesentlich: „Du sollst nur Deinen Träumen trauen“.

Als Bildhauer haben Sie sich auch sehr stark mit christlichen Themen beschäftigt und zahlreiche religiöse Skulpturen voller Spiritualität geschaffen. Wie sind Sie dazu gekommen? Befreundet sind Sie seit über 25 Jahren mit Kardinal Meisner, dem ehemaligen Erzbischof zu Köln. In seinem Auftrag haben Sie das Gastgeschenk für den Papst anlässlich des XX. Weltjugendtages geschaffen, eine faustgroße vergoldete Bronzeplastik der Heiligen Drei Könige.

Als Bildhauer hat man doch den Beruf des lieben Gottes, der aus Ton Figuren modellierte. Scherz beiseite: der bildnerische Mensch scheint etwas Archaisches zu haben. Otto Dix sagt: „Kunst ist Bannung“ - vielleicht sollte man hinzufügen „und Beschwörung“. Es geht darum, eine bild- oder figurenhafte Interpretation von Welt zu versuchen. Dazu gehört auch, die Heilswirklicht im Jetzt und Heute zu vergegenwärtigen, wenn auch nur schmerzlich fetzenhaft. Das hatte 1980 Johannes Paul II. den Künstlern abverlangt und so wurde unter dieser Perspektive ein faszinierendes Zusammenspiel zwischen Kardinal Meisner und dem Bildhauer möglich, weil ein Mensch mit großer Seelenspannweite als Auftraggeber einem Bildhauer schöpferische Offenheit zu schenken wusste.

Im Raum Kevelaer finden sich mehr als 50 Ihrer Plastiken, insbesondere auch Ihr  monumentalstes Werk „Wiederkehr Christi“ am Portal der Marienbasilika. Gibt es eine besondere Nähe zu diesem Wallfahrtsort?

In den letzten Kriegsjahren vor 1945 war „Maria Kevelaer“ durch eine Gnadenbildkopie im Elternhaus präsent - nicht als Kunstdekor, sondern als Hoffnungsfetzen in hoffnungslos bedrohlicher Zeit. Das Ambiente war abgesteckt: der Vater als Soldat in Russland, der Onkel im KZ, die Familie unter Verdacht, jüdischer Abstammung zu sein und in ständiger Erwartung der häufigen Gestapobesuche. Sobald jemand an der Türe erschien, wurde aus Angst die Gnadenbildkopie durch ein ölstrotzendes Hitlerbildnis zum Schutz der Familiensituation überdeckt. Als ab 1986 Gestaltungsaufgaben aus dem Kevelaerer Ambiente kamen, war das eine beziehungsgeladene Herausforderung, die ihre Antwort auch in dem Endzeitbild „Kevelaerer Apokalypse“, dem Hauptfassadenbild der Basilika, mit seinen 260 Figuren fand.

Ihre Werke haben oft kontroverse Diskussionen ausgelöst. Einige Skulpturen waren bei der Aufstellung umstritten, weil sie den gängigen Erwartungen und Vorstellungen nicht entsprachen. Sie wollten aber nicht schmeicheln. Bei der Enthüllung Ihres Heine Mahnmals 1981 in Düsseldorf kam es zu Protesten. Mit der zerstückelten Totenmaske konnte sich Bundespräsident Carstens nicht anfreunden. Sie sollte aber wohl die innere Zerrissenheit Heines symbolisieren. Hat Kritik Sie berührt oder zu Änderungen in Ihren Arbeiten geführt? Heute sind Sie uneingeschränkt anerkannt und gelten als einer der bedeutendsten Bildhauer unserer Tage.

Kontroverse Diskussionen um ein Werk der bildenden Kunst im öffentlichen Raum können signalisieren, dass das diskutierte Bildwerk nicht den erwarteten angenehmen Design Effekt bedient, sondern eine formalästhetische und geistig spirituelle Aussage vergegenwärtigt, was immer zu denken gibt. Aber Gestaltungsänderungen oder Reduzierungen der projektierten Bildwerke wurde wurden nie notwendig, weil ich immer ein offenes Gespräch mit den kritischen Parteien gesucht habe, was hier und da sogar zur Erweiterung des Bildprogramms führen konnte.

Ein gutes Beispiel dafür, dass Sie nicht schönfärben wollen, sondern die kritische Realität darstellen, ist der von Ihnen geschaffene Marmorkopf Heines in der Walhalla bei Regensburg. Dort finden sich sonst nur geschönte und idealisierte Abbilder. Heine wird kränkelnd am Ende seines Lebens zerrissen dargestellt. Hat es viel Mühe gekostet, den zunächst vorhandenen hinhaltenden Widerstand zu brechen?

Das „Walhallaporträt“ Heinrich Heines war eine besondere Herausforderung und ein Vertrauenserweis des „Freundeskreises Heinrich Heine“, der mir unter der Leitung von Karl-Heinz Theisen diese Aufgabe anvertraute. Eine Herausforderung, weil in diesem Walhallaambiente vieler hervorragender Arbeiten bedeutender Bildhauer und in der Erwartung einer harmoniegezielten Formsprache ein Heineporträt, das die Leidenserfahrung des Dichters in seiner Matratzengruft thematisierte, in der Walhalla einen schmerzlich störenden Ton anschlug. Diese subversive Störung und Verletzung der Walhalla Heilsatmosphäre ist dem mutigen Einsatz Karl-Heinz Theisen zu danken, der damit den Walhalla-Marmorschlaf heilsam zu stören wusste.

Gab es besondere Schwerpunkte in Ihrer Arbeit, die erwähnt werden sollten? Oder Anliegen, die Sie bewegen?

Das einzige Anliegen meiner Arbeit ist, dem irren Mysterium der Lebenswirklichkeit durch bildnerische oder figürliche Beschwörung näher zu kommen.

Haben Sie noch Pläne? Im Düsseldorfer Stadtbild kommt man an Ihnen nicht vorbei. 30 kleinere oder größere Plastiken stehen auf Straßen und Plätzen. Darunter das schon erwähnte Heinedenkmal am Schwanenmarkt, das Kolbekreuz in der Rochuskirche und das gewaltige Stadterhebungsmonument am Burgplatz mit seinen 500 Einzelteilen. Dürfen wir noch weitere Plastiken in Düsseldorf erwarten?

Die Arbeit hört nicht auf. Auch einer, der seit Geburt stottert, hört im Rentneralter nicht auf zu stottern. Also versuche ich weiter, bronzene Puppen zu machen. In meiner Bildhauerwerkstatt entsteht zur Zeit ein Denkmal für Johanna Ey, die Mutter der Künstler der Moderne in Düsseldorf am Beginn des 20. Jahrhunderts. Da ich Mutter Ey 1947 noch begegnen durfte, ruft die Arbeit an diesem Bildwerk Erinnerung an Gestern wach und ist zugleich ein heutiges Danke an eine wunderbare Frau.

Im Übrigen wird das Clemens-Sels-Museum Neuss vom 29.11.2015 bis zum 7.2.2016 eine Ausstellung von Vexierbildern und Vexierplastiken zeigen unter dem Titel „Alles vexiert“.


Kurzvita

Bert GerresheimBert Gerresheim wurde 1935 in Düsseldorf geboren, nach dem Abitur Studium von 1956 – 1960 an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Otto Pankok, im Anschluss Studien der Kunstgeschichte, Archäologie und Germanistik an der Universität Köln, 1963 Staatsexsamen für das künstlerische Lehramt, 1967 einjähriges Stipendium in der Villa Massimo in Rom, 1974-1978 Gast in der Villa Romana in Florenz. Neben seinem künstlerischen Schaffen war Gerresheim bis 1990 Studiendirektor am Düsseldorfer Lessinggymnasium.
Bis 1970 vor allem zeichnerisch tätig, hat er auch bildplastisch gearbeitet und bereits 1963 einen Auftrag zu einer größeren Bronzeplastik für die Fassade des Kunsthistorischen Instituts der Uni Köln ausgeführt, ab 1980 überwiegend als Bildhauer. Gerresheim hat unzählige Plastiken, Zeichnungen, Reliefs und Skulpturen geschaffen, er erhielt zahlreiche Preise: 1977 den Kunstpreis der Künstler Düsseldorf, 1979 den Förderpreis der Stadt Berlin, 1995 den Kunstpreis der Düsseldorfer Jonges und 1999 eine Ehrengabe der Stadt Rianxo Spanien, die ihn auch zum Ehrenbürger ernannte. .Gerresheim lebt in Düsseldorf



Christian Theisen und Alexander Steinforth

„Düsseldorf muss Anreize setzen, um junge Menschen zum Gründen zu bewegen“

Interview mit Dr. Alexander Steinforth, Strategy Manager bei Manchester United


von Christian Theisen

Früher Cambridge und Oxford, jetzt arbeiten Sie in Manchester: Zieht Sie etwa das schöne Wetter auf die Insel?

Das Wetter ist schon schöner in Düsseldorf. Und je weiter man in England nach Norden kommt, desto tiefer wird das Grau am Himmel und desto stärker wird der Regen. Wer also nur auf das Wetter schaut, sollte gerade Nordengland eher meiden. Aber für mich persönlich gab es jedes Mal einen guten Grund nach England zu kommen – erst das Studium und jetzt die Arbeit. Ich kann mich also nicht beklagen.

Was gibt es neben Fußball noch Sehenswertes in Manchester?

Manchester hat mich durchaus positiv überrascht. Von der Historie als alte Industriestadt ist sie wohl am ehesten mit dem Ruhrgebiet zu vergleichen. In Manchester begann die De-Industrialisierung jedoch noch früher. Mittlerweile hat sich hier die zweitwichtigste Metropole Englands entwickelt, die primär durch Medien, Kunst und Sport geprägt ist. Als Fahrradfahrer geniesse ich ausserdem die Nähe zu gleich zwei Nationalparks, dem Peak District sowie dem Lake District.

Mit Fußball haben Sie sich auch in Ihrer Promotion beschäftigt. Sie analysierten darin unter anderem das Financial Fairplay im internationalen Profifußball. Wie kann man bei den aktuellen Entwicklungen im englischen Fußball noch von international fairen Verhältnissen sprechen?

Die britische Premier League hat sich in den vergangenen Jahren tatsächlich einen enormen wirtschaftlichen Vorsprung gegenüber allen anderen Sportligen weltweit erarbeitet. Hauptgrund hierfür sind die Medienerlöse. Auf nationaler sowie internationaler Ebene liegen diese deutlich über den entsprechender Einkünfte anderer Ligen. Man kann darüber streiten, ob diese Entwicklung gerecht ist. Man muss der Premier League aber zugute halten, dass sie sich früh um eine Internationalisierung ihrer Liga bemüht hat. Die Früchte dieser Bemühungen erntet sie jetzt. Das an sich ist nicht verwerflich. Problematisch vor dem Hintergrund des Financial Fairplay ist es eher, wenn Clubs sich ausschließlich durch die Finanzkraft ihres Eigentümers sportliche Wettbewerbsfähigkeit erkaufen. Und das passiert leider in nahezu allen europäischen Ligen – auch der Bundesliga.

Was glauben Sie, steht uns in den kommenden Jahren in Deutschland bevor? Schon jetzt wird viel Geld aus England über Transfers auch nach Deutschland gespült.

Alle Fußballligen Europas werden die finanzielle Übermacht Englands in Zukunft noch stärker zu spüren bekommen. Die Premier League hat durch ihren Internationalisierungsgrad eine wirtschaftliche Stärke erreicht, die auf absehbare Zeit nicht aufgeholt werden kann. Dementsprechend können in England auch noch höhere Gehälter gezahlt werden. Für die Bundesliga bedeutet dies: Es wird immer schwerer werden, Top-Spieler nach Deutschland zu lotsen und hier zu halten. Mit Ausnahme von Bayern München wird dies selbst für Top-Teams schwierig werden.

Finanziell gut aufgestellte Vereine wie Wolfsburg, die international mithalten, können – wie man aktuell sieht – durch ihre Abhängigkeit auch arg in Bedrängnis kommen. Kann das die Lösung sein?

Ich persönlich bin der Meinung, dass der vermehrte Eintritt von „Werks-Clubs“ in den Profi-Fußball der falsche Weg ist. Abseits aller Fußballromantik verstoßen diese auch regelmäßig gegen die Statuten von DFB und DFL. Zu diesem Ergebnis komme ich in meiner Dissertation. Und was, wenn der Mutterkonzern eines solchen Clubs in finanzielle Schieflage gerät? Dann zeigen sich schnell die Schattenseiten eines wirtschaftlich nicht ausgewogenen Finanzierungskonzepts.

Alexander Steinforth und Christian Theisen

Sie sind Düsseldorfer und auch der Fortuna eng verbunden. Wieso schafft Düsseldorf es mit seinem äußerst positiven Geschäftsumfeld nicht, sich als top Fußball-Standort zu etablieren? Was machen Schalke oder Dortmund besser?

Zum Profi-Fußball gehört ja mehr als ein positives Geschäftsumfeld. Sonst würden wohl jedes Jahr Frankfurt, München und Düsseldorf die Meisterschaft unter sich ausmachen. Als Freund der Fortuna ist es natürlich – gerade derzeit – nicht immer der pure Genuss, am Montag Morgen die Zeitung aufzuschlagen. Ich maße mir aber nicht an, die Arbeit der Verantwortlichen zu beurteilen. Dafür bin ich zu weit weg. Sicher ist jedoch, dass der Club in den Jahren des sportlichen Niedergangs eine recht dürftige Außendarstellung abgegeben hat. Da gilt es immer noch, verlorenes Vertrauen durch kontinuierliche gute Arbeit wiederherzustellen. Aber man sollte auch nicht vergessen: Aus der vierten Liga hat die Fortuna schon ein gutes Stück Boden wieder gut gemacht.

Sie arbeiten nun bei Manchester United. Was könnte Fortuna Düsseldorf von ManU lernen – abgesehen von teuren Spielereinkäufen?

Am beeindruckendsten ist wohl die Professionalität, die hier auf jeder Ebene herrscht und gelebt wird. Ich bin ein großer Freund des eingetragenen Vereins und des Ehrenamts. Selbst bei einem deutschen Zweitligisten kann es aber an gewissen Stellen notwendig sein, Leute mit externer Erfahrung an Bord zu holen. Dass sich jemand unbezahlt mit Herz und Seele für den Verein einsetzt, verdient großen Respekt. Es ist aber nicht immer hinreichendes Kriterium zur Führung eines Clubs mit mehreren Millionen Euro Umsatz.

Manchester United ist ein alter, britischer Traditionsverein. Davor waren Sie bei Rocket Internet beschäftigt, der Erfolgs-Schmiede der deutschen Samwer-Brüder. Gegensätzlicher geht es kaum. Wo liegen die Unterschiede in der Unternehmenskultur? Oder sehen Sie auch Gemeinsamkeiten?

Auch im Fußball werden die digitalen Themen immer wichtiger. Wir haben hier zum Beispiel knapp 100 Mitarbeiter allein in der Medienabteilung. Insofern gibt es inhaltlich schon einige Überschneidungen. Der größte Unterschied ist wohl in der Historie begründet: Manchester United ist ein Club mit weit über 100-jähriger Geschichte. Hier ist man sich sehr der Kraft der Marke bewusst – und handelt dementsprechend. Bei einem Online Start-Up hingegen geht es vornehmlich um Geschwindigkeit und das Gewinnen von Marktanteilen. Dort wird mehr ausprobiert – auch auf die Gefahr des Scheiterns hin.

Sie haben in Münster und an den beiden britischen Elite-Universtäten Cambridge und Oxford studiert. Seit 2005 versucht Deutschland, mit der Exzellenzinitiative an die internationalen Elite-Unis aufzuschließen. Was könnte Deutschland von England lernen? Wo hat es Ihnen besser gefallen?

Das größte Problem ist wohl, dass sich so genannte „Elite-Universitäten“ nicht am Reissbrett planen lassen. Deutschland hat unheimlich viele tolle Universitäten – gerade in der Breite. Aber nur, weil die Politik einer Universität nach einem bürokratischen Auswahlverfahren einen solchen Titel verleiht, spielt sie nicht automatisch in derselben Liga, wie etwa die Top-Unis in den USA. Oxford und Cambridge sind tolle Hochschulen – an beiden Orten hat es mir sehr gut gefallen. Doch auch die deutschen Unis haben viel zu bieten. Insbesondere die Gebührenfreiheit ist dabei im internationalen Vergleich ein echtes Alleinstellungsmerkmal.

Alle jungen Gründer zieht es nach Berlin, weil dort die Voraussetzungen angeblich am günstigsten sind. Düsseldorf hat es leider im letzten Jahrzehnt verpasst, sich als Standort für deutsche Start-ups zu positionieren. Ist der Zug abgefahren oder wie könnte Düsseldorf wieder Anschluss gewinnen?

In Berlin hat sich über die letzten Jahre eine für Deutschland einzigartige Gründungskultur etabliert. Die Stadt profitiert dabei enorm von ihren günstigen Mieten und der internationalen Strahlkraft. Beides hat Düsseldorf in diesem Ausmaß nicht zu bieten. Deshalb müsste Düsseldorf – oder das Rheinland als Verbund – andere Anreize setzen, um junge Menschen zum Gründen zu bewegen. Das ist ein Punkt, an dem die Lokalpolitik einiges bewegen könnte. Man muss sich nur mal den langwierigen Prozess zur Gründung eines eigenen Unternehmens und die damit verbundene Bürokratie anschauen. Das ist schon ein enormes Hemmniss, könnte aber durch bessere Begleitung und Unterstützung durch IHK & Co. stark vereinfacht werden. Thomas Geisel hat sich das Thema ja auf seine OB-Fahne geschrieben. Mal schauen, was da noch kommt.

Könnten Sie sich vorstellen, wieder nach Deutschland oder Düsseldorf zurückzukehren? Vielleicht weiterhin im Bereich Fußball?

Deutschland ist meine Heimat – und in Düsseldorf habe ich mich immer sehr wohl gefühlt. Ich habe auch noch viele Verbindungen hierhin. Eine Rückkehr kann ich mir deshalb sehr gut vorstellen. Ob dies dann im Fussball oder in anderer Branche sein würde, kann ich derzeit nicht sagen.

Zum Schluss noch einmal Fortuna: Wo spielt Düsseldorf in der übernächsten Saison?

Am liebsten natürlich in der Champions League. Aber das dürfte dann doch recht schwierig werden. Mit etwas Glück reicht es bis dahin aber nochmal für den Aufstieg in die Bundesliga.


Kurzvita

Alexander SteinforthAlexander Steinforth wurde 1985 in Düsseldorf geboren. Abitur 2004 am Görres-Gymnasium. Danach Studium der Rechtswissenschaften in Münster, Oxford und Cambridge. Promotion zum Beteiligungsrecht an Sportvereinen. Berufliche Stationen als Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group in Berlin sowie bei Rocket Internet. Arbeitet heute als Strategy Manager beim Premier League Club Manchester United.



Susan Tuchel und Uta Raasch

„Ich bin glücksbegabt und Mode ist die Leidenschaft meines Lebens“

Interview mit Uta Raasch, Modedesignerin


von Dr. Susan Tuchel

Mit 66 Jahren fängt Udo Jürgens zufolge das Leben erst an. Genau in diesem Alter haben Sie Ihre Marke UTA RAASCH verkauft. Und jetzt gehen Sie – etwas überraschend −  im nächsten Jahr mit einer neuen Kollektion auf den Markt?

Dass ich die Marke UTA RAASCH verkauft habe, heißt ja nicht, dass ich mit dem Arbeiten aufgehört habe. Das würde auch überhaupt nicht meinem Naturell entsprechen. Aber ich hatte auch keine direkte Nachfolge. Meine Tochter Nicola ist Tierärztin, mein Sohn Florian Kameramann. Das Label  UTA RAASCH Couture habe ich behalten. Ich habe einen Showroom in Oberkassel und vier Angestellte im Couture-Atelier. Die Haute Couture ist für jeden Modedesigner die Kür und ich bin sehr stolz, dass meine Modelle von Prominenz getragen werden. Den Kontakt zu QVC habe ich über meinen Freund Thomas Rath erhalten, der seine exklusive Kollektion THOM by Thomas Rath bereits mit großem Erfolg bei QVC präsentiert.

Was reizt Sie Ihre Kollektion „Strandfein“ per Teleshopping bei QVC vorzustellen?

Als Designerin gehe ich gerne neue Wege und der Distanzhandel ist ein wachsender Markt, der mich schon immer fasziniert hat. Mich hat das junge Team, die hohe Professionalität, aber auch die Unternehmensphilosophie überzeugt. Mit den Werten des Handelsunternehmens Q = Quality, V = Value und C = Convenience kann ich mich zu 100 Prozent identifizieren, was für mich eine wichtige Voraussetzung war, ein exklusives Label für QVC zu kreieren. Im Übrigen hat mich dort niemand nach meinem Alter gefragt … (lacht).

Früher machte sich die Landbevölkerung stadtfein. Macht man sich heute „Strandfein“ im Großstadtgetümmel?

Für mich ist „Strandfein“ Ausdruck eines Lebensgefühls. Ich habe das Lieblingsbuch meiner Mutter „Muscheln in meiner Hand“ von Anne Morrow Lindbergh verschlungen. Darin beschreibt die Ehefrau von Charles Lindbergh, wie wichtig für ihre Seele die Zeit am Strand war. Ich habe einige Jahre auf Sylt verbracht und auch für mich gibt es nichts Schöneres, als mit nackten Füßen am Strand entlangzulaufen, die Bewegung der Wellen zu sehen, die Frische zu spüren. Dieses Lebensgefühl kann man auch in dem ausdrücken, was man trägt. Ob T-Shirts, gemütlicher Strick, aber auch Leder und Jeans, alles kommt modisch rüber und gefällt Jung und Alt. Vielleicht auch, weil die Mode einen Ticken weiblicher ist als bei anderen Labels für Casual Mode.

Apropos Label: ein S mit einem Anker und Herz findet sich auf Bändern, Knöpfen, auf Reißverschlüssen und Tüchern. Das geschwungene S steht für Strandfein, was symbolisiert der Anker?

Der Anker, ein zutiefst christliches Symbol, steht für Glaube, Liebe, Hoffnung. Mein Anker, mein Halt, war immer auch meine Familie. Mittlerweile habe ich mit meinem Lebenspartner eine richtig große Patchwork-Familie und ich liebe die Feste, zu denen alle kommen, und freue mich immer sehr auf meine vier leiblichen und fünf zugewonnenen Enkelkinder. Mein eigenes Lebensgefühl ist, dass ich glücksbegabt bin, wohl auch deshalb, weil meine eigenen Ansprüche nicht zu hoch aufgehangen sind. Ich habe alle Höhen und Tiefen der Modebranche mitgemacht, Mode ist meine Leidenschaft.

Wer sind Ihre Vorbilder?

Coco Chanel, aber auch Stars wie Audrey Hepburn oder Idole wie Twiggy und natürlich Karl Lagerfeld. Ich setze mich immer auch mit dem Zeitgeschehen auseinander, mit den Filmen und der Kunst, und natürlich habe ich auch die internationale Streetstyle-Fashion im Blick. Visuelle Neugierde und Interesse am Zeitgeschehen inspirieren mich jeden Tag aufs Neue.

Wie sehen Sie die Modestadt Düsseldorf? 

Das trifft etwas wie einen wunden Punkt in mir. Düsseldorf wirbt für sich als Stadt der Mode mit der Modemeile Kö und bringt jedes Jahr zum Teil exzellente Modedesigner hervor. Aber wie so oft, gilt der Prophet im eigenen Lande nicht. Ich weiß ganz genau, wie schwer es ist, in der Modebranche durchzustarten. Ich möchte mich deshalb gerade für Jungdesigner einsetzen. Da sind die Wirtschaft mit Sponsoring und die Wirtschaftsförderung der Stadt gefragt. Zusammen mit Dr. Vera Geisel entwickele ich gerade ein Konzept, um die kreativen Köpfe in Düsseldorf zu halten und zu unterstützen. Einfach weil ich weiß, wie schwer es ist, mit Mode Geld zu verdienen.

Wie sehen Ihre Auszeiten aus?

Wann immer es geht, gehen wir am Wochenende in die Natur und marschieren mit unseren beiden Jack Russel-Terriern durch den Wald. Und Urlaube am Meer gehören auch für mich dazu, um wieder „Strandfein“ zu werden.


Kurzvita

Uta RaaschUta Raasch (geb. Bays) besuchte eine Klosterschule in Essen und lernte bei den Nonnen neben Französisch, Englisch und Latein erste Nadelarbeiten. Ihr Vater bestand auf einer ordentlichen Ausbildung und so absolvierte sie eine Banklehre statt Kunst zu studieren. Ein Sprachenstudium in Englisch und Französisch folgte. 1972 schnupperte sie erstmals Messeluft und war auf Modemessen als Übersetzerin, Kundenbetreuerin und Model tätig. Sie stieg in die Modebranche ein, entwarf Seidentücher, arbeitete als Designerin für deutsche und italienische Modehäuser. Die internationale Welt der Mode stand ihr offen, nachdem Helmut Newton ihre erste Modekollektion 1979 vor dem Brandenburger Tor für die Erstausgabe der deutschen Vogue fotografiert hatte. Als Designerin arbeitete sie u. a. für Umberto Ginocchietti und Malgari, beriet das Unternehmen Basler und eröffnete eigene Stores in Düsseldorf, Hamburg und auf Sylt. Im Februar 2016 startet sie mit der neuen Kollektion „Strandfein“ bei QVC.